„Nein“, Andrés‘ eisige Ablehnung schlug wie eine Bombe ein.
Ein einziges Geschrei entstand an unserem Tisch, als Rio aufsprang und seine Waffe auf ihn richtete.
„Ach ja, und warum nicht? Der große Don Andrés de Fonollosa, plötzlich nicht mehr in Stimmung, seine Leute zu verraten, oder was?“, zornig entsicherte er seine Pistole.„Nimm deine scheiß Waffe runter, bist du denn komplett durchgeknallt?“, keifte Nairobi unseren Jüngsten an, riss seinen Arm nach unten und bekam im Gegenzug Denvers Lauf auf sich gerichtet.
Ich entschloss mich dazu, die effektivste Möglichkeit zu wählen, um alle wieder herunterfahren zu lassen, und schoss einmal in die Luft.
Angespannt drehten sie sich zu mir und ich verschränkte meine Arme vor der Brust.Ich hatte keinerlei Recht dazu, von irgendjemandem aus unserer Gruppe genervt zu sein und dennoch war ich es – am meisten wohl von mir selbst.
Verlief einmal etwas anders als wir es vorher im Konsens festgelegt hatten, benahm sich jeder wie im Kindergarten.
Jeder versuchte, seinen Willen durchzusetzen und wie im Kindergarten war es unser einziger Trumpf, laut zu werden und sinnbildlich einfach nur störrisch mit dem Fuß aufzustampfen, anstatt gemeinsam zu diskutieren und eine erwachsene Lösung zu finden.Fest sah ich erst Rio in die Augen, dann Andrés und schließlich wieder Rio.
„Berlin wird das tun, was nötig ist, um hier keinen Eindruck von Ungerechtigkeit entstehen zu lassen“, verkündete ich ruhig.„Aber das wird weder sein, dich auszuliefern, noch deine Identität an die Bullen zu verkaufen“, er verstand es nicht.
Ich begann langsam an Sergios Worten zu zweifeln, dass wir trotz unserer Gefühle füreinander den Überfall nach seinem Willen leiten könnten.Humorlos lachte Rio auf.
„Was ist das denn für eine Scheiße? Tokio hast du gefesselt die Treppen runterrollen lassen und jetzt willst du nicht einmal Venecias richtigen Namen an die Polizei weitergeben!“Jedes Wort entsprach der Wahrheit.
Andrés sträubte sich ganz offensichtlich, weil er mich schützen wollte, allerdings stand das nicht einmal annähernd zur Debatte, wollte er jemals wieder ernstgenommen werden.„Ich werde es ganz einfach deshalb nicht tun, weil-“
„Weil ich es selbst tun werde“, unterbrach ich meinen Freund, der mich fassungslos anstarrte.
„Es ist kein riesiges Ding, sie kennen schon deine Identität, wie auch Rios und Tokios. Für sie wird es ein kleiner Schritt in die Richtung des Sieges sein, ein Moment der Freude und vielleicht auch der Unachtsamkeit. Wenn du dich so dagegen aussprichst, werde ich es eigenständig in die Hand nehmen. Rio wird bestimmt liebend gerne einen Hinweis auf den Geräten der zuständigen Beamten auftauchen lassen, so ist es doch, nicht wahr?“, mein Blick schweifte wieder zu unserem Jüngsten.
Der wirkte plötzlich nicht mehr dermaßen überheblich und druckste irgendetwas herum.Trocken lachend schüttelte ich meinen Kopf.
„Willst du denn nun Vergeltung oder nicht? Du wirst ihnen Folgendes zukommen lassen: Mein Name ist Laia Fuentes, ich bin verantwortlich für den Raub der Portraits von Cäsar und Kleopatra 2002 in Berlin, für den mein Exfreund mehrere Jahre eingesessen hat, während ich bemitleidet wurde und als Gastsängerin durch die größten Opernhäuser der Welt reisen durfte. Es ist an der Zeit, dass er seinen Frieden findet“, aus Andrés‘ Ecke hörte ich ein leises Husten.
Augenscheinlich vertrat er dahingehend eine andere Meinung als ich.Ich ignorierte ihn und wandte mich stattdessen ein weiteres Mal Rio zu.
„Kann ich mich auf dich verlassen?“, fragte ich ernst.
Ich hoffte, er würde jetzt nicht damit anfangen, dass ihm das Tokio auch nicht zurückbringen würde und es nicht annähernd an ihre Bestrafung herankäme, denn darin könnte ich ihm nicht widersprechen.„Was ist das für ein beschissenes Spiel, das ihr hier spielt?“, nicht viel besser.
Zwar machte er mir keine direkten Vorwürfe, jedoch redete sich der Arme immer und immer mehr in Rage, bis er an dem Punkt angekommen war, an dem es Andrés reichte: Rio wollte sich selbst ausliefern, um wieder mit seiner Liebsten vereint zu sein.…
„Musste das sein?“, murrend hob ich zusammen mit Nairobi unser Küken auf eines der Sofas, während mein Freund nur danebenstand und angeekelt das Taschentuch mit dem Betäubungsmittel wegsteckte.
„Er war so aufgeregt, dass ich es mir nicht länger ansehen konnte. Er hat fürchterlich gelitten“, fast wäre mir ein Prusten entwichen.
Seine mitleidige Art kaufte ich ihm schon lange nicht mehr ab.„Wie wundervoll, dass du dich doch rührend um das Team sorgst“, erwiderte ich sarkastisch, Nairobi versuchte unterdessen angestrengt so zu wirken, als würde sie uns vollständig ausblenden.
„Rio hätte die Informationen über mich bekanntgeben sollen. Es wirkt fast ein bisschen berechnend, dass du ihn genau da ausschaltest“, da meine Freundin ohnehin schon über uns Bescheid wusste, konnte ich das auch in ihrer Gegenwart aussprechen.
„Oh bitte“, leise lachte Andrés auf. „Wundert dich das etwa? Du versaust dir damit dein gesamtes Leben“.
„Warum?“, auffordernd nickte ich ihm zu… sollte er mir doch einmal erklären, weshalb es ein solcher Weltuntergang wäre, dass man mich von bald an in allen Nachrichten sehen würde.
„In jeder Ecke werden sie nach dem Überfall auf dich lauern. Du wirst dich nicht mehr frei bewegen können, geschweige denn das machen können, was du liebst – auf der Bühne zu stehen“, meinem Herz gefiel das, was er da anführte, dass er sich solche Sorgen um meine Zukunft und mich machte.
Mein Verstand konnte darüber trotzdem nur spotten.
Als hätte es die Möglichkeit jemals gegeben, nachdem ich zum ersten Mal die Villa in Toledo betreten hatte!„Ich werde in einem Land leben, das ich liebe. Zusammen mit einer Person, die ich liebe. Ich glaube, das ist mehr wert als einsam meinen ursprünglichen, gewohnten Tagesablauf weiterzuführen. Du und ich auf unserem Weingut in der Provence, mehr könnte ich mir nicht wünschen“, sanft drückte ich seine Hände.
„Glaub nicht, dass das irgendetwas daran ändern würde, dass ich diese Idee überhaupt nicht gutheiße“, leise seufzte er auf, strich mir dann aber zärtlich über die Wange.
„Du wirst wissen, was du damit losgetreten hast“.„Das weiß sie doch immer“, Nairobi bemerkte ich erst jetzt wieder, als sie ihren belustigten Kommentar einwarf und schmunzelnd ihre Brauen hob.
„Nicht wahr?“„Selbstverständlich“, gab ich grinsend zurück.
Es war mir klar, worauf sie mit ihrem Einwurf anspielte – auf einen sehr großkotzigen Kommentar, den ich in aller ‚Bescheidenheit‘ in unserer Vorbereitungszeit nicht mehr ganz nüchtern gelallt hatte.In der Anwesenheit des Professors.
Als Nairobi, Tokio und ich in sehr… hübschen Kostümen das ganze Haus wachgehalten hatten.
Es war eine Art Wetteinsatz gewesen, den ich zu meiner Schande nicht hatte einhalten können; warum auch immer hatte ich behauptet, ich würde am nächsten Tag fehlerfrei Protokoll führen können.
Und ich hatte es ohne Rechtschreibfehler, ohne Lücken, ohne Probleme im Ausdruck und der Zeichensetzung geschafft… nur war Sergio leider alles andere als begeistert gewesen, dass ich seine Aufgabe mit gezeichneten Weingläsern verziert hatte und hatte es missinterpretiert.
Angeblich hätte ich ihm nicht meine volle Aufmerksamkeit und Konzentration geschenkt und daher war es meine Bestrafung gewesen, für eine Woche den Abwasch zu übernehmen – eine Woche!„Aber was mir wirklich Sorgen macht, das ist der Professor“, holte meine Freundin mich wieder zurück in die Realität.
„Er wird es auch weiterhin tun. Wir können nichts dagegen machen, dass er gefangen genommen wurde, und früher oder später müssen wir improvisieren“, warf ich nickend ein und konnte mir ein leichtes Augenverdrehen nicht verkneifen, nachdem Andrés und Nairobi eine Diskussion starteten, wie wir weiter vorgehen sollten, und er eine Karte spielte, die überhaupt nicht mehr zeitgemäß war:
Das Patriarchat.
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𝐕𝐄𝐍𝐄𝐂𝐈𝐀 | Lᴀ ᴄᴀsᴀ ᴅᴇ ᴘᴀᴘᴇʟ
FanficZwei Menschen, die die Aufmerksamkeit lieben. Zwei Menschen, jahrelang unzertrennlich. Zwei Menschen, auseinandergegangen wegen eines „Verrates". Und nun der größte Überfall, der jemals in die Geschichte eingehen und diese zwei Menschen wieder zuein...