Kapitel 30

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Das Getöse und Getrampel wurde immer lauter. Das soeben ausgesprochene Friedensangebot ging in meinem Kopf unter wie ein Stein in einem tiefen Brunnen. Wie in Zeitlupe sah ich mich mit aufgerissenen Augen um, und es fühlte sich an wie in einer dieser Filme wie Herr der Ringe. Nur dass es in solchen Filmen immer ein Happy End gab, was hier niemand garantieren konnte. Ängstlich fing ich an ein wenig zu zittern.  Aber versuchen mussten wir es. Ich versuchte mich zu besinnen, und atmete tief und lange durch. Mein Herzschlag beruhigte sich ein wenig. Plötzlich wurde es still um mich. Zwar nicht wirklich, denn alle in dem Saal wurden unruhig und machten Anstalten, hinauszustürmen. Keine Sekunde verschwendeten ich und Claire, in die Augen unseres neu gewonnenen Verbündeten zu blicken. Gleichzeitig drehten wir uns um, und ich spürte nichts mehr als meinen Puls der in schnellen Schlägen durch meine Adern schoss. Ich schluckte einmal und mein Blick fiel auf die große, massive Tür, deren grässlichen Verzierungen wahrscheinlich schon ein paar Jahrhunderte nicht mehr die Bedeutungen hatten, die sie einst darstellen sollten. Mein Blick fiel auf Claire und ihr Gesicht, dass von Schlamm und Erde verdreckt war. Sie sah mir entschlossen in die Augen und Strich sich dabei eine Strähnen ihres langen, blonden Haares aus dem Gesicht. Sie nickte mir einmal sanft zu, ehe unser beider Blick sich wieder der Tür zuwandte, und wir wie auf Kommando begannen zu rennen. Gemeinsam rammten wir unsere Füße in den Boden und ich biss mir verbissen auf die Unterlippe. Ich versuchte an Tempo zuzulegen, gleichzeitig meinen Atem zu beruhigen und kümmerte mich nicht um die anderen, da ich sie sowieso nicht wahrnahm. Ich erreichte die Tür als erstes, und legte meine Hand um die kalte Türschnalle, die einen Schauer meinen Arm hinaufjagte. Ohne zu zögern riss ich die Tür auf und trat entzetzt einen Schritt hinaus.

Die Front an Descions, die vorher im Wald gestanden hatte rannte in halsbrecherischen Tempo nun direkt auf uns zu. "Stop! Halt! Aufhören!", schrien Claire und ich verzweifelt und gingen unentschlossen ein paar Schritte vorwärts, nur um sie gleich darauf wieder zurückzugehen. Gequält sahen wir und an, denn wir wussten beide welcher Weg beschritten werden musste, um aus dieser Situation herauszukommen. Er gefiel uns beide nicht. Ich sah Claire tief durchatmen ehe sie flüsterte: "Wir müssen uns gegen unsere eigenen Leute stellen, um das hier zu dem richtigen Ende zu führen. Das wird von uns erwartet." Ich sah sie ungläubig an, obwohl sie nur das ausgesprochen hatte, was Realität war. Bittere Realität. "Claire, das...", begann ich." "Mir gefällt es auch nicht, " unterbrach sie mich, "aber wir müssen das tun." Sie sah mich mit einem Blick an, der eine Mischung aus " du weißt, dass ich recht habe" und "hilf mir" bedeutete. Ich seufzte und richtete meinen Blick auf die Truppe, die gerade den vorletzten Hügel überquerte, und viel Schlamm und Erde aufwirbelte. "In Ordnung.", meinte ich nur.
Ohne lange zu überlegen beschloss ich, meine Kräfte einzusetzen um die gewaltige Masse, die auf uns zurannte, in Schach zu halten. Ich streckte meinen Arm schnurgerade aus und kniff meine Augen unter höchster Anstrengung zu. Ich spürte, wie sich meine Ellenbogen überbogen, eine der vielen Nachteile meiner Überflexibilität. Ich entspannte meinen Arm ein wenig. Einen schrecklichen Moment lang rührte sich nichts und nur das laute Getöse der auf uns zurennenden Masse war zu hören. Doch schon eine Sekunde später tat sich ein gewaltiger Riss im Erdboden auf, der sich rundum die Komplette Festung zog. Er war nicht besonders tief, was ich auch so beabsichtigt hatte, doch das Problem ergab sich bereits eine Minute später: Die ersten Descions, die zwangsläufig gestürtzt waren, stiegen bereits wieder aus dem Graben und rannten auf uns zu. Verwirrt vergaßen beinahe alle ihre Fähigkeiten und rannten stur weiter, ohne ihre Kräfte einzusetzen. Doch eben nur die meisten, der Rest begann schon die Festung zu befeuern. Erdkugeln, Feuerbälle oder Wassersträhle rauschten an uns vorbei. "Wir müssen radikaler vorgehen!", schrie Claire gegen den Lärm an. Ich wusste, was das bedeutete, doch es wollte nicht in meinen Kopf. Es war mir klar, dass wir mit solch halbherzigen Versuchen nur unsere Zeit verschwenden würden. Obwohl ich es nicht einmal beabsichtigt hatte, war mein Angriff sehr schwach gewesen, und das wusste ich auch. Genauso war mir klar, dass wir härtere Maßnahmen ergreifen mussten, doch etwas in mir sträubte sich dagegen. Claire schien in diesem Punkt ihre Hemmungen gut überwinden zu können, denn sie begann schon im nächsten Moment unsere Gegner mit Flammenbällen zu bewerfen. Doch auch deren Antwort ließ nicht lange auf sich warten, und es folgte ein Salve von einer Vielfalt an Geschossen. Plötzlich kam mir eine Idee. Sie widerstrebte mir, doch auf moralische Aspekte konnte ich jetzt beim besten Willen keine Rücksicht nehmen. Zuerst erschien sie mir einfach nur verrückt, doch es herrschte eine Ausnahmesituation, und keine Chance durfte ignoriert werden. Was ich vorhatte, hatte ich noch nie probiert, geschweige denn wusste ich, ob es klappen würde. Angesichts der Front, die immer näher kam, beschloss ich jedoch schnell zu handeln. Ich konzentrierte mich, richtete meine offenen Handflächen in die Richtung des zuvor geschaffenen Spaltes im Boden und versuchte, jeglichen Laut auszublenden. Kurz noch hörte ich Claire etwas unverständliches rufen, dann wurde es komplett still um mich, und lediglich mein eigener Herzschlag war zu hören. Es passierte nichts. Plötzlich begannen Zweifel an mir zu nagen, doch ich konzentrierte mich weiter. Es fiel mir schwer, meine Gedanken unter Kontrolle zu bringen, und immer verbissener hoffte ich auf ein Ergebnis. Und mit einem Mal konnte ich eine unbeschreibliche Kraft in mir aufsteigen spüren, ein kribbelndes Gefühl, das von meinen Fußspitzen ausgehend meinen kompletten Körper durchlief. Bereits im nächsten Moment hörte ich, dass sich meine Bemühen bezahlt gemacht hatten. Freudestrahlend ließ ich meine halb eingeschlafene Hand sinken und öfnete meine Augen, ohne mich erinnern zu können, sie je geschlossen zu haben. Erfreut erfasste ich, dass direkt in dem Riss des Erdbodens mit lautem Plätschern eine Fontäne brauner Flüssigkeit schoss und sich langsam in beide Richtungen ausbreitete. Es hatte geklappt! Trotzdem musste ich meine Disziplin wahren, denn die ersten Descions waren keine zehn Meter mehr entfernt. Noch dazu kamen noch immer Descions nach, unendlich schien ihre Anzahl. Würde mein Plan funktionieren, wären wir dieses Problem jedoch los. Ich schrie Claire zu: "Schnell, schieß einen großen Feuerball in die Öffnung im Boden! Beeil dich!", fügte ich noch hinzu, bevor mich bereits ein feindlicher Kämpfer erreichte, dem ich schlichtweg eins überzog. Claire befolgte meine Anweisung ohne Fragen, und sie hätte keine bessere Leistung bringen können. Nicht nur mähte der gewaltige Feuerball, den sie losgeschickt hatte, auf seinem Weg die hälfte der Feinde um, die bereits zu uns gelangt waren, er vollendete meinen Plan auch mit höchster Präzision. Im gleichen Moment noch, in dem ich den Rest unserer Gegner mit einigen dornenbesetzten Ranken beseitigte, traf Claire's Geschoss auf die braune Flüsssigkeit, die sich mitterweile im kompletten Graben verteilt hatte. Eine Sekunde darauf entflammte die ganze Öffnung, in hohen, flimmernden Flammen. Es knisterte laut, und das Feuer loderte bis in den Himmel hinein. Stolz sah ich in die verschwimmenden Rottöne, die  Hitze spürte ich bis zu mir. Sie trieb mir Schweißperlen auf die Stirn, die sich schleichend ihren Weg mein Gesicht bahnten. In diesem abgelegenen, unberührten und düsternen Ort hatte ich den idealsten Brennstoff aus dem Boden kommen lassen. Lächelnd starrte ich weiter in die unzähligen Flammen, die sich nun immer weiter ihren Weg rundum uns bahnten. Erdöl.

Hier ist nach Ewiger Zeit wieder ein Kapitel! Ich hoffe, ihr verzeiht mir und seid zufrieden mit meinem "Comeback". Kritik würde mich wie immer freuen!

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 05, 2016 ⏰

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