кαριтєℓ 25

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Irgendetwas stimmte nicht. Es fühlte sich an, als würde ich in Sirup waten, und hätte keinen Orientierungssinn mehr. Alles war zäh, und mir fiel es schwer voranzukommen. Ich hörte ein Rauschen, das sehr nach einem schlecht eingestellten Radio klang, aber es wurde immer lauter. Meine Lungen wurden, wie immer, zusammengepresst, aber diesmal hörte es nicht auf, sondern es ging immer weiter, immer weiter pumpte die Luft aus mit heraus. Ich bemühte mich verzweifelt nach vorne, oder nach hinten zu kommen, aber so sehr ich auch strampelte, ich kam kein Stück voran. Bizarre Farbmuster flitzten an mir vorbei, aber auch diese wurden immer langsamer und schienen träge. Was war denn los? Ich rang nach Luft und versuchte, etwas zu fassen zu bekommen, und mich irgendwie hochzuziehen, aber es funktionierte nicht, denn meine Hände fanden keinen Halt. Ich schrie kurz, und bemühte mich darum, voranzukommen, dich mir wurde bewusst, dass ich mit Gewalt nicht weiterkommen würde. Ich steckte fest, und durfte auf keinen Fall in Panik geraten. Also besann ich mich und atmete ein mal tief durch, bevor ich die Augen schloss. Ich konzentrierte mich darauf, dass ich weiterkommen wollte, und stellte mit mein Ziel genau vor. Dabei ignorierte ich den Druck auf meinen Lungen und die leichte Angst in meinem Kopf bestmöglichst. Ich atmete ruhig, und sah hinter meinen geschlossenen Augen nurnoch mein Ziel. Plötzlich durchzuckte mich ein kleiner Ruck, und ich schien langsam aus dem dickflüssigen Sirup herausgezogen worden zu sein. Erfreut öffnete ich die Augen, und sah die abstrakten Farben wieder an Geschwindigkeit aufnehmen, während ein kühler Wind meine Härchen an den Armen aufstellte. Erleichtert seufzte ich auf, und schon im nächsten Moment stand ich wackelig in Mary's Werkstatt.
"Da bist du!", schrie Mary erleichtert, und kam hoch erfreut aus einer Ecke auf mich zugerannt. Sie umarmte mich kurz, und bat mich dann, wieder zu dem Kreis aus angeordneten Symbolen zu treten. Dort streckte sie abermals eine Hand nach mir, die andere in Richtung des Vampires aus, der immer noch mitleiderregend am Boden lag, und murmelte Beschwörungen. Ich achtete nicht wirklich auf das Geschehen, sondern spähte immer wieder über die Schulter von Mary. Wo war Claire? War etwas schiefgelaufen? Aber das hätte sie mir doch bereits gesagt... Ich spürte es kaum, als ich mich wieder in mich verwandelte, und auch Mary's Gratulationen nahm ich nur mit einem halbherzigen Lächeln zur Kenntnis, als wir langsam zurückgingen."Wo ist denn...", setzte ich an, aber Mary kam mir zuvor: "Sie schläft. Sie braucht jetzt Ruhe. Und ich glaube, du auch." Prüfend musterte sie mich, und lächelte mit dann vor meinem vorübergehenden Zimmer zu. "Ich wecke dich, wenn etwas wichtiges passiert." meinte sie noch, bevor sie sich langsam entfernte. Müde und erschöpft sank ich auf die Matratze, und stellte mir vor dem einschlafen nicht einmal mehr die Frage, was passiert war, als ich nicht weitergekommen war.
Ich wachte von etwas auf, dass wie splitterndes Glas klang. Verschlafen stützte ich mich auf meine Arme und öffnete die Augen. Ich hörte laute Rufe und polternde Möbel, die umfielen. Panisch sprang ich auf, und riss mit dabei an der Bettkante unabsichtlich wieder die Wunde am Oberarm auf. Es brannte höllisch und noch einmal sickerte Blut daraus hervor. Mit Schmerzverzerrten Gesicht torkelte ich zur Tür und hörte hastige Schritte, die auf mich zusteuerten. Gerade wollte ich hinter die Tür hechten, um mir einen Überraschungseffekt zu sichern, aber da bemerkte ich, dass es Claire war, die mit weit aufgerissenen Augen auf mich zukam. Ihr blondes Haar hing ihr wird über die Schultern, und mir fiel auf, dass sie ihr Shirt verkehrtherum trug. "Was ist hier los?", fragte ich unsicher. "Die Vampire sind los! Sie haben alle Barrieren überwunden, und sind hier eingedrungen! Wir müssen sofort verschwinden." Entsetzt starrte ich sie an, aber mein Entsetzten schlug schnell in grimmige Kampflust um. "Wir können unmöglich einfach gehen! Was ist mit Mary? Das sind wir ihr schuldig, glaubst du etwa nicht?" Sie sah mich mit über gründlicher Miene an, und ich war mir sicher, sie würde mich davon abbringen wollen, doch zu meinem Überraschen stimmte sie mir zu: "Ja du hast Recht. Wahrscheinlich sind wir ihr das Schuldig." Mit diesen Worten drehte sie sich um und lief den Gang entlang, direkt zu den Kampfgeräuschen. Verdattert blieb ich stehen, beeilte mich dann aber, ihr zu folgen. Je näher wir kamen, desto deutlicher wurde mir bewusst, dass wir wahrscheinlich unser Leben riskierten, und das machte mir Angst. Auch wenn es feig wirken mochte, ich wollte nicht sterben. Bisher hatte ich in Kämpfen nie die Wahl gehabt, ich bin einfach mit Gegnern konfrontiert worden. Hätte ich mich geweigert zu kämpfen, wäre ich umgekommen, ehe ich noch mit einer einer wimper gezuckt hatte. Jetzt war es jedoch anders. Jeden Moment hatte ich die Möglichkeit umzukehren, und, zumindest für heute, sicher zu sein. Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, ich könnte irgendwoher wissen, was die richtige Entscheidung wäre. Aber womöglich galt es nicht den Weg zu wählen zwischen gut und böse, sondern zwischen richtig und leicht. Und würde ich sterben, würde ich mit Würde sterben. Und entschlossen holte ich auf, um neben Claire herlaufen zu können. Gemeinsam folgten wir den Geräuschen, bis wir zu einer Tür kamen, die ich noch nie gesehen hatte, und somit den Raum dahinter auch mich nie betreten hatte. Claire und ich sahen uns kurz an und nickten einstimmig. Gemeinsam stießen wir die Tür auf, und die Szene dahinter war zwar vorhersehbar gewesen, dennoch irgendwie überraschend. Wir standen offenbar in Mary's Schlafzimmer. Denn ein riesiges Doppelbett stand, halb zersplittert, mitten im Raum. Die Bettdecke war zerfetzt und unzählige Federn bedeckten den Boden. Das Fenster war zerbrochen, und ein kalter Windstoß nach dem anderen fegte herein. Eine kleine Kommode und ein gewaltiger Kleiderschrank lehnten zertrümmert an einer Wand, und Kleiderbügel bedeckten den Bereich um den Schrank. Drei Vampire standen in einem Kreis um Mary, doch immer wieder wurde einer unsichtbar, und nurmehr seine dunkeroten Augen waren auszumachen. Ständig musste sich Mary herumdrehen, um keinen Angriff der Vampire zu verpassen, und sobald sie einen Gegenangriff starten wollte, verschwand der bedrohte Vampir sofort. Jetzt war der Kampf unterbrochen, und jeder starrte uns ungläubig an. Die Vampire, weil sie wussten, dass wir sie vernichten konnten, und Mary, weil sie vermutlich erwartet hatte, wir würden verschwinden. Grimmig starrte ich die Vampire an, und nutzte den Moment, um eine Ranke aus dem Boden hervorschießen zu lassen. Sie schlang sich die Knöchel des Vampires hoch, aber weiter kam sie auch nicht, denn der Vampir zertrat sie spottend. Auch Claire nutzte ihre magischen Kräfte und warf einen Feuerball, doch als der Vampir bereits lichterloh brannte, lachte er nur und rief: "Vampire sind gegen Feuer immun, du dummes Gör! Mehr habt ihr nicht auf Lager?" Mit aufgerissenen Augen starrten wir beide die Vampire an und verstanden: Es wäre tatsächlich besser gewesen, wir wären verschwunden. "Lauft jetzt! Ich schaffe das schon!" schrie Mary aus Leibeskräften. Alles geschah plötzlich wie in Zeitlupe. Ich sah den Vampir, und ich sah, wie er bedächtig einen Dolch aus seinen Gürtel zog. Die Dolchscheide baumelte sanft an seiner Hüfte herab. Seine Züge verzogen zu einer mordlustigen Fratze. Ich sah wie er sich langsam hinter Mary stellte, die nichtsahnend dastand. Unfähig zu sprechen, sah ich wie der Dolch in den ersten Sonnenstrahlen glitzerte, und ich wollte nicht glauben, was passieren würde. Unfähig etwas anderes zu tun, als mit weit aufgerissenen Augen den Vampir anzusehen, beobachtete ich die spiegelgkatte Klinge. Ich hörte nurnoch mein Herz schlagen, wie es unaufhörlich Blut durch meine Adern pumpte. Verzweifelt versuchte ich zu schreien, einen Ton von mir zu geben, Aufmerksamkeit zu erregen, aber es war zu spät. Die Augen des Vampires waren auf mich gerichtet, und ich wusste, er wollte mich provozieren. Er wusste was ich fühlte, und wie es mir ging, dabei zuzusehen, ohne etwas wirkliches tun zu können. An den Armen des Vampirs traten seine Adern stark hervor, als er den Griff seiner Waffe fester umklammerte und zu einem tödlichen Schlag ausholte. Mit blitzschneller Geschwindigkeit steuerte der Dolch auf sie zu, bevor er mit einem kaum zu sehenden Ruck in Mary's Rücken eindrang. Ich sah, wie Mary's Augen sich geschockt weiteten, und wie sie Sekunden später zu Boden fiel, wie ein Stock den nurnoch eine Brise am Umfallen gehindert hatte, und diese Brise dann endgültig verschwunden war. Sie lag hilflos am Bauch, und der mit Rubinen besetzte Dolchgriff, ragte aus ihrem Rücken hervor. Ihr lockiges, braunes Haar hing wie ein Vorhang über ihrem Gesicht. Röchelnd lag sie am Boden, und ihre haselnussbraunen Augen suchten mich. Das letzte was sie sagte, bevor das Licht hinter ihren Augen endgültig erlosch, war: "Krieg."

Engelstöchter beißt man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt