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Mit einem Schlag hörte ich auf zu kauen, und sah den Mann, der die Aussage gemacht hatte, erschrocken an. Mein Herz schien mein Blut geradezu dazu bringen zu wollen, aus den Adern zu spritzen. "Vam... Vampire?", krächzte ich. "Jaah, Vampire", gab der bullige Mann, der breitbeinig auf seinem Stuhl saß, gedehnt zurück. "Sie sin' vor ungefähr 2 Monaten hier aufgetaucht. War'n einfach plötzlich hier, und tyrannisierten alles und alle. Sie scheinen extremen Blutdurst zu hab'n, ein paar von uns haben schon dran' glauben müssen." Ich wusste nicht was mich mehr schockierte. Die Tatsache, dass genau das hier passiert war, oder der nüchterne Tonfall, in dem der Mann, fast wie bei einem Kaffekränzchen, es erzählt hatte. Langsam wandte ich mich auf dem zerschlissenen Barhocker wieder um, und stützte meine Arme auf den Tresen. Lustlos schob ich die halbgekauten Burgerreste in meinem Mund umher, brachte es aber nicht über mich, sie zu schlucken. Doch der Wirt, der sich immer noch damit begnügte, finster dreinschauend Gläser zu putzen, starrte mich merkwürdig an, deshalb zwang ich mich zu schlucken. Jedoch ließ ich den den Burger, den ich bis jetzt in der Hand gehalten hatte, geräuschvoll auf den Porzellanteller fallen, und legte meinen 10-Dollarschein daneben. Mit einem gemurmelten Danke sprang ich auf, und lief zur Tür hin. Meine Füße waren mittlerweile eingeschlafen, und es kribbelte mich hinauf bis zu meinen Oberschenkeln. Schwungvoll riss ich die Tür auf, und ging nach draußen.
Ich blinzelte überrascht, da ich mich an die düstere Atmosphäre des Pubs gewöhnt hatte, und es dauerte ein wenig, bis sich meine Augen beruhigten und ich in der Helligkeit wieder einigermaßen gut sehen konnte. Ich setzte mich in Bewegung und wollte Richtung Zentrum gehen, da ich mir vorgenommen hatte mehr über die Stadt herauszufinden, als es hinter mir hallte, als wäre jemand über einen Stein gestolpert. Einer plötzlichen Eingebung folgend, bückte ich mich, und tat, als wolle ich meine Schnürsenkel binden. Offensere flüsterte ich kaum hörbar, und plötzlich flimmerte es in meinem Augenwinkel. Unauffällig drehte ich meinen Kopf in die Richtung, und da sah ich ihn. Schwer atmend stand er, da die roten farbe Augen perfekt abgestimmt auf das Blut, dass ihm an seinen langen Eckzähnen herunterran. Meine Augen kreuzten die Blickrichtung seiner, aber er schien nicht zu bemerken, dass ich ihn anstarrte. Ich erschauderte, als ich mich betont ruhig wieder auf richtete und mit steifen Bewegungen meinen Weg fortsetzte. Ab und zu meinte ich, einen heißen Schwall Atemluft in meinem Nacken zu spüren, oder einen rasselnden Atem zu hören.
Es stimmte also. Es waren Vampire hier. Blutrünstig und extrem gefährlich. Als ich aus dem muffigen Gebäude getreten war, hatte ich mich noch ein einen winzigen Funken Hoffnung wie an einen Strohalm geklammert. Dass alles gut war, dass sich die Männer vertan hatten und in Wirklichkeit nichts besonderes hier war. Doch mit jedem Schritt, den ich getan hatte, schien meine törichte Annahme an Glaubhaftigkeit ab, und schien immer unrealistischer zu werden. Und dann hatte ich den Beweis schwarz auf weiß vor mir gehabt. Mit einem kleinen, unbedeutenden Zauber, hatte ich seine Tarnung unbemerkt zerstört, und mein Wunsch von Normalität war zusammengebrochen.
Und jetzt war einer von einer Spezies, von der man wenig bis nichts wusste, hinter mir her und die Frage, was er vorhatte, jagte mir enorme Angst ein. Das Herz schlug kräftiger denn je, als würde es die Lebensgefahr spüren, in der ich mich befand, und als wäre es über zeugt seine letzten Schläge in Würde zu vollbringen. In angsteinflößende Gedanken versunken, hatte ich nicht bemerkt, dass ich vor schmalen Stiegen stand, die links und rechts gesäumt von heruntergekommenen Wohnhäusern, zu einer Art Torbogen führte. Sehr wohl dessen bewusst, dass es eine meiner letzten Taten sein konnte, erklomm ich die Stufen, die ungewöhnlich hoch gebaut waren. Ein erstickt er Aufschrei entführt mir als, links von mir eine sanfte Stimme direkt in mein Ohr flüsterte: "Hier rein, schnell!" Ohne jegliches misstrauen folgte ich dem Befehl, und stolperte durch einen weißen Türrahmen, an dem die Farbe abblätterte, und man dahinter dunkles Eichenholz erkennen konnte. Mir viel auf, dass von der Decke herab viele Kreuze und Knoblauchbünde hingen, die in der leichten Brise hin und her schaukelten. Als ich dass abrissreife Haus betrat, kam mir sofort ein muffiger Geruch entgegen, und der verdreckte Teppich machte nicht gerade einen einladenden Eindruck. Außerdem war ich überzeugt, dass ich ein paar graue Ratten schnell in einen Spalt huschen sah. Die einst vielleicht crèmefarbene Tapete schälte sich in einzelnen Bahnen ab, und dahinter kam roher Ziegelstein zum Vorschein.
"Hier kann er nicht rein.", wisperte die Stimme, offenbar in Furcht, belauscht zu werden. Mein Erstaunen überdeckte den Schreck, den ich gerade wieder bekommen hatte, als die Stimme sprach. "Sie können ihn auch sehen?", fragte ich perplex. "Ja. Ich kann."


Engelstöchter beißt man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt