Kapitel 6

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Es war dämmrig. Der Mond spendete genügend Licht, um den Weg zu erkennen. Das Grinsen hing die ganze Zeit an meinen Lippen fest. Ich war so genial und doch so dumm. Warum war ich nicht schon früher darauf gekommen? Ungefähr eineinhalb Stunden hatte ich Zeit zum Hin- und Zurückgehen und die außerirdischen Kugelschiffe zu erkunden. Das war genügend. Schließlich hatte ich nicht vor, dort zu übernachten.

Der unauffällige Pfad schlich sich zwischen hohen Felsen entlang. Auf den ersten Blick schien er wie ein Spalt, doch wenn man hin ging, erkannte man, dass es ein kleiner Trampelpfad war. Den benutzte ich jetzt, um unbemerkt zum Wasser zu gelangen.

Urplötzlich endete der Sandweg an einem Sammelplatz mit großen Steinen und Felsen. Nicht zum ersten Mal kletterte ich auf einen Stein und sprang vom einen zum anderen. Immer wieder rutschte mir die Umhängetasche nach vorn, jedes Mal schob ich sie zurück, aber das hinderte sie nicht daran mich weiter zu nerven. Ein Rucksack wäre da vielleicht schlauer gewesen. Jetzt war es mir allerdings auch egal. Umdrehen würde ich nicht mehr.

Ich hüpfte auf den nächsten Stein, schwankte gefährlich zur Seite und balancierte mit den Armen das Gleichgewicht aus. Eigentlich hatte ich nicht vor runterzufallen. Und das brauchte ich auch nicht mehr, denn ich hatte das Ende erreicht.

Vor mir wäre normalerweise das Meer, doch stattdessen erstreckte sich eine unendlich weite Wattlandschaft. Ich glaube, das hatte ich vergessen zu erwähnen: Hier gab es Ebbe und Flut.

Ich warf einen letzten Blick, um mich, doch ich war allein. Mit einem Satz sprang ich von der Klippe. Ohne zu zögern. Der Wind riss meine Haare nach oben und für einen Moment fühlte ich mich frei von der Erdanziehungskraft, die mich jedoch gleich daraufhin einholte und nach unten zog. Nach einem kurzen Kribbeln in meinem Bauch war es auch schon vorbei.

Der steile Abhang war keine zwei Meter hoch und ich landete im matschigen nassen Sand. Meine Schuhe sanken ein Stück ein, doch ich hatte mich schnell aus dem wässrigen Schlamm befreit und lief los. Mit normalen Schuhen wäre ich jetzt nicht weit gekommen, aber ich trug gute Wattschuhe. Ich schüttelte den Kopf und fragte mich erneut, was mich zu dieser Aktion geführt hatte. Was tat ich hier bloß? Wieso ich? Konnte ich nicht einfach warten, bis es jemand anderes tat? Irgendwann würde sich schon jemand finden. Um genau zu sein, hatte sich schon jemand dazu bereit erklärt, nämlich ich. Es gab so viele Menschen und doch war ich es, die zu den Aliens ging. Auch noch freiwillig. Eigentlich machte ich es nur, weil ich mehr wissen und nicht in Panik verfallen wollte, anscheinend dringender als andere. Ich nahm es wie immer allein in die Hand. Wen sollte ich auch schon fragen? Meine Schwester sicher nicht. Sie möchte es schon nicht, dass ich überhaupt in der Nähe dieser Raumschiffe hauste. Dann würde sie auch nicht mitkommen. Ihr wäre das viel zu gefährlich. Das konnte ich ihr ja auch nicht verübeln. Alle meine Bekannten und engen Freunde waren drei Stunden entfernt. Bis sie da waren, kam die Flut schon wieder zurück. Ich konnte zwar bis morgen warten, aber jetzt war es nun mal perfekt, denn die Dunkelheit begleitete mich. Blöderweise würde nie jemand erfahren, wenn ich nicht zurückkam, wo ich war oder was mit mir geschehen ist.

Ich verwarf den Gedanken schnell. Natürlich würde ich zurückkommen. Mir passiert schon nichts. Es waren nur vom All gestürzte Kugeln, auf denen womöglich vollkommen unbekannte Lebewesen waren. Also alles in Ordnung.

Es gab jedenfalls keinen Weg zurück, selbst wenn ich wollte. Der Stein, von dem ich gesprungen war, fühlte sich sehr glitschig an, da schaffte ich es nicht mehr rauf. Die einzige Möglichkeit wäre normal über den Strand zurück zu gehen, aber dann entdeckten mich die Wachen und wer weiß, welchen Ärger ich dann bekam und welche Ausrede wollte ich mir dann einfallen lassen? So könnte ich wenigstens sagen, dass ich mutiger war, als die alle zusammen und bei den unbekannten Objekten war. Sicher wollten sie dann wissen, wie ich es unbemerkt hineingeschafft hatte. Dann müsste ich ihnen den Schleichpfad zeigen und alles würde komplett dicht gemacht werden, um es nicht noch einmal zu so einer Situation kommen zu lassen. Damit würde ich mir die letzte Chance nehmen, mich doch umzuentscheiden.

Ob ich es unbemerkt schaffte, zurück zu gehen? Ich ging das Risiko lieber nicht ein. Nein, ich war kein Feigling. Jetzt, so kurz davor Antworten zu bekommen, kniff ich nicht!

Mit diesen Mut machenden Gedanken rannte ich los. Im Schutz der Dunkelheit würde mich niemand bemerken und auch niemand konnte mich noch aufhalten. Ich komme, ihr Aliens! Ich finde eure Geheimnisse schon noch raus.

Nach der Hälfte der Strecke ging mir langsam der Atem aus und lief ich keuchend weiter. Irgendwie war es unheimlich im Dunkeln über den Meeresboden zu laufen. Obwohl das Wasser verschwunden war, tummelten sich trotzdem viele Lebewesen unter mir. Aber sehen konnte ich nichts. Sie hatten sich wahrscheinlich noch nicht raus gewagt.

Umso näher ich kam umso größer erschienen mir die Kugeln. Nach dem langen Fußmarsch stand ich endlich vor ihnen. Und sie waren gigantisch. Ich schätzte sie auf über vier Meter Durchmesser. Vorsichtshalber inspizierte ich das Raumschiff gründlich, bevor ich irgendetwas tat. So lautlos wie möglich umrundete ich sie zweimal. Die Kugel bestand aus drei riesigen Metallplatten. In der Mitte von den drei Enden der Platten, die spitz zusammenliefen, war ein metallisch wirkendes Bullauge. Falls es als Fenster diente, so konnte man von außen nicht durchsehen. Zwischen jeweils zwei Metallplatten zog sich eine Reihe aus Kreisen. Wozu auch immer die gut waren. Vielleicht waren sie auch nur eine Verzierung. Die Größe und Robustheit war erdrückend. Sie wirkten unzerstörbar, aber das konnten sie nicht sein.

Meine Entschlossenheit und mein Mut verblasste. Das war eine ganz dumme Idee. Ich war allein. Niemand wusste, was ich vorhatte und ich hatte nichts dabei, um mich zu verteidigen. Mein Drang zu verschwinden wurde stärker. Hau ab, rief ich mir in Gedanken zu. Ich war noch nicht bereit zu sterben. Was dachte ich denn da? Niemand würde heute sein Leben verlieren.

Trotzdem ließ mich das ungute Gefühl nicht los. Warum waren die Außerirdischen noch nicht rausgekommen? Und wie kam ich da rein? Ein drittes Mal umrundete ich die Kugel, doch es war keine Tür zu finden. Sie war einfach dort, wo der Boden war, beruhigte ich mich. Das war völlig logisch - wenn es nur ein Raumschiff gewesen wäre. Ich drehte zu den anderen beiden Kugelschiffen. Wie wollte ich mir das sinnvoll erklären. Dass sie schüchtern waren? Auf den richtigen Zeitpunkt gewartet hatten? Die Tür musste auf der Seite sein, die ich nicht sah. Um meine Vermutung zu bestätigen, schaute ich mir noch die anderen beiden Kugeln an. Sie lagen einige Meter voneinander entfernt. Alle drei Raumkugeln sahen exakt identisch aus. Wie auch die erste hatten die anderen keinen offensichtlichen Eingang. Kamen sie deshalb nicht raus, weil sie nicht raus konnten? Ich schlussfolgerte daher, dass es keine Türen oder sonstiges gab.

Dann traute ich mich meine Hand auf die Kugelschiffe zu legen. Sie fühlte sich glatt und kalt an. Immer wenn ich reines Metall anfasste, stank meine Hand danach, doch hier war das nicht der Fall. Das Metall war also kein Metall. Zumindest nicht das, was ich kannte.

Wenn bis jetzt noch nichts passiert war, konnte ich mich auch mehr trauen. »Hallo!«, rief ich an die Kugel. Es passierte nichts. Was mich für den Moment auch etwas erleichterte. Aber ich wollte nicht zurückschrecken. »Ist jemand da drin?« Immer noch keine Antwort. »Ich komme in Frieden. Ich will nur reden!« Alles blieb wie es war. Langsam zweifelte ich wirklich die Alientheorie an. Es gab sie nicht. Sie waren immer noch unentdeckt irgendwo im Weltall. Womöglich waren die Kugeln nur Kugeln. Vielleicht auch eine Botschaft, die wir nicht deuten konnten.

Ich stand wieder am Anfang. Ich wusste nicht mehr als vorher. Ich wusste nicht wozu die Kugeln gut waren. Ich wusste nichts.

Alienwar - Ist das der Untergang?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt