Dunkelheit

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EMMA

Emma betrachtete die Auslage. Larissa hatte ihr heute tatsächlich die kleine linke Kühlvitrine überlassen. „Tob dich aus! Überrasch mich..." waren ihre Worte gewesen. Emma hatte die Zimttörtchen gebacken. Sie wusste zwar, dass sie das besser nicht machen sollte, aber sie vermisste Sarah, Ace, Lia und das Höllentrio so sehr... die Zimttörtchen waren ihr Weg, die Erinnerungen an ihre selbst gewählte Familie wachzuhalten. Zudem hatte sie Muffins mit riesigen, selbst gesammelten Blaubeeren und Allerlei-Kekse gebacken.... Emma arbeitete nun schon einen Monat bei Larissa, die sie mittlerweile wie eine kleine Schwester behandelte. Jeden Tag kamen die beiden Betas vorbei um die Bestellungen für das Rudel abzuholen. Und jedesmal fand Emma eine Ausrede, damit sie den beiden nicht über den Weg lief.

So langsam fiel es sogar Larissa auf, wenn sie aber versuchte etwas aus dem Rotschopf herauszubekommen, blockierte Emma und war nicht mehr ansprechbar.
Sie liebte ihren Job... sie liebte es mit Larissa wilde Rezepte auszuprobieren und sie liebte die Abende mit Klara. Dennoch fühlte sie, dass etwas fehlte. Ihre Wölfin spürte es auch. Ihr Seelentier war unglücklich und wurde allmählich lethargisch.
Mit einem traurigen Seufzer richtete die Omega die Muffins aus und drehte das Schild auf ‚geöffnet'. Fast sofort rannten ihr die Bewohner des malerischen Dörfchens die Tür ein. „Emma, Engelchen... durftest du dich etwa heute austoben?" rief Frau Schröder, eine achtzig jährige quietsch-fidele Dame und kaufte direkt zwei von allem, was in Emmas Vitrine auslag. Die junge Frau strahlte fröhlich und nickte. „Jaaaa!!! Und hat so viel Spaß gemacht!" rief sie begeistert.

„Das glaub ich dir sofort, kleiner Feuerkopf!" sagte eine warme, tiefe Stimme hinter den Dörflern und Emma erstarrte kurz, als sie Oli sah. „Du bist zu früh, Beta Oliver.." sagte sie leise und bediente mit ruhiger Souveränität weiter, bis alle zufrieden und ihre Theke leer war. Unruhig sah Emma sich um, als ihr klar wurde, dass sie alleine mit dem, lässig an der Wand lehnenden Beta war. Oli musterte die zierliche junge Frau mit einem leichten Schmunzeln. Dann klingelte die Türglocke erneut und aus Emmas kurzfristiger Erleichterung wurde eisige Furcht. Ein wahrer Riese hatte die Bäckerei betreten. Wären nicht die modernen Klamotten, wie Jeans, Button down Hemd und Lederjacke, dieser Mann hätte hervorragend in die Wikingerzeit gepasst... die langen dichten blonden Haare waren im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden, der Bart gepflegt und die Augen funkelten wie dunkle Juwelen.
Ein Alpha hatte sie gefunden! Der Beta neigte grüßend den Kopf und der Riese musterte die junge Frau intensiv.
So ein elendiger Mist! Ausgerechnet heute hatte Larissa einen Arzttermin und nun war sie allein mit ihren Alpträumen...

Jax Wolf hüpfte derweil regelrecht im Dreieck vor Begeisterung. Oh, Göttin... das kleine Weibchen war perfekt ... und ihr Duft.., hmhmhm!!!... ihr Duft war süchtig machend! Ja, das war sie!
Der Wolf wollte dieses Weibchen haben!
Seins! Nur seins!
Zugleich spürte Emma, wie ihre Wölfin aufstieg, in Panik drehte sich die junge Frau um und presste mühsam hervor: „Ich schau kurz nach Ihrer Bestellung, Alpha!" und stürmte in die hintere Backstube. Ihre Wölfin drängte sie verzweifelt zurückzugehen... Sie sehnte sich nach... dem Alpha?! „Echt jetzt," wimmerte Emma lautlos. Auf einmal fühlte sie eine mächtige Präsenz hinter sich. Zwei große, warme Hände legten sich sanft auf ihre Schultern und drehten sie behutsam um. „Ist alles in Ordnung bei dir," fragte Jax leise. Emma hatte ihre Wölfin wieder unter Kontrolle und nickte kurz. Sie würde nicht aufgeben, was sie sich hier gerade erarbeitete. Egal wie sehr ihre innere Omega sich in die Arme des Alphas kuscheln wollte.

„Jaaaahax?!!" rief eine ungeduldige, weibliche Stimme aus dem Verkaufsraum. Der große Mann ließ den kleinen Rotschopf los, strich noch einmal zart mit den Fingerspitzen über ihre Wange, dann drehte er sich um und ging - für einen so großen Kerl erstaunlich lautlos- zurück in den Hauptraum. Emma atmete tief ein, dann nahm sie schnell die Schachteln, die die Bestellungen für das Rudel beibehielten und folgte dem Alpha. „So, Beta Oliver... die tägliche Bestellung... „ Aaron nahm ihr die Schachteln ab, zwinkerte ihr zu und brachten sie nach draußen zum Auto. Eine schwarzhaarige junge Frau schmiegte sich an Jax, während das ganze noch einmal in Barbie-Blond Emma abfällig musterte. „Du bist also die Frau, von der Oli so schwärmt... also, ich find jetzt nicht, dass du was besonderes bist..." sagte das blonde Gift spöttisch. Ihre schwarzhaarige Freundin kicherte hämisch und Emmas Wölfin wurde allmählich so richtig wütend. Jax knurrte seine Schwester wütend an und das war das Glück der kleinen Omega. Denn ihre Wölfin fauchte just in diesem Moment eifersüchtig und ließ Emmas Augen kurz golden aufleuchten. Emma drehte sich rechtzeitig weg, doch Oliver richtete sich auf. War das eine Sinnestäuschung? In der Spiegelung der Vitrine hatte er den goldenen Glanz gesehen und ... war das etwa ein Fauchen gewesen?

Emma räusperte sich und fragte liebenswürdig: „Brauchen Sie noch etwas? Wenn nicht ... ich bin heute alleine und habe noch viel zutun... „ Bianca warf die Haare zurück und grinste: „Na, los... kleines Aschenputtel... geh schnell sauber machen! Wenn du hier fertig bist, kannst du zu uns ins Rudelhaus kommen und da weiter machen!" Ihre Freundin lachte und klatschte affektiert in die Hände: „Großartige Idee, Bianca! Und eure Autos kann sie auch direkt waschen!"
Emma wirbelte herum und zischte: „Wasch sie doch selbst! Am besten ihr beide! Dann geht vielleicht auch eure Fake-Bräune weg, ganz zu schweigen von dem Kilo Make-up!" Bianca knurrte, überwand die Distanz zu der Omega mit einem Schritt, holte aus und schlug zu. Fast im selben Moment wurde sie von ihrem Bruder zurückgerissen.
Jax brüllte: „RAUS! SOFORT!"
Und die beiden Deltas liefen furchtsam nach draußen. „Oli, bring sie zum Haus und sag Mutter Bescheid. Ich kümmere mich darum, wenn ich wieder da bin!" Dann wandte sich der Alpha an Emma. Diese richtete sich auf, wischte sich das Blut aus den Augen und sagte kalt: „Geht raus! Alle! Die Bäckerei ist jetzt geschlossen! Morgen ist Larissa wieder da und wird sich um ihre Bestellungen kümmern. Und jetzt: RAUS!" Der Alpha senkte die Hand, mit der er ihr gerade ein Tuch auf die Schnittwunde drücken wollte, die der Ring Biancas auf der zarten hellen Haut hinterlassen hatte. „Kleines, du bist verletzt... lass uns dir helfen..." Emma wich wütend zurück. „Ich brauche eure Hilfe nicht! Alles, was ich will ist allein zu sein! Bitte... geht doch.." Oliver streckte die Hand aus und berührte Jax an der Schulter. Er deutete zur Tür und schweren Herzens nickte der blonde Mann. Mit einem letzten bedauernden Blick auf den niedlichen Rotschopf verließ der Alpha zusammen mit seinem Beta die Bäckerei und schloss die Tür hinter sich, welche die junge Frau direkt verriegelte.

Dann stand Emma einige Herzschläge reglos da, ihre Wölfin kauerte mit zwischen die Hinterbeine geklemmte Rute in der Dunkelheit und fiepte herzzerreißend. Die junge Frau versuchte mit aller Macht die Flashbacks zu verdrängen und bemerkte nicht einmal, wie sie zu zittern begann. Dann stieg ihre Wölfin auf und Emma riss sich schnellstmöglich die Kleidung vom Leib, stopfte sie unter die Theke und schlüpfte zur Hintertür hinaus. Im nächsten Moment wandelte sie sich in ihre kleine rote Wölfin und stürmte mit riesigen Sprüngen in den Wald. Ein verzweifeltes Jaulen entrang sich ihrer Kehle, als die Dunkelheit der Erinnerungen schließlich über ihr zusammen schlug...

EmmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt