Erwachen

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(Eine Woche später)
EMMA

„Warte, mein Schatz." Behutsam nahm Jax Emma die Waffe aus der Hand und demonstrierte den korrekten Griff erneut. „Siehst du, so musst du sie halten. Du musst deine andere Hand als Stabilisierung einsetzen. Denk immer daran, dass bei jedem Schuss ein Rückstoß entsteht. Und durch diesen Rückstoß kann der Schuss verrissen werden."
Er legte Emma die Waffe zurück in die rechte Hand. „So Engel, versuche es noch mal." Emma hob die Waffe - es handelte sich um einen Revolver - und zielte. Dieses Mal hatte sie einen korrekten Griff und kniff auch nicht mehr das linke Auge zusammen. Den Fehler hatte sie ganz am Anfang gemacht um besser zielen zu können. Ruhig zog sie den Abzug durch und die Kugel schlug in der Nähe des Bullseye ein. „Hey," rief Aaron. „Das klappt ja schon richtig gut." Jax grinste stolz und rief zurück: „Da schaust du was? Meine Kleine ist ein Naturtalent!" Oliver und Aaron betraten die Schießanlage, Emma sicherte sofort ihre Waffe und legte sie zu Seite. Die beiden Betas grinsten breit und Olli stichelte mit einem frechen Funkeln in den Augen: „Mein lieber Alpha.. Du drückst deiner kleinen Luna also eine Waffe in die Hand? Mutig, mutig sag ich da nur!"

Emma verdrehte die Augen und fixierte den frechen Beta. „Olli, echt jetzt? Denkst du wirklich, ich könnte ihm etwas antun?" Sofort wurde der Mann ernst und sagte leise: „Natürlich nicht, Emma. Glaub mir, würde ich auch nur eine Sekunde lang denken, du könntest unserem Alpha schaden, dann würde ich dich nicht mehr in seiner Nähe mit einer Pistole lassen!" Die kleine Omega nickte zufrieden. Aaron lehnte sich gegen den Tisch und sah Jax an.
„Hattet ihr nicht eine Schreckschusspistole zunächst ins Auge gefasst?" Der große blonde Alpha nickte nachdenklich. Dann erwiderte er: „Das haben wir in der Tat. Und Emma hat auch mit der Waffe geübt und sie ist genauso gut damit wie mit diesem Revolver hier. Unser Doc Kellermann hat zudem etwas ziemlich fieses aus ihrer Trickkiste gezogen.. Speziell für die Schreckschusspistole. Ein Silber-Nitrat-Gas. Die Waffe ist so leicht, dass Emma sie stets bei sich führen kann und falls sie wider erwartend hier überfallen wird und/oder entführt werden sollte, nun ja... alles was sie machen muss ist die Knarre zücken und schießen. Sie muss nicht mehr richtig zielen... sie sollte dann allerdings schnell zusehen, dass sie Land gewinnt!"

Ollis Grinsen wurde ein wenig sadistisch. „Oh, ich hoffe so sehr, das sollte es dazu kommen, jemand mit einer Videokamera drauf hält. Ich würde zu gerne sehen wie dieser Drecksack Henning eine volle Ladung von diesem herrlichen Gas mitten in die dämliche Hackfresse bekommt!" Emma kicherte fröhlich bei dem Gedanken und dieses leise glückliche Geräusch ließ die drei riesigen Männer zufrieden lächeln. Seit der Nacht im Wald in der Emma und Jax sich ausgesprochen hatten war einiges passiert. Jax hat Wort gehalten und Emma das Schießen beigebracht. Und dafür, dass Omegas eher pazifistisch waren, zeigte der kleine Rotschopf ein ausgesprochenes Talent für die Waffen. Selbst Bianca war von ihrem hohen Ross ein wenig herab gestiegen und musste zugeben, dass Emma jetzt nicht die schlechteste Wahl für ihren Bruder war. Die einzige die wirklich gar nicht einverstanden war damit war Kimberly.

Nachdem Sarah die schwarzhaarige Delta Wölfin dabei erwischt hatte, sich so gut wie nackt in das Schlafzimmer des Alphas schleichen zu wollen, hatte Kimberly weitere Versuche gestartet, um Jax von ihren Qualitäten zu überzeugen. Wann immer sie konnte, berührte sie ihn...strich über seine Hände, versuchte ihn mit möglichst aufreizenden Outfits zu verführen und tat dabei als wäre sie die Unschuld vom Lande. Emmas Wölfin hat sie regelrecht gefressen. Jedes Mal wenn die Omega Kimberly sah, knurrte das Seelentier und versuchte an die Oberfläche zu steigen. Anders als ihre Wölfin ließ die Delta Emma hingegen völlig kalt. Sie wusste, dass Jax zu ihr gehörte. Und sie vertraute ihm.
„EMMAAAAA..." schrie eine Stimme. Sarah stand auf der Terrasse des Alphahauses und hüpfte wie ein Flummi auf Koks auf und ab. „Komm rein," brüllte sie. „Mia ist aufgewacht!"
Emmas Augen weiteten sich, blitzschnell packte sie Jax am Kragen, zog ihn zu sich herunter und presste kurz ihre Lippen auf seine. „Sie ist wach," quietschte die kleine Omega aufgeregt. Dann sprang sie zu den beiden Betas, umarmte diese kurz und stürmte zu Sarah.

Die beiden jungen Frauen rannten die Treppe hinauf zum Krankenflügel. Schon von weitem hörten sie ein Krachen und Schreien... Sarah sah kurz zu Emma hinüber und beide sagten gleichzeitig: „Oh,oh!" und dann gaben sie so richtig Hackengas. Sarah riß die Tür zu Mias Zimmer auf und das Bild das sich ihnen darbot, erschreckte die beiden zutiefst. Alia stand in der Zimmerecke, Konstantin vor ihr - halb geduckt, als wolle er einen Angriff abwehren. Die schwangere, weißhaarige Omega hämmerte mit kleinen Fäusten auf den breiten muskulösen Rücken ihres Gefährten, um ihn zu bewegen sie vorbei zu lassen, damit sie zum Krankenbett eilen konnte. Adeline und Isa Kellermann, die Rudel Ärztin versuchten derweil eine völlig verängstigte und gleichzeitig zu allem entschlossene und um sich schlagende Mia zu bändigen. „Ja," sagte Sarah. „Ich glaube ‚oh,oh' passt hier ganz gut! Du, meine Liebe drehst dich jetzt sofort um und holst deinen Alpha und ich fürchte wir werden ziemlich viel Geschnurre benötigen!"

„Nicht nötig, ich bin schon da!" Jax betrat hinter ihnen den Raum und auch Konstantin richtete sich jetzt auf. Die beiden Alphas sahen sich kurz an und dann begann sie gleichzeitig zu schnurren. Mias wilder und verzweifelter Blick traf die beiden riesigen Männer. Für einen Moment war die traumatisierte junge Frau völlig erstarrt. Dann schrie sie auf, gellend und mit puren Entsetzen in der Stimme.
„NEIN!!!!" kreischte sie. „Geht weg! Lasst mich! Nicht wieder, nein...nein...Bitte... lasst mich doch ...!" Zum Schluss war ihre Stimme nur noch ein Wimmern.
Ohne Zögern traten jetzt Emma und Sarah vor. „Mia," sagte die rothaarige Omega leise. „ Mia bitte beruhige dich! Du kennst doch Sarah und mich und du kennst auch Adeline, Sarahs Mutter. Du bist nicht mehr in Hamburg! Wir haben dich da rausgeholt.. Und bei der Göttin versprechen wir dir, dass die hier nichts Böses geschehen wird! Du bist in Sicherheit. WIR sind jetzt in Sicherheit. Siehst du den großen, blonden Mann? Das ist Jackson. Er ist der Alpha des Rhein Rudels und der schwarzhaarige Mann, das ist Konstantin. Er ist einer des Triumvirats vom Blackford Rudel. Beide Rudel sind mittlerweile verbündet und stehen als Front gegen die Hamburger..."

Mia rieb sich über die Oberarme. Ihr Blick wanderte unschlüssig durch den Raum. Sowohl Jackson wie auch Konstantin kannten diesen Blick. Ihre Omegas hatten ebenfalls so ausgesehen, wenn sie verzweifelt nach einem Fluchtweg gesucht hatten. Langsam hoben die Alphas ihre Hände um ihr zu zeigen, dass sie keine Bedrohung waren, sicherheitshalber wichen beide Männer langsam bis zur Rückwand des Zimmers zurück. Dann sagte Jax leise: „Kleine, Emma hat recht. Du musst dich nicht fürchten. Wir achten die alten Wege noch. Für uns sind Omegas ein großer Schatz....Wandler, gesegnet durch die Mondgöttin. Keiner in unseren Rudeln würde auch nur auf den Gedanken kommen einer Omega Schaden zu zufügen! Du bist hier bei uns sicher. Du wärst auch bei den Blackford in Sicherheit. Es ist DEINE Entscheidung wo du sein möchtest. Du sollst nur wissen, dass egal wie du dich entscheidest, du von einem Rudel beschützt werden wirst. Was immer du brauchst oder WEN auch immer du brauchst um zu heilen.... du musst es nur sagen und wir werden alles tun was wir können um dir zu helfen."

Emma war mittlerweile an Mias Bett getreten und setzte sich behutsam auf die Kante. Mia starrte sie aus riesigen blau grauen Augen an. „Emma? Bist das wirklich du?" Mias Stimme klang verloren und müde. Emma verstand sie nur zu gut. Vor gar nicht allzu langer Zeit war es ihr genauso ergangen. Wäre Jax nicht gewesen... wäre diese Aussprache am See nicht gewesen, dann hätte Emma sehr wahrscheinlich den Freitod gewählt. Und sie wollte mit aller Macht verhindern, dass es Mia genauso gehen würde. Was immer nötig war würde sie tun, damit Mia den Wert des Lebens wieder erkennen würde. Damit sie sehen würde, dass es mehr gab außer Schmerz und Qualen und Angst. Sarah warf ihr einen Blick zu und Emma konnte in ihren Augen die gleiche wilde Entschlossenheit sehen.

Was auch immer nötig war...!

EmmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt