´´´´´´´´´´ Madrid, Spanien. Staatliche Banknotendruckerei. ´´´´´´´´´´
´´´´´´´´´´ Sonntag, 15. Oktober 2017. 8.11 pm ´´´´´´´´´´Unsere Bande stand kurz vor dem Auseinanderbrechen.
In den letzten Stunden hatten wir so viele Hochs und Tiefs gehabt, dass ich beinahe den Überblick verloren hatte, die Inspectora hatte uns besucht, um sich mit eigenen Augen des Wohlbefindens der Geiseln zu versichern, dabei versehentlich Andrés‘ Krankheit ausgeplaudert, deren Verschweigen schlussendlich unterschwellig als Vertrauensbruch im Raum gestanden hatte.Dann hatten wir unsere 400-Millionen-Grenze geknackt und waren mit unserem eigentlichen Fluchttunnel ein erhebliches Stück weitergekommen, nur um uns im nächsten Moment Rios wegen beinahe an die Gurgel zu gehen.
Die Polizei hatte ihn als unser schwächstes Glied auserwählt und mit Murillos Eintritt eine kleine, versteckte Botschaft seiner Eltern an ihn gebracht – darin hatten sie ihm sonst etwas für eine gute Kollaboration mit den Behörden geboten.
Was ich nicht nachvollziehen konnte, waren die Vorwürfe, die ihm fast alle unserer Komplizen machten: Er wäre ein Verräter, nur weil er die Polizei angerufen hatte.
Denn das war vollkommen falsch.
Es war der Plan des Professors gewesen, an den Rio sich dabei gehalten hatte; ihnen etwas bis knapp vor die Nase zu reichen, das Angebot aber Stück für Stück wieder zurückzuziehen.Lediglich die Tatsache, dass Tokio und ich uns dahingehend einig waren und wir uns beide auf seine Seite stellten, hatte seinen Vorteil – sie redete wieder mit mir und schien mich nicht mehr gar so sehr mit ihren Blicken töten zu wollen.
Aus diesem Grund brauchte ich mir auch in unserer gemeinsamen Pause jetzt keinen anderen Raum zu suchen und konnte mich auf sie verlassen, dass sie mich tatkräftig beim Verfluchen des Sofas unterstützte, dessen wegen ich mich noch immer nicht richtig bewegen konnte.„Was ist mit Schmerzmitteln? Hast du das schon versucht?“, stirnrunzelnd drehte sich meine Freundin zu mir, verlor dabei aber etwas das Gleichgewicht und stieß mit ihrem Schienbein gegen meinen – und mittlerweile unseren gemeinsamen – Feind.
„Du scheiß arrogantes Miststück!“Mitleidig verzog ich mein Gesicht und schüttelte erschöpft meinen Kopf.
„Tabletten bringen nichts, Wärmezufuhr bringt nichts, Anschreien bringt nichts. Alkohol blieb auch ohne Wirkung, das ist wie verhext“.„Vermutlich war es einfach zu wenig Alkohol“, schlussfolgerte Tokio, rieb sich über ihre schmerzende Stelle und hinkte zu dem Schrank, in dem wir unsere Vorräte gebunkert hielten.
„Wir werden alt, Venecia, früher hätten uns ein paar blaue Flecken und Verspannungen nichts ausgemacht“, ächzend stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um eine Flasche Wein herauszuziehen.
„Ja, abuela. Und warum tust du unseren armen, alten Herzen gerade jetzt diese Abweichung von der Norm an?“, hakte ich in jammerndem Unterton nach und tauschte die Shotgläser, die ich ursprünglich gesucht hatte, gegen zwei passendere ein.
„Man muss flexibel sein, um zumindest im Geiste jung zu bleiben“, behauptete sie schmunzelnd und ich lotste sie humpelnd zu unserem Endgegner.
„Außerdem sollte man nie aufgeben, nicht wahr?“, halb belustigt, halb besorgt sahen wir auf das Sofa hinab, ehe wir uns mit größter Vorsicht hinsetzten .
„Das war sehr mutig von uns“, stellte Tokio nach einigen Minuten fest, in denen wir höchst skeptisch das Ding auf weitere Fallen abgetastet hatten – man musste auf Nummer sichergehen. „Darauf sollten wir trinken“.
Leise lachte ich auf, schenkte uns währenddessen schon etwas von unserem Viña El Pisón 2016 ein, warum auch immer Arturito den hier so ungeschützt aufbewahrte.
Dieser Rotwein war einer der besten, die man überhaupt finden konnte. So elegant im Aussehen wie auch im Geschmack, mit einer unendlich seidigen Struktur und unfassbar langem Nachhall, einzig und allein perfekt, und daher das Gegenteil von dem, was der Direktor symbolisierte.„Meine liebste Tokio… auf uns und unseren heldenhaften Mut. Lass dir die 279€ schmecken“, ernst prostete ich ihr zu, genauso feierlich erwiderte sie den Gruß.
Der erste Schluck war die reine Offenbarung – und das schien auch meine Freundin so zu sehen.
Überrascht weiteten sich ihre Augen, bevor sich langsam, aber sicher ein glückseliges Strahlen über ihr Gesicht ausbreitete.
„Nie wieder Tequila, wenn ich das hier stattdessen haben kann!“, stieß sie Wort für Wort hervor, woraufhin ich belustigt grinste.Dieser edle Tropfen schaffte es bei jedem-
„Venecia“, die Tür ging auf und Nairobi unterbrach mich in meinen tiefsinnigen Gedanken.„Was gibt es denn?“, träge schwenkte ich mein Glas ein wenig und betrachtete die wunderschöne, dunkelrote Farbe.
„Dein Schatz verlangt nach dir“.
Augenblicklich galt meine volle Aufmerksamkeit ihr und auch Tokio sah verwirrt auf.
„Dein Schatz?“Ich ignorierte sie, wie auch die eigentliche Aussage, und tat ebenfalls auf schwer verständlich.
„Dein E- Berlin. Berlin braucht in seinem Büro deine Hilfe“, drückte sie sich nun deutlich klarer aus.
Murrend stand ich auf und schlich mit meinem Wein in der Hand zur Tür.
Wieso war Andrés in diesem Überfall nur dermaßen unselbstständig?„Hey, wartet mal!“, rief Tokio uns verzerrt hinterher.
„Berlin, dein Schatz? Wieso erfahre ich das erst jetzt? VENECIA! Nairobi! Ihr könnt mich doch damit nicht einfach so stehenlassen!“Keine von uns beiden hielt es für nötig, sich nochmals umzudrehen, stattdessen platzten wir im nächsten Moment in einen überaus aufschlussreichen Monolog ‚Berlins‘ über die „Aufsässigkeit der Jungfrauen“.
Skeptisch beäugte ich die Situation: Er auf der einen Seite des massiven Schreibtisches, unser Lämmchen und meine neue Freundin, die Lehrerin, ihm gegenüber.
Vermutlich wollte er die beiden einmal mehr in die Schranken weisen – und mit dem Plan konnte ich arbeiten.Schmunzelnd nickte ich unseren Geiseln zu und lief zu einem Regal, zog daraus einen roten Hefter, blätterte ein wenig darinnen herum und nippte nachdenklich an meinem Wein.
„Mhhh. Was haben wir denn hier? Ach, das ist ja schön! Ein wahres Familientreffen!“, erfreut lachte ich auf, zog mir einen Stuhl neben Andrés und platzierte einige Fotos gut sichtbar auf der Tischmitte.„Deine Tante Becky, Entwicklungshelferin in Mali, eine sehr ehrenwerte Sache. Hier deine Cousine Elsie, ein wunderschöner Name und eine nette junge Frau, sie besucht das King’s College. Er, das ist – Berlin, hilf mir einmal kurz auf die Sprünge“, ich erinnerte mich an jedes verdammte Mitglied dieser hochgestellten Sippe, der Professor hatte es uns oft genug wiederholen lassen, jedoch übte es auf das Lämmchen deutlich mehr psychischen Schmerz aus, tat ich so, als wüsste ich nicht wirklich, mit wem ich ihr da drohte.
„Brian. Brian ist das schlaue Köpfchen der Familie, er ist in Wellington“, ergänzte er mich pflichtbewusst und ich tippte mir an die Stirn, als wäre es mir dadurch wieder gekommen.
„Natürlich. Brian, Brian… und zu guter Letzt deine Schwester Liss. Sieh mal, das ist auf dem Pausenhof deiner Schule, vielleicht hatten Sie in dem Moment sogar Aufsicht, Señorita“, lächelnd wandte ich mich von Alison zu ihrer Lehrerin, die blass zwischen ihrer Schülerin und uns hin- und hersah.
„Die Frage ist nun: Warum zeigen wir genau jetzt diese Bilder?“, ahnungslos zuckte ich mit meinen Schultern, nahm einen weiteren genießerischen Zug meines Weines und bekam im Hintergrund von Nairobi einen warnenden Blick zugeworfen, der im Kontrast zu Andrés‘ breitem Grinsen stand, das ich selbst aus dem Augenwinkel wahrnahm.
„Ich wiederhole mich nur ungern, weil ich das Gefühl habe, dass man mir beim ersten Mal zwangsläufig nicht richtig zugehört hat, und das ist unhöflich. Wir akzeptieren hier keine Aufsässigen. Jegliche Form von Aufstand muss zerschmettert werden. Weißt du, wie viel ein Auftragskiller kostet, Alison?“, leicht schmunzelte ich und wartete darauf, dass sie verneinte.
„Nein, woher auch? In deiner so wohlbehüteten Welt…“„Wenn man einen Guten will, muss man 30.000 hinblättern“, übernahm freundlicherweise ‚Berlin‘ die Aufklärung und ich musste nur zustimmend nicken. „Obwohl… für deine Tante in Afrika reicht auch einer für 10.000 und das ist wirklich nicht teuer. Das Leben deiner Familie liegt in deinen Händen“.
„Das war unsere letzte Warnung. Denk lieber einmal mehr nach… Nairobi“, auffordernd deutete ich auf die Tür, sie sollte die beiden zurück zu den anderen Geiseln bringen.
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𝐕𝐄𝐍𝐄𝐂𝐈𝐀 | Lᴀ ᴄᴀsᴀ ᴅᴇ ᴘᴀᴘᴇʟ
FanficZwei Menschen, die die Aufmerksamkeit lieben. Zwei Menschen, jahrelang unzertrennlich. Zwei Menschen, auseinandergegangen wegen eines „Verrates". Und nun der größte Überfall, der jemals in die Geschichte eingehen und diese zwei Menschen wieder zuein...