Regan
„Du hast glück. Der Schnitt ist nicht all zu tief." ich rollte mit dem Stuhl an die Krankenliege heran und warf ihr ein lächeln zu.
Ihre schönen grauen Augen musterten mich nur verkniffen, während sie ihre Bluse soweit hochgeschoben hatte, dass ich an die Wunde kam. Ich hatte die Wunde bereits gereinigt und nahm mir nun die Klammerpflaster. Sanft klebte ich sie auf den Schnitt, der ihre braune, weiche Haut verunstaltete. Anschließend klebte ich ein Pflaster darauf und strich einen Moment über ihre Haut daneben. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen.
Abrupt schlug sie meine Finger weg. „Du scheinst fertig zu sein."
Ich verkniff mir ein schmunzeln. „Das bin ich."
Sie nickte, zog die eingesaute Bluse herunter und stand auf. Sie zuckte nicht mal mit der Wimper. Stattdessen sah sie streng auf mich herunter. „Ich gehe mich umziehen. Versuch einfach nichts kaputt zu machen."
„Ich werde mich bemühen." versprach ich und sah dabei zu, wie sie sich abwandte und ich einen hervorragenden Blick auf ihren Hintern bekam. Erst als sie in richtung das Badezimmers verschwunden war, stand ich auf. Sigrúns Apartment in der Akademie besaß alles was es zum Leben brauchte. Ich war hier noch nie gewesen, hatte aber schnell festgestellt, dass es im Esszimmer sogar eine kleine Bar gab. Die Einrichtung bestand aus altem edlem Holz und musste ein vermögen wert sein. So wie eigentlich alles hier auf der Akademie. Ich wusste schon, warum die Gebühren hier so hoch waren.
Von der kleinen eigenen Krankenstube aus, konnte man direkt ins Bad oder auf den kleinen Flur gehen. Ich trat durch ihn und seufzte. Hier könnten ruhig ein paar Gemälde hängen, dann wäre er nicht so leer. Stattdessen trat ich zur Bar. Ich fand einen alten Rum und schüttete ihn mir ein, bevor ich zur Terrasse trat, die direkt vom Esszimmer betretbar war. Eisige kälte schlug mir entgegen, aber nach heute war das gar nicht mal so schlecht. Langsam trat ich an das Geländer und starrte auf die Winterlandschaft und das Akademiegelände. Die Nacht hüllte das Gelände ein und verschluckte es. Ich nahm einen Schluck. Der Alkohol brannte meine Speiseröhre herunter und wärmte mich schon bald von innen.
Die Autofahrt steckte immer noch in meinen Knochen. Ich wusste jetzt, wie sich meine Schwester gefühlt haben musste und das Gefühl war schrecklich. Sie war alleine gewesen. Sie hatte niemanden bei sich gehabt. Sie hatte verzweifelt versucht mich zu erreichen. Noch immer lag eine schwere Schuld auf meinen Schultern, weil ich nicht dran gegangen war. Ich wusste, ich hätte ihr nicht mehr helfen können. Nicht so schnell, aber ich hätte wenigstens ihre Stimme noch mal gehört. Stattdessen, war sie umgebracht worden. Umgebracht von jemanden, der zu diesen schwarz gekleideten Männern gehörte. Sie hatte mich hier alleine mit ihren Kindern gelassen.
Ich sah hoch in den Himmel. Wieder fragte ich mich, warum es nicht mich getroffen hatte. Warum Dawn? Sie hatte ihre Kinder gehabt. Aber stattdessen hatte das Schicksal es anders gemeint. Ich war unvorbereitet in ein Leben als Erziehungsberechtigte geworfen worden. Hatte kaum die Zeit gehabt um meine Trauer zu überwinden. Hatte stark sein müssen für meinen Neffen und Nichte. Von jetzt auf gleich, hatte sich mein Leben, wie ich es gewohnt gewesen war, geändert.
Eine warme Hand legte sich in der Kälte der Nacht auf meine Schulter. Ohne aufzusehen, legte ich meine Hand auf ihre. War dankbar für den Kontakt.
„Warum sie?" fragte ich leise in die Nacht. „Warum hat es Dawn getroffen? Ich verstehe es nicht. Sie hatte Kinder. Sie hatte ein gutes Leben. Es hätte mich treffen sollen. Ich habe keine Kinder, ich habe..."
„...du hast was? Keine Familie? Reginleifr du hast genauso Familie. Du hast einen Neffen und eine Nichte, die dich liebe. Du hast deine Schwester gehabt. Sie waren deine Familie. Denkst du, für sie wäre es einfach gewesen?"
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Ragnarök - new beginnings
FantasyAuf der Suche nach der Wahrheit über den Tod ihrer Schwester müssen sich die Walküren Regan und ihre Nichte Opal nicht nur, mit der Gefahr, die damit einher geht herumschlagen, gleichzeitig versuchen sie ihre Leben und die Trauer auf die Reihe zu be...