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Verstört ging ich weiter, und warf verstohlen einige Blicke um mich. Bei genauerem Hinsehen schien alles düster zu sein. Obwohl die Stadt so aussah, als wäre alles normal, lag doch eine bedrückte Stimmung in der Luft. Langsam lief ich in Richtung Stadtzentrum, in der Hoffnung dort einen Plan der Umgebung vorzufinden. Ich kam an einem steinernen Brunnen vorbei, aus dem aus einem mit geheimnisvollen Mustern verziertetem Rohr türkies-blaues Wasser in sein rundes Becken plätscherte. Die hastenden Schritte der Menschen, die vorbei kamen, tönten auf dem gepflasterten Steinboden, doch niemand schien sich für das Detail zu interessieren. Um genau zu sein, achtete niemand auf irgendetwas, und es schien als würden die Menschen nicht einmal den Boden wahrnehmen, den sie beim Gehen anstarrten. Augenringe und verfilzte Haare schienen Normalität zu sein, und ich wendete mich immer öfter im Gehen um, um völlig übermüdeten Menschen hinterherzublicken. Langsam näherte ich mich einer Art Stadtplatz, jedoch schien er völlig verlassen zu sein, und die Fenster der Läden waren allesamt mit schwarzem Plakatpapier, das mit Tape festgemacht war, verdeckt. Teilweise hingen Ecken der Plakate hinunter, als wären ihre Besitzer überrascht vertrieben worden. So konnte man verstaubte Räume und umgefallene Kleiderstangen sehen. Stühle eines Straßencafés lagen verstreut am Pflaster, und wurden von Zeitungsblättern, die der Wind hierhergeweht hatte, bedeckt. Äste von einer großen Eiche lagen am Boden, und wiegten sanft in der leichten Brisre hin und her. Die Farbe mancher Häuser war abgeblättert, und die Fensterläden waren aus den Angeln, die mit Spinnweben bedeckt waren, gerissen. Alles in allem ein überaus unheimlicher Anblick. Zögerlich ging ich weiter, als ich bemerkte, dass ich ehrfürchtig stehen geblieben war. Ich stieg eine leichte Anhöhe hinauf, die den Stadtplatz zierte. Der Wind frischte auf, und zerrte an meinem dunkelgrünen Shirt. Genervt wischte ich ein paar Blätter aus meinem Gesicht, die mir im Sekundentakt in die Augen klatschten. Einen Stadtplan konnte ich keinen entdecken, aber ich bückte mich nach der Zeitungsblätter, die gegen die Caféstühle gepresst wurden, und sah die Schlagzeile: "Fürchterliche Kräfte verwüsten Bridgeville." Ich wusste es. Amerika. Langsam ließ ich das Blatt sinken, da der Rest der Schrift vom Regen aufgeweicht und verschwommen war. Meine Nackenhaare stellten sich wiedermals auf, als das alte Gefühl aufkam, dass ich beobachtet wurde. Der Wind war stärker geworden, und ich musste mich dagegen stemmen, als ich mich im Kreis drehte um meinen Beobachter auszumachen. Doch da war nichts. Ein Hund bellte, und ich ließ meinen Blick immer öfter im Kreis schweifen, als plötzlich ein rotes Augenpaar etwa zehn Meter von mir auftauchte. Ich riss ängstlich meine Augen auf, Pochen erfüllte meine Ohren, und ein Adrenalinschub sorgte dafür, dass ich entsetzt aufschrie und begann zu rennen, dass meine Oberschenkel schmerzten. Ich lief immer weiter, in fremde Gassen, in denen Fetzen von Kleidungsstücken aus Fenstern hingen, die zu viel zu weit beieinander stehenden Häusern gehörten. Die Windböen wirbelten um mich, als wollten sie mich zu Fall bringen. Ich riss meine Arme nach oben, drehte die Handflächen nach oben, brüllte: "winsfacere" gegen den tosenden Sturm und verschwand mit einem Knall. Das Klacken meiner Schuhe auf dem Stenboden hatte ein apruptes Ende, und zurück blieb eine unrealistische Ruhe, deren Schein wahrlich trog.

Engelstöchter beißt man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt