Ein Ausweg

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(Triggerwarnung)
EMMA

Mechanisch wischte Emma die Arbeitsfläche sauber und trug das Desinfektionsmittel auf. Larissa war bereits gegangen, durch die Schwangerschaft war ihr ständig so übel geworden, dass sie zum Schluss sich beinahe in Frau Schulzes Handtasche übergeben hatte. Emma hatte kurzerhand Dirk angerufen und der Gamma war sofort zur Bäckerei gekommen, um seine Gefährtin nach Hause zu holen und sie postwendend ins Bett zu stopfen. Emma hatte übernommen und die Kunden zu Ende bedient. Auch wenn sie für jeden ein freundliches Wort und Lächeln übrig hatte, waren ihre Gedanken nicht bei der Sache. Göttin... die Nacht war die Hölle gewesen... seit sie aus Hamburg zurück waren, rissen die Flashbacks nicht mehr an und sie fürchtete sich so sehr. Henning und Alpha Canton wussten nun, dass sie noch lebte... sie wussten, dass Sarah und Emma die Omega Mia befreit und das diese dann die sadistische Luna Ivanna getötet hatte. Und Cole hatte mit Sicherheit auch noch ein paar grausige Überraschungen für sie auf Lager dafür, dass die beiden Frauen ihm den Schädel eingeschlagen und ihn dann gefesselt und geknebelt eingesperrt zurückgelassen hatten.

Emma war dankbar dafür, dass ihre Freundin noch im Rheingebiet geblieben war. Sarah hatte sich geweigert zu gehen, bevor sie nicht davon überzeugt war, dass es Emma gut ging. Und Alia hatte sich geweigert zu gehen, bevor Mia nicht über den Berg war. Also waren auch Konstantin und Ace als Gäste des Rheinrudels in Waldbrücken eingeladen worden zu verweilen. Lucan und Grayson hingegen waren zurück nach Hause gefahren, um das Blackford Rudel und speziell die Gammas auf den Krieg vorzubereiten, der sich am Horizont abzeichnete.
Emma wollte es nicht zugeben, aber sie vermisste Jax... Göttin... sie vermisste ihn so sehr, dass ihr Herz immer wieder einen Schlag aussetzte. Der Alpha hatte am ersten Tag viel Zeit in Mias Krankenzimmer verbracht und war dann auf einmal gestern mit Oli in den Wald verschwunden. Emma wuchtete den Rührkessel auf die Spüle und kratzte die Teigreste raus. Das schabende Geräusch erfüllte den Raum und es war ihre Wölfin, die es als erste mit einer Erinnerung gleichsetzte. Das Seelentier schrie gequält auf und presste sich jaulend und wie Espenlaub zitternd zu Boden. Und die Panik ihres inneren Tieres entfachte Emmas Furcht wie ein Strohfeuer. Die Omega taumelte zurück und der Stahlschwamm fiel ihr aus der Hand. „Nein, nein, nein.... Göttin, bitte nicht ... bitte nicht schon wieder... genug, bitte..." wimmernd brach die junge Frau in die Knie und krümmte sich, den Kopf in den Armen vergraben, während die Dunkelheit über ihr zusammen schlug.....

...

Emma fuhr aus dem Schlaf. Laute und wütende Stimmen hallten auf dem Flur vor der Abstellkammer, die sich ihr Zimmer schimpfte. „GENUG, HENNING! Du wirst Mia als Gefährtin bekommen! Nicht Emma! Das ist mein letztes Wort, Sohn! Fordere mich nicht heraus! Mir ist es egal, was du mit dem rothaarigen Balg machst, aber ich warne dich... entjungfere sie und ich werde zur Strafe Cole und Laslo töten! UND JETZT GEH MIR VERDAMMT NOCH MAL AUS DEN AUGEN!"
Emma zitterte. ‚Bitte, Göttin...bitte, bitte, bitte... lass ihn weitergehen,' flehte Emma in Gedanken. Schritte entfernten sich langsam, als mit einem Mal Hennings Stimme über den Flur schallte: „Mutter hätte mich die Omega wählen lassen, die ich will!"
Tödliche Stille breitete sich im Rudelhaus aus. Dann zischte Alpha Adam Canton: „Raus! Du gehst mir besser die nächsten Tage aus dem Weg oder, das schwöre ich dir bei der Göttin werden wir BEIDE es hinterher bereuen! VERSCHWINDE! SOFORT!!" Emma hörte wie Henning sich entfernte... und dann auf einmal ein so wütendes Knurren, dass ihr alle Haare zu Berge standen. Ein schabendes Kratzen, als ob Nägel über eine Metallplatte rieben wurde laut und dann krachte die Tür zu Emmas Zimmerchen mit einer solchen Wucht gegen die Wand, dass die Klinke zerbrach.

Die Stimme des Alt-Alphas war gepresst und heiser vor Wut, als er sagte: „Seit du in meinem Haus bist, du verschissenes kleines teufelshaariges Luder, macht mein Sohn nur noch Probleme... dein Verhalten der Luna gegenüber, diese betonte Unschuld... Ich weiß genau, was für eine Abreibung du brauchst!" Mit diesen Worten trat Adam Canton vollends in den kleinen Raum und sah auf das verängstigte Mädchen, dass sich furchtsam an die Wand presste. Mit zwei Schritten war der bullige Riese bei Emma, seine Hand schnellte vor, packte sie an der Kehle und schlug ihren Kopf gegen die Backsteinmauer hinter ihr. Fast mit der gleichen Bewegung schleuderte er das Mädchen danach über die Schulter auf den Gang hinaus. Emma stöhnte vor Schmerz, ein Nebel verschleierte ihre Sicht und sie spürte sich ihr Magen umdrehte. Adam war nur eine Sekunde später bei ihr und trat mit aller Kraft in ihren Bauch. Die kleine Omega konnte ihre Rippen brechen hören, der scharfe Schmerz folgte augenblicklich. Immer wieder und wieder trat der Alpha zu. In den Bauch, den Unterleib und in die Brust. Die Klauen des Wolfes waren ausgefahren und hasserfüllt grub der Mann diese in den Rücken des Mädchens. Dann schlug er mit den Fäusten auf die bewusstlose Emma ein. In Rage sah und hörte der Alpha nichts mehr, nahm den zerschlagenen Körper der 15 jährigen nicht wahr, sondern schlug weiter und weiter. Genoß das Gefühl der brechenden Knochen, die Wärme ihres Blutes an seinen Fäusten....

....

Bis endlich Hände Adam zurückrissen. „Alpha! Bitte komm zu dir! Du tötest die Omega! Hör auf!!!!" Keuchend kam der Mann wieder zu sich und starrte auf den reglosen kleinen Körper hinunter. Emma lag in einer rasch größer werdenden Lache ihres Blutes. Die ehemaliges cremeweiße Haut war schwarz durch die Hämatome und an zahlreichen Stellen aufgeplatzt. Für einem Moment herrschte geschockte Stille... dann brüllte der Beta Christian Leiner: „STEHT NICHT SO NUTZLOS RUM! INS KRANKENZIMMER MIT IHR! SOFORT!!!!" Cole und Laslo hoben den zerschmetterten Körper behutsam hoch und beeilten sich, Emma zu den Rudelärzten zu bringen. Sie wollten sich lieber nicht ausmalen wie Henning reagieren würde, wenn der Rotschopf in ihrer Obhut starb...
In der Krankenstation legten die beiden jungen Männer die halbtote Omega auf der Liege ab und traten zurück.
Die beiden Ärzte schüttelten entsetzt den Kopf und begannen mit der Untersuchung.
Kurz kam Emma wieder zu sich. Die Schmerzen waren entsetzlich. Sie fühlte, wie ihre Organe zu versagen begannen. Ein Feuer wütete in ihrem Innern, der Druck im Kopf wurde immer unerträglicher, bis die kleine Omega schließlich wieder in die gnädigen Arme der Ohnmacht glitt. Ihr letzter Gedanke war: ‚Göttin, bitte lass mich sterben... bitte lass mich zu dir kommen...'
Dann war da nur noch Dunkelheit.

...

Noch bevor Ace die Bäckerei betreten konnte, hörte er die Schreie. Der Beta trat die abgeschlossene Eingangstür auf und stürmte in die Backstube. Emma lag zusammengerollt vor der Spüle und schrie sich die Seele aus dem Leib. Der große, blonde Mann hob sie mit einer schnellen Bewegung auf und ging mit Emma durch die Hintertür nach draußen. Dort setzte er sich mit ihr ins Gras. Die letzten Sonnenstrahlen wärmten beide, während Ace die junge Frau sanft summend hin und her schaukelte und dabei über ihren Rücken streichelte. Ihre Schreie waren verstummt und stattdessen weinte sie herzzerreißend. „Es wird nie aufhören..." wimmerte sie. „Aaaace... ich kann nicht mehr... bitte hilf mir! Biiiitte... hilf mir doch..."
Ace küsste sie zärtlich auf die Schläfe. „Ach, Kleines... meine arme kleine süße Maus... natürlich helfe ich dir, mein Schätzchen.... Was kann ich tun, hm?" Seine Hand kraulte ihren Kopf, dann hob Emma den Blick und sah ihn an. Der Beta erschrak, als er die Hoffnungslosigkeit und Niedergeschlagenheit in den völlig glanzlos gewordenen grünen Augen sah. Tränen liefen unaufhörlich über ihre Wangen, als sie kaum hörbar gebrochen flüsterte: „Bitte... lass mich zur Göttin gehen..."
... Und die Welt stand still...

EmmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt