Geschichtenerzähler

6. Mai - kerze_2 - Vom Glück geküsst

"Kann das Glück einen umbringen?", fragte mich meine Schwester, denn sie hatte sich verlobt und war überglücklich. Ich freute mich sehr für sie, denn sie und ihr zukünftiger Mann passten wunderbar zusammen. Ich war mir nie unsicher gewesen, dass die zwei zusammen gehörten, doch seine Schwestern und lange Zeit auch sein bester Freund hatten leider etwas dagegen gehabt. Doch nun waren alle Schranken aus dem Weg geräumt und das Paar konnte nun endlich sein junges Glück genießen.Und das wiederum erinnerte an mein Glück beziehungsweise, an mein Unglück.

Ich hatte letztes Jahr eben diesen besten Freund kennengelernt, den ich ziemlich schnell als arrogant abgestempelt hatte, da sein Verhalten gegenüber Anderen überheblich wirkte und ich das Pech gehabt habe, einer Unterhaltung zu lauschen, in der er mich allerhöchstens als hübsch bezeichnete.

Ich lernte ihn nach und nach besser kennen, aber mein Stolz war noch gekränkt und so war ich nicht bereit seinem zu schmeicheln. Ich habe ihn sogar für einen Moment gehasst, als etwas später ich erfuhr, dass er versucht hatte meine Schwester von ihrem Geliebten zu trennen. Natürlich war ich entsetzt als er mir kurz darauf seine Liebe gestand. Als ich erklärte, dass ich nicht so empfand, gab ich als Begründung ein paar, wie ich glaubte, unschöne Sachen von ihm an und wir hatten eine Art Streit.Er schrieb mir einen Brief in dem er mich über so einiges aufklärte und ich erkannte, dass ich mich sehr in ihm getäuscht hatte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und hoffte, dass ich ihn nicht so schnell wieder sehen musste.Aber so viel Glück war mir nicht vergönnt gewesen, denn ich traf ihn im Urlaub wieder.Anders als ich es erwartet hatte, war er sehr freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Ich merkte, dass ich ihn immer mehr schätzte und hauptsächlich nur noch seine guten Eigenschaften sah. Er war nicht so egoistisch oder ganz so stolz, wie ich anfangs dachte, sondern stets ein selbstloser und guter Freund und ich fragte mich langsam wie mich mein Dickkopf so lange hat täuschen lassen. Ja ich hatte mich in den Mann verliebt, den ich vor nicht allzu langer Zeit so schlimm abblitzen lassen hatte.Das ist, war großes Unglück!

Ich glaubte nicht, dass er mir noch einmal seine Liebe gestehen würde und hatte keine Ahnung, wie ich ihm jetzt begegnen soll, denn zweifelsohne würde er bald hier sein und seinem besten Freund und meiner Schwester gratulieren.

Sie kamen zusammen, mein zukünftiger Schwager und der Mann, den ich liebe. Ich hörte bereits ihre Stimmen und ihr Lachen, rannte ans Fenster, um ein Blick auf sie zu werfen, auf ihn, der so elegant wirkt. Ich konnte kaum an mich halten und fürchtete mich zugleich. Mit klopfendem Herzen lief ich zu meiner Schwester und wir gingen ihnen zusammen entgegen. Ich musste lächeln, als ich sah wie glücklich sie war und auch als ich bemerkte, wie das Gesicht ihres Verlobten sich erhellte. Sie sind beide so glücklich. Ihr Glück stellte in diesem Moment alles in den Schatten. Ich bin kein schüchterner Mensch, doch in diesem Moment konnte ich nur verlegen sein und gerade mal die Höflichkeitsfloskeln abhaken. Wir liefen an dem sonnigen Tag ein Stück und um dem Paar nicht im Wege zu stehen, ging ich ein wenig schneller - zumal ich langsames Spazieren nicht mag - und merkte wie Er es mir gleich tat.

Bald hatten wir einen kleinen Abstand zwischen uns und den Anderen gebracht und ich war froh, dass das Spazieren gehen meine Gedanken wieder einiger Maßen geordnet hatte. Wir unterhielten uns über dies und das, bis ich ihm schließlich erzählte, wie sehr ich mich freute, dass er nichts mehr gegen die Beziehung hatte und dieser jetzt sogar zustimmte. Was uns beide an damals erinnerte, da wir uns unter anderem wegen diesem Thema gestritten hatten und dies machte uns jetzt ein wenig verlegen. Als er plötzlich die Stille durchbrach und mir noch einmal seine Liebe gestand, war ich äußerst überrascht und überglücklich und erklärte ihm etwas stockend, dass ich ebenso empfand. In dem Moment wusste ich, dass entweder das Unglück einen verfolgt oder man vom Glück geküsst wird. Bei mir war es endlich das Letztere.