Pov Kai
Ich hatte die letzten Worte nur mit viel Mühe über die Lippen gebracht, obwohl ich, seitdem Loyd aus dem Koma erwacht war, an nichts anderes mehr gedacht hatte. Nachts hatte ich mir die Nächte zerbrochen, wie ich die drei Worte am besten aussprechen konnte, die so viel bedeuteten und gleichzeitig so viel veränderten. Tagsüber hatte ich mir in Tagträumereien jegliche Szenarien ausgemalt, wie seine Reaktion hätte aussehen können, doch in der Realität kam eben doch alles anders. Und somit konnte ich seine Reaktion nicht mal sehen.
Und trotzdem hatte ich die Worte gesagt und es hatte sich unglaublich gut angefühlt. Doch meine Glücksgefühle im Bauch veränderten sich ganz schnell in Übelkeit, als sich mein Magen umdrehte, während ich langsam die Treppe runter lief.
Ich wusste, was mich erwarten würde und trotzdem konnte ich meine Mutter ganz schlecht einschätzen. Ich wusste, dass sie uns auf ihre Art und Weise liebte und ich wusste auch, dass sie eigentlich nur Gutes für mich und Nya wollte. Doch dennoch würde ich nicht daran zweifeln, dass sie jederzeit bereit wäre uns mit strengen Maßnahmen klar zu machen, was sich gehörte und was nicht.
Und eins war definitiv klar: Wenn ihr Sohn sich den ganzen Tag wegschlich und spät abends mit Wunden, blauen Flecken und einem Jungen an der Hand wieder nach Hause kommen würde...war das ganz klar ein vorbildliches Beispiel für etwas, dass sich NICHT gehörte.
Aber umkehren wäre keine Option, das war klar. Lloyd schlief oben in meinem Bett und ich hatte mich nie wirklich getraut, mich gegen meine Mutter aufzulenen, doch jetzt war definitiv der Moment gekommen, an dem es notwendig war. Wenn ich jetzt klein beigeben würde, hätte sie wieder die Kontrolle über mich und ich könnte mein Versprechen an Lloyd nicht halten, dass wir für immer zusammen bleiben würden.
Also wischte ich mir mit der Hand meine fettigen Haare aus dem Gesicht, öffnete die Tür, die in unser Wohnzimmer führte, und trat ein. Wie zu erwarten erwartete meine Mutter mich und saß bereits auf dem Sofa. Ich wusste, dass sie mitbekommen hatte, dass ich eingetreten war, doch sie drehte weder ihren Kopf in meine Richtung, noch sprach sie ein Wort zu mir.
Ich schloss die Tür wieder hinter mir und lief langsam auf sie zu. "Mutter?" fragte ich leise. Sie antwortete nicht. Ich seufzte und senkte den Kopf.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch und als ich wieder aufsah, stand sie mir gegenüber. Ihr Blick war kalt und entsetzt und sie hielt ihre zitternden Hände gefaltet an ihrem Körper.
"Ich möchte, dass du mir jetzt bitte erklären würdest, warum du so aussiehst, wie du es nun mal tust und warum der Nachbarsjunge gerade oben in deinem Bett liegt." ihre Stimme klang ruhig, aber sie bebte und an manchen Stellen ging sie auffällig in die Höhe, nur um im nächsten Moment wieder gefährlich leise zu werden.
"Ich...ich..." meine Stimme brach ab und Tränen flossen mir über die Wangen. Ich sah wieder nach unten. Es war einfach alles zu viel für einen Teenager und ich konnte meine harte Maske einfach nicht immer tragen. Ein Schluchzen entwich mir.
"Kai Smith...reiß dich gefälligst zusammen! So habe ich dich nicht erzogen! Wir zeigen keine Schwäche!" meine Mutter zog scharf die Luft ein. Ich schluckte meinen nächsten Schluchzer wieder runter und versuchte sie anzusehen. Doch ich konnte es nicht.
"Ich habe die Leute gefunden, die Lloyd verletzt haben...also...Lloyd's Vater, Mr Garmadaon...er ist der Anführer dieser berüchtigten Verbrecherbande. Er wollte Lloyd da auch mit rein ziehen. Ich...ich wollte ihn nur beschützen. Also eigentlich war ich dort, nur weil...weil ich gucken wollte, ob es wirklich wahr war, dass sich dort die Mottoradgang versteckte, doch ich wurde überrascht. Da-da...da war ein Junge, einer aus meiner...er-er...er hat mich angegriffen mit...und er hat mich geschlagen und getreten und wir haben uns geprügelt und dann kam plötzlich Lloyd und hat verhindert, dass ich weiter kämpfe...und dann...dann war da Garmadaon und...und er...er hat...er hat...er...er hat-" ich brach wieder ab.
Meine Mutter sah mich nur entsetzt an. "Du hast dich also nur wegen dem Nachbarsjungen geprügelt? Wolltest du etwa cool sein? Denkst du, es ist cool, andere zu verletzten, hm?"
"Ich...ich hab doch nicht gekämpft, weil ich cool sein wollte!" verteidigte ich mich lautstark, doch ein Blick genügte, um mich wieder zum Schweigen zu bringen. "Ich habe um mein Leben gekämpft..." hauchte ich und hoffte, dass man meine Enttäuschung hören konnte.
Mein Mutter seufzte nur und strich mit ihrem Finger ihre Augenbrauen nach. "In Ordnung, Themawechsel...was hat es mit Lloyd auf sich?"
Sie wusste, dass ich wusste, dass sie hoffte, ich würde jetzt etwas anderes sagen, als sie hoffen würde, aber ich wollte jetzt nicht weiter über meine Identität lügen...Lloyd zur Liebe musste endlich Klarheit herrschen.
"Wir haben uns gute angefreundet, weißt du? Es hat seine Zeit gedauert, aber irgendwie hatte ich schon seitdem er neu hier eingezogen war, etwas für ihn übrig gehabt. Ich und er sind Freunde geworden. Es war nicht einfach, wie ich bereits sagte...er war unter anderem mit verantwortlich dafür, dass ich und Skylor und getrennt haben, aber das tut jetzt nichts zu-" ich stotterte die Worte einfach hinunter und wollte gerade den wohl schwierigsten Teil hinter mich bringen, als sie mich plötzlich unterbrach.
"Ach ja..darauf wollte ich dich seit längerem schon ansprechen...Mr. Chen hat letzte Woche bei mir angerufen, er wollte etwas wegen eurem Herbstfest dieses Jahr fragen. Nebenbei hat er mir auch berichtet, dass Skylor ihm ein paar Tage vorher mit Tränen in den Augen erzählt hat, dass sie nicht mehr mit dir zusammen wäre. Ich dachte immer, ihr wart das Traumpaar der Schule..." sagte meine Mutter und legte zu Ende hin den Kopf schwärmerisch schief.
Ich seufzte und trat peinlich berührt von einem Fuß auf den anderen. Ich wollte mit ihr nicht über solche Themen sprechen.
"Ich und sie haben uns getrennt ja...wir haben fast nur noch gestritten, wir haben uns nicht mehr wirklich gegenseitig genug geachtet und auch unsere Beziehung stand nicht mehr wirklich im Vordergrund...außerdem hab ich dann...ich hab..." ein letzte Mal brach meine Stimme ab, ehe ich die letzten Worte aussprach.
"Ich bin schwul"
Erschrocken sah mich meine Mutter an und in Sekundenschnelle schnellte ihre Hand auf mich zu und ich fing mir eine deftige Ohrfeige.
Also ich hatte ja mit einigem gerechnet, aber nicht damit. Schmerz zog sich durch meinen Körper. Aber nicht, der Ohrfeige 'wegen, sondern aufgrund ihrer Reaktion.
Ihr Blick borhte sich in meine Seele und ich wusste, dass ich ihn nie wieder aus meinem Gedächtnis bekommen würde. Ich hatte ja schon einige Blicke von meiner Mutter bekommen, sei es Wut, Enttäuschung oder sogar ein Lächeln. Doch dieser Blick ließ mir einem Schauer über den Rücken laufen.
Sie sah mich an, als wäre ich ein schlechter Mensch. Als hätte ich jemanden umgebracht, vergewaltigt oder gequält. Sie sah mich an, als hätte ich SIE gequält. Es war ähnlich wie der Blick, mit dem sie Lloyd vorhin angesehen hatte, nur noch wesentlich schlimmer: Es war, als wäre ich eine Krankheit. Etwas was man nicht um sich herum haben wollte und was man beseitigen müsste.
"D-Das meinst du nicht ernst..." hauchte sie bedrohlich.
Ich senkte den Kopf, damit sie meine Tränen nicht sehen konnte. Den Schmerz nicht aus meinen Augen lesen konnte. Damit sie mich nicht ansehen musste, wie ich allmählich auseinander fiel und quälend langsam innerlich zerbrach.
"Ich...ich bin schwul" wiederholte ich so leise, dass ich mir schon fast sicher war, dass sie es nicht hören konnte und dann...rannte ich raus.
Tadaaaaa!
Das neue Kapitel ist fertig ^^
Es tut mir so leid, was ich Kai die ganze Zeit antue, aber wie gesagt: Ich zeige in dieser Story, dass ich auch (ganz) anders kann und ich will, dass ihr auch seht, wie es bei Kai zu Hause aussieht und dass es auch ihm nicht gut geht, auch wenn er immer sehr stark wirkt. Doch jetzt bricht auch er und weint, dennWer weint ist nicht schwach, sondern ist zu lange stark geblieben.
Frage des Tages: Wann habt ihr so Geburtstag? :3
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Vom gehassten zum geliebten-Greenflame ff
Fanfiction-Abgeschlossen- Was ist wenn dein Vater und deine Mutter es einfach nicht hinbekommen ein ordentliches Leben zu führen? Was ist wenn du schon drei mal deswegen die Schule wechseln musstest? Was ist wenn du nicht einen Freund hast? Und was ist wenn d...