кαριтєℓ 26

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Ich realisierte es nicht. Für mich erschien es unrealistisch, sogar lachhaft, dass Mary tot sein sollte. Vielleicht war es nur Einbildung. Vielleicht existierte der rote Blutfleck nicht, der jetzt immer größer wurde. Mary wäre mehr heldenhaft gestorben. Es hätte eher dramatisch sein müssen, und nicht so, das sie einfach umfiel und nicht mehr aufstand. Irgendwo hinten in meinem Kopf schrie eine Stimme verzweifelt, dass alles Wirklichkeit war, und ich es nicht träumte. Aber meine ganze Hoffnung hatte diese Stimme in den Hintergrund gedrängt. Jedoch kämpfte die Stimme... Mein Verstand arbeitete sich zu mir durch, und langsam schwahnte mir, dass vor mir kein Mensch mehr, sondern eine Leiche lag. Plötzlich kamen heiße Tränen aus meinen Augen geflossen, und stumm begann ich zu weinen. Sie war tot. Wirklich tot. So viel hatte sie mir geholfen, so viel hatte sie mir gezeigt. Und was hatte ich ihr zurückgegeben? Nichts. Im Endeffekt war ich nur eine Last gewesen. Eine launische Last, die Mary ertragen hatte. Jetzt vielen mir so viele Dinge ein, die ich ihr sagen wollte. Jetzt wo ich durch ihre Locken auf ein totenbleiches Gesicht blickte. Hatte ich mich jemals bedankt? War mir jemals bewusst geworden, dass alles, was sie für mich getan hatte, nicht selbstverständlich war? Ich glaubte nicht. Zitternd kniete ich neben den Leichnam, ohne mich daran erinnern zu können, wie ich dorthin gekommen war. Dicke Tränen tropften auf Mary hinab, während ich mit zitternden Fingern das Messer aus ihrem Rücken zog. Hasserfüllt blickte ich auf, und direkt in des Gesicht des Mörders. Er und die anderen Vampire standen in einer Ecke und betrachteten mein Tun mit einem Ausdruck, der mir sagte, dass sie es für schwäche hielten. Ich wollte das blutgetränkte Messer werfen, ich wollte ihn durchbohren, das Messer mit dem er eine Sünde begangen hatte, ihm bis zum Anschlag in die Brust stecken. Ich kochte vor Wut, und spürte förmlich die Zornesröte in mein Gesicht steigen. Ich wollte dieses Ungeheuer bluten sehen, ich wollte ihn verletzen und langsam seine Seele, falls er eine besaß, aus seinem Körper quetschen. Wiederum wurden mein Verstand von einer starken Emotion verdrängt, und nichts in meinem Kopf sagte mir, dass das sadistisch und ein schreckliches Verbrechen wäre. Stolpernd richtete ich mich auf und wollte losrennen, als eine sanfte Hand mich an der Schulter packte. "Stopp.", sagte Claire bestimmt und zog mich zurück. Ich wollte mich losreißen und wand mich in ihrem Griff, doch dieser war stählerne und ließ ein Entkommen nicht zu. Ich strampelte wie ein Baby um loszukommen als eine spöttische Stimme ertönte: "Mehr haben die Prophezeiten nicht zu bieten?" Claire's Blick wurde hart und unergründlich, als sie den Vampir, der gesprochen hatte, anblickte. Sie warf ihr Haar über die Schulter und schaffte es, ihre Stimme genauso spottend klingen zu lassen, als sie meinte: "Noch nicht." Mit diesen Worten drehte sie sich um sich selbst und zog mich mit in die Dunkelheit, die sich wie eine Röhre um mich festzog.

Die nächsten Tage nagten die Worte des Vampires fest an mir. Er hatte recht. Was hatten wir schon zu bieten? Eigentlich waren wir genauso wie jeder andere Descion auch. Ich versuchte nicht an Mary zu denken, aber jedes mal, wenn ich es tat durchfuhr ein scharfer Blitz mein Herz. Ich sagte mir immer wieder, dass ich normal weitermachen sollte, denn ich könnte sowieso nichts mehr ändern. Also war meine Taktik, nicht an sie zu denken und den schuldlosen Blick auf ihrem Gesicht endgültig zu vergessen. Auch Claire zeigte sich traurig, auch wenn sie Mary kaum gekannt hatte. Mit einem Mal musste ich daran denken, dass ich komplett vergessen hatte, sauer auf sie zu sein, als ich sie wiedersah. Das ließ ein schmunzeln auf meinen Lippen erscheinen, und das tat wirklich gut. Die letzten Tage waren wir durch die Gegend geirrt, ohne einen Plan zu verfolgen. Es war unmöglich jetzt die Vampire irgendwie zu stürzen, wenn sie doch sicherlich enorm mehr acht auf Sicherheitsvorkehrungen gaben. Noch dazu hatten wir keinen blassen Schimmer was wir tun sollten um die Vampire zu Fall zu bringen.

"Wieso lächelst du?", riss mich eine vertraute Stimme aus meinen Gedanken. Ich nahm meine Umgebung wieder richtig wahr, und sah vor mir Claire im Gras sitzen, die Beine dicht ans Kinn gezogen. Ihre Augenbrauen waren Hochgezogen und sie musterte mich. "Ach, nichts wirklich wichtiges." Sie sah mich ungläubig an, fragte aber nicht weiter. Ich spürte das hohe Gras an meinen Oberarmen kitzeln. Die Sonne schien auf mein Gesicht und es hatte sich drauf eine angenehme Wärme ausgebreitet. Der Himmel war wolkenlos und strahlte in dem schönsten Blauton. Ringsum standen knorrige Bäume, die sanft im Wind hin und her wiegten. Vereinzelte Blumen ragten aus dem Gras und alles Gab der Szene das Aussehen einer kitschigen Postkarte. Irgendwie widersprach das der Situation, in der wir uns befanden. Wir wussten nicht einmal, wo genau wir uns befanden und hatten nicht einen Anhaltspunkt nach dem wir handeln konnten. Trotzdem war die Natur unerschütterlich und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Meine Güte. Was sollte das werden? Eine Karriere als Dichter konnte ich schonmal an den Nagel hängen. Unerschütterliche Natur. Pfft. Schon wieder musste ich lächeln, und langsam wurde es albern. Was war los mit mir? "Sag mir jetzt was los ist!", verlangte Claire ebenfalls schmunzelnd und wackelte gespielt streng mit ihrem Zeigefinger. Ich tat als wäre ich verängstigt und setzte an: "Naja, ich hatte nur daran gedacht, was - "
Eine polternde und laute Stimme nahm in meinem Kopf an Lautstärke zu. "Kommt her. Sofort. Vampirsitz." Erschrocken sprang ich auf und keuchte. Das war ein Ältester gewesen. Wir mussten sofort handeln. Auch Claire stand auf, jedoch gelassener und sie wirkte nicht im mindesten beeindruckt. "Jetzt wo wir aus allen brenzligen Situationen heraus sind, könnte ihr uns wieder herumkommandieren, was?" Sie schaute finster drein und verschränkte die Arme. Ich jedoch keuchte laut auf. Sie hatte nicht gerade wirklich die Ältesten beleidigt? "Claire, bist du verrückt?", hauchte ich geschockt. "Nein, nicht wirklich." Stur blickte sie mich an, und es lag an mir nach ein paar Sekunden wegzusehen. "Wir müssen aber dorthin. Klang als wäre es wichtig." Eine Zeit lang herrschte Stille, bevor sie verdrießlich antwortete: "Vermutlich hast du Recht." Wir nickten uns zu und verschwanden darauf mit einem Knall.

Engelstöchter beißt man nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt