Geschichtenerzähler

2. Juni - Leona288 - Dear Diary

Dear Diary,

Weißt du, mein Tag war wieder total anstrengend. Also eigentlich so wie immer. Der Streit mit meinem Freund ist noch immer am Laufen... Er ist kein bisschen abgeklungen, sondern spitzt sich, wie mir scheint, weiter zu. Aber daran kann ich jetzt auch nichts mehr ändern... Oder?

Ich habe in letzter Zeit oft darüber nachgedacht, einfach Schluss zu machen... Es wäre um so vieles einfacher... Er würde mich zwar hassen, aber wenigstens nicht zu sehr zerbrechen, wenn... Ich kann es nicht zu Ende schreiben, aber du weißt ja, was ich meine.

Meine Freunde machen sich schon Sorgen um mich, wegen meines Verhaltens... Aber du weißt ja, warum ich mich so anders verhalte, also brauche ich es dir nicht zu erklären... Du weißt, warum und was los ist... Hach, ich kann es einfach nicht zu Ende schreiben! Ansonsten fange ich wieder an zu weinen... Zu spät...

Ich sage es nicht gern... Um ehrlich zu sein, habe ich es noch nie laut ausgesprochen... Ich kann einfach nicht... Vielleicht verstehst du mich ja... Vielleicht aber auch nicht, denn du bist ja immerhin nur ein Buch...

Naja, auf jeden Fall, liebes Tagebuch, sitze ich jetzt WEINEND hier in meinem Zimmer. Aber ich bin auch nur ein Mensch... Und Menschen sterben nun einmal...

Ich stelle mir immer noch täglich die Frage, ob es besser ist zu wissen, wann... Oder ob es besser wäre, in der Vorstellung zu leben, dass es noch sehr lange dauert...

Das Problem bei der ganzen Geschichte, und was die Frage total unnötig macht, ist, dass ich es weiß...

Wenn ich es nicht wüsste, würde ich es überhaupt wissen wollen?

Keine Ahnung...

Aber ist es JETZT überhaupt noch wichtig?

Ich glaube nicht...

Oder? ...

Tja... Auf jeden Fall, wenn wir jetzt schon bei mir sind... Ich merke jeden Tag, dass ich schwächer werde und meine Kopfschmerzen nehmen zu. Ich merke, wie ich innerlich zerfalle... Dem Tod immer näher kommend... Es ist kein schönes Gefühl, vielleicht wirst du es ja eines Tages verstehen, wenn du alt wirst und langsam auseinander fällst, Seiten verlierst und sich dein schöner blauer Einband löst...

Es sei denn, ich verbrenne dich vorher...

Immerhin kennst du mein dunkelstes Geheimnis...

Meine Eltern wissen immer noch nichts davon, genauso wenig, wie von dem Arztbesuch. Ich kann es ihnen einfach nicht sagen, ich kann es ja nicht einmal in einen leeren Raum hinein sprechen... Es ist besser, sie in dem Glauben zu lassen, dass es noch lange dauert und es niemand weiß...

Ich möchte auch in diesem Glauben leben! ... Wenigstens solange es geht... Aber, ob ich es einen Moment vergessen könnte...?

... Ich weiß, ich sollte mich von meinem Freund trennen, solange es noch geht... Es wäre leichter für ihn... Aber trotz allem kann ich es irgendwie nicht... Es wäre so, als würde ich mir schon einen Grabstein aussuchen...

Ich kann nicht, weil ich es nicht so einfach hinnehmen kann! Ich will es einfach nicht akzeptieren!

Aber was kann ich schon tun...?

Gar nix... Und das ist das Frustrierende...

ARGG!!!

Das musste jetzt einfach mal sein, meinen ganzen Frust, wenn schon nicht rausschreien, dann wenigstens rausschreiben.

Ich werde es weiterhin versuchen, zu ignorieren und so normal wie möglich weiter zu machen und mich normal verhalten. Ich werde versuchen, zu ignorieren, wer da in meinem Kopf sitzt, dann machen sich die Anderen vielleicht nicht mehr so viele Sorgen...

Okay, also bis morgen, Deine Mary

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Am nächsten Tag starb Mary bei einem Autounfall. Sie saß im Wagen, auf dem Weg nach Hause, als der Unfall passierte. Das Auto fing Feuer und als der Wagen brannte, verbrannte das blaue Buch auf dem Rücksitz in ihrer Handtasche mit ihr. Niemand bekam ihr Tagebuch zu lesen und niemand wusste um die letzten Seiten... Und niemand erfuhr von ihrem dunkelsten Geheimnis, von dem Tumor in ihrem Kopf.