кαριтєℓ 21

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In der Nacht konnte ich kaum schlafen. Unruhig wälzte ich mich hin und her und meine Bettdecke lag entweder am Boden oder war so fest um meine Beine gewickelt, dass es Ewigkeiten dauerte bis ich mich befreien konnte. Alle paar Sekunden wechselte die Temperatur im Zimmer um mindestens zehn Grad. Zumindest fühlte es sich so an. Einmal schwitzte ich wie verrückt und das nächste mal wachte ich Zähneklappernd auf. Ich schlief keine zwanzig Minuten am Stück, sondern wachte immer wieder dazwischen auf, wechselte meine Position und versuchte wieder einzuschlafen. Entnervt hörte ich irgendwann auf mich zum einschlafen zu zwingen und begnügte mich damit, den vollen Mond anzustarren.
Als sich die Nacht gerade nur ein wenig gelichtet hatte, schwang ich meine Füße aus dem Bett und streifte mir neue Kleidung über. Es war nicht daran zu denken, jetzt weiterzuschlafen. Der Tag war gekommen, und ich fürchtete mich mehr davor als vor allem anderen. Jedes mal wenn meine Gedanken woanders waren, und dann wieder zu unserem Vorhaben zurückkehrten, vollführte meinen Herz einen kleinen Salto. Außerdem hatte ich fürchterliche Kopfschmerzen.
Fröstelnd stapfte ich in die Küche um wenigstens zu versuchen etwas zu essen, und traf dort, kaum hatte ich die Tür geöffnet, auf Mary. Überrascht grinste sie mich an und sagte: "Na, auch schon auf den Beinen?" Ich versuchte ein "Ja" hervorzubringen, aber das einzige was ich zustande brachte war ein mitleiderregendes Krächzen. Also nickte ich einfach und zog einen Stuhl heran um mich zu setzen. Ich stützte meine Ellenbogen auf dem Tisch auf und legte meinen Kopf in meine Hände. Gedankenverloren betrachtete ich die Maserung des Holztisches, bis vor mich ein Teller mit einem Spiegelei und einem Brot darauf gestellt wurde. "Danke", murmelte ich mit brüchiger Stimme, lächelte Mary aber zusätzlich noch dankbar an. "Versuche wenigstens etwas zu essen. Es wird dir dann besser gehen", meinte sie zuversichtlich und ich nickte mechanisch. Je länger ich das Spiegelei betrachtete, desto absurder erschien mir die Idee es zu essen. Doch ich überwand mich und schnitt einen Teil davon ab, bevor ich ihn hastig in meinen Mund stopfte. Es schmeckte überraschend gut. Mary hatte such gegenüber mir auf einen anderen Stuhl gesetzt und hatte wieder diesen Ausdruck im Gesicht, als würde sie mitbekommen was in mir vorging.
Als ich fertig war, leckte ich mir einmal genüsslich über die Lippen, und stand dann auf um meinen Teller in die Geschirrspülmaschine zu stellen. "Okay...", begann Mary, "Ich denke, es hat keinen Sinn es noch aufzuschieben. Wir werden lediglich nervöser und mit der Zeit werden immer mehr Vampire auftauchen. Und mehr Vampire bedeuten mehr Feinde. Also lass uns gehen." Mein Herz setzte bei diesen Worten aus. Geschockt blickte ich Mary an, und wollte ihr schon widersprechen, aber ich wusste, dass sie im Grunde recht hatte. Ich schluckte einmal, und darauf folgte ich auch schon Mary die durch die offene Tür verschwunden war.
Ich trat durch die Tür hindurch und sofort empfing mich angenehme Kühle. Mein Blick fiel auf den Mann der zusammengesunken und die Hände in Ketten gelegt inmitten des Kreises lag. Er sah zerrupft aus. Das graue Haar war nicht mehr in einen seriösen Pferdeschwanz gebunden sondern sah verfilzt aus. An seinem Kinn war ein dunkler Bluterguss zu sehen, und als ich ihn sah, zuckte ich Schuldbewusstsein zusammen. Mary stand genau vor dem Vampir und bat mich, mich gegenüber hinzustellen. Ich tat wie geheißen und Mary streckte eine Hand in meine, und die andere in die Richtung des Vampires aus. Ihre Augen waren geschlossen und die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Zappelig wartete ich darauf, das etwas geschah, als sie begann komplizierte Beschwörungen zu murmeln, bei denen ich nur einzelne Wortfetzten hören konnte. Doch auf einmal spürte ich wie mein Körper sich unangenehm gedehnt anfühlte und mir abwechselnd eiskalt und heiß wurde. Meine Gelenke knacksten und ich schmeckte einen bitteren Geschmack im Mund. Meine Zähne knirschten und zeitgleich wurden meine Augäpfel tief in die Höhlen gedrückt. Die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst und so war ich gezwungen röchelnd zu atmen. Immer intensiver und schlimmer wurden all diese Gefühle, und als ich schließlich das Gefühl hatte meine Organe würden brennen, hörte alles aprupt auf. Keuchend klammerte ich mich an der Wand hinter mir fest und wagte es, die Augen zu öffnen. Ich war riesig. Das T-Shirt spannte unangenehm über meiner Brust und den Schultern, während meine Hose nur bis zu den Schienbeinen einen reichte. Außerdem musste ich meine Zehen einziehen, um in meine Schuhe zu passen. Auch Mary öffnete ihre Augen, und sah mich prüfend an. Sie nickte kurz und trat beiseite, um mich in die Spiegelung des Fensters schauen zu lassen. Ich riss überrascht meine Augen auf. Da stand nicht mehr ich, sondern Sapergrace. Probehalber hob ich den Arm um zu sehen, ob meine Spiegelung das auch tat, aber ich wurde nicht enttäuscht. Grinsend fertigte ich mit einem Armschlenker noch Duplikate der Kleidung des Vampires an. Jetzt war die Illusion perfekt. Ich schritt unbeholfen auf Mary zu, um gemeinsam mit ihr zu teleportieren. Mit meiner Größe kam ich noch nicht sehr gut klar. Mary rief viscipo! und sie begann zu flimmern. Kurz danach war sie nicht mehr zu sehen. Gemeinsam murmelten wir den Zauber und verschwanden in Richtung Gefahr.
Mit einem Knall tauchten wie zeitgleich vor dem Torbogen wieder auf, und sofort flüsterte mir Marys Stimme aus dem Nichts zu: "Weitergehen, weitergehen... Tu so als wäre nichts!" Ich folgte ihrem Rat und ging den Rest eines geschwungenen Pfades entlang bevor ich die kalte Türklinke hinunterdrückte und die schwere Tür aufzog. Mein Herz klopfte wie verrückt und alles in meinem Körper schrie: "Tu es nicht!" Doch ich machte einen Schritt auf einen festen Marmorboden direkt in die Höhle des Löwen. Eine kreisrunde Eingangshalle war zu sehen. Sie erstreckte sich hoch hinauf, und mächtige Kuppeln und Bögen aus Stein verzierten die Decke. Von der Halle führten unzählige Eisentüren weg, und ich konnte nur raten, was sich dahinter befand. Ein Gewirr von Stimmen empfing mich, und die wenigen Blicke die der Tür zugewandt wurden, glitten schnell wieder von mir ab. Ich atmete kaum Hörbar aus, und setzte einen Schritt nach dem anderen in das Getümmel. Gottseidank waren alle Vampire in ihrer Menschengestalt. Ich spürte ein ruhiges Atmen in meinem Nacken, und wusste dass Mary direkt hinter mir war. Der Gedanke machte mir Mut, und ich stolzierte ein wenig aufrechter. Genau genommen wäre dies nicht nötig gewesen, da fast alle Vampire, deren Blick auf mich fiel, sofort wieder wegsahen und sich schnell wegschlichen. Ich schien ein hohes Tier zu sein. Entschlossen schritt ich auf einen Mann zu, der nicht so aussah, als hätte er Angst vor mir. Es wäre wahrscheinlich besser niemanden zu fragen der mich fürchtete, denn in ihrer Furcht könnten sie mir falsche Informationen liefern. Ich erreichte den Mann in grauem Anzug und mit brauner Löwenmähne und begrüßte ihn freundlich. Er erwiderte mir nichts, und ich geriet in Panik. Er konnte mich nicht leiden. Ich hatte falsch gehandelt! Was jetzt? Aber es gelang mir zu improvisieren und ich sagte in höchst herablassendem Ton: "Nun, da sie offenbar heute nicht besser gelaunt sind als an den anderen Tagen, an denen ich sie bereits erleben musste, komme ich direkt zur Sache. Ich muss zu unseren Gefangenen, und weiß nicht wo sie zur Zeit stationiert sind. Mir wurde gesagt, der Standort ihres Aufenthalts wurde geändert. Könnten sie mir bitte verraten, wo ich sie finde?" Die Augen des Mannes hatten sich während meiner Worte gefährlich verengt und er erwiderte misstrauisch: "Da müssen sie falsch informiert sein. Außerdem wüsste ich nicht was Sie, Chef des Kommandos für den Zeitungsdruck der Daily Vampire, dort zu suchen hätten!" Das Herz rutschte mir in die Hose, und mein Mund wurde staubtrocken.

Engelstöchter beißt man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt