𝟎𝟖 | 𝐒𝐜𝐡𝐢𝐜𝐤𝐬𝐚𝐥𝐬𝐬𝐜𝐡𝐥𝐚̈𝐠𝐞.

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´´´´´´´´´´ Provinz Toledo, Spanien. Villa Toledo. ´´´´´´´´´´
´´´´´´´´´´ Montag, 22. Mai 2017. 3.29 pm ´´´´´´´´´´


Nairobi hatte wohl wirklich etwas vor uns zu verbergen.

Da aber weder Tokio noch ich die Empathie in Person waren, hatten wir am Vormittag auch nichts aus ihr herausbekommen. Und so warfen wir ihr nun, beim Schießtraining, lediglich ab und an verstohlene Blicke zu und versuchten, aus ihrer Körpersprache schlau zu werden.

Eigentlich sollte mir das nicht schwerfallen, schließlich stand in meinem eigentlichen Beruf der Ausdruck ganz im Zentrum, jedoch fiel mir nur auf, dass unsere Freundin ihre Waffe deutlich verkrampfter hielt, als es eigentlich sein sollte und sie des Öfteren ihr Gesicht wütend verzog.

Das allerdings musste nichts heißen, denn, verglichen mit beispielsweise Rio oder Moskau, sah man da keinerlei Unterschiede… es waren vollkommen normale Reaktionen für Menschen, die das erste Mal ein Gewehr in der Hand hielten.

Kopfschüttelnd wandte ich mich ab und fokussierte mich auf die Übungsfigur, die mir gegenüberstand, hielt meine Knie leicht gebeugt und feuerte zielstrebig ab.
„Tja, hättest du dich mal schneller bewegt“, spöttisch grinste ich meinen ‚Feind‘ an, dem ich direkt ins Herz getroffen hatte.

„Wer war es diesmal?“, fragend drehte ich mich nach rechts, von wo aus Andrés mich schmunzelnd beobachtete.

Sofort verdüsterte sich mein Gesicht und ich lud nach – wieder eine perfekt platzierte Kugel.
„Wer wohl?“

„Immer noch?“

„Mit jedem Mal fühlt es sich besser an. Mit jedem einzelnen Treffer stirbt er in mir ein wenig mehr“, aus dem Augenwinkel sah ich Sergio auf uns zukommen und nickte daher ‚Berlin‘ auffordernd zu.
„Dann zeig mal, was du draufhast. Ich wette, meine Perfektion übertrumpfst du nicht“.

„Ich bin die Perfektion in Person“, erwiderte er arrogant lächelnd, fixierte seine Metallfigur und… schoss daneben.
Ein lautes Prusten entfuhr mir, ironisch klatschte ich Beifall.

„Genau das findet man bei der Definition des Wortes ‚Perfektion‘. Brauchst du etwa Unterstützung von deiner Schülerin?“, zog ich meinen früheren besten Freund belustigt auf, provozierte ihn extra, indem ich meine dritte Patrone ganz sauber in meinen Übungspartner versenkte.

Alles an dieser Situation war genial: Seine Überraschung über sein eigenes Versagen und im Gegensatz dazu ich, die nie auch nur um einen Zentimeter das Ziel verfehlt hatte. Seine überhöhte Selbstüberzeugung, die langsam, aber sicher zu bröckeln begann. Und sein Unbehagen, je näher uns sein kleiner Bruder kam.

„Das war der Wind“, behauptete Andrés steif und stellte sich ein weiteres Mal zum Schießen auf.

„Mhh, das auch. Keine Sorge, es sind ja schon fast Orkanböen“, zustimmend hob ich meinen Daumen und lachte leise vor mich hin, während ich die Blätter an den Bäumen betrachtete, die sich so sanft hin- und herwiegten, dass man es fast nicht bemerkte.

„Dein Ellbogengelenk ist zu stark durchgestreckt“, verriet ich ihm freundlicherweise seine Fehlerstelle.

„Ist das so?“, skeptisch sah er mich an, grinste aber in der Sekunde darauf frech.
„Ich fürchte, ich brauche deine Hilfe und du musst meinen Körper in die richtige Position bringen“.

„Du willst die Gerüchte wohl richtig befeuern, was?“, augenverdrehend stellte ich mich dicht neben ihn, drehte ihn an der Hüfte etwas weiter nach links und drückte seine ausgestreckten Arme in eine natürlichere Position, sodass die Ellbogen etwas angewinkelt waren.

𝐕𝐄𝐍𝐄𝐂𝐈𝐀 | Lᴀ ᴄᴀsᴀ ᴅᴇ ᴘᴀᴘᴇʟ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt