Kapitel 14

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»Was ist los? Ich verstehe nicht«, hörte ich Taylas besorgte Stimme neben mir, während sie mir unbeholfen den Rücken tätschelte. »Wieso weinst du?«

Ich wischte mir die Tränen weg und sah ihr in die Augen. Es tat so weh. Meinetwegen war sie in Lebensgefahr. »Die Menschen denken, die Aliens haben jemanden von ihresgleichen umgebracht und dass ihr gefährlich seid. Ich befürchte, es wird einen Krieg geben«, erklärte ich mit erstickter Stimme und schniefte. »Und nur ich kann ihn verhindern, ... weil er meinetwegen ausbricht. Ich bin daran schuld.« Ein Schluchzten drang aus meiner Kehle.

»Das stimmt nicht«, versuchte Tayla mich zu beruhigen, doch das brachte rein gar nichts. Sie hatte immer noch nicht verstanden, in welcher Gefahr sie bald schweben würde. Alles, was ich gewollt hatte, waren doch nur Antworten und die hatte ich auch bekommen, aber für welchen Preis? Den Krieg. Der Leben kosten würde. Ich wusste als einzige, dass ein Mensch gegen ein Lichtwesen keine Chance hatte, aber sie hatten es mit einer Menschenarmee zu tun und sie waren weitaus in der Mehrzahl. Wer würde gewinnen oder gab es überhaupt einen Gewinner? Gerieten die Lichtwesen erst einmal in den Kriegsmodus, hatten sie ihre Gefühle abgestellt und dann würden sie tun, was nötig war, um als Sieger hervorzugehen. Das war eine Katastrophe. Ein unnötiger Krieg, der durch fehlende beziehungsweise falsche Informationen angezettelt wurde. Ich schwor mir in diesem Moment, alles in meiner Macht stehenden zu tun, um diesen Krieg zu verhindern. Dieser Gedanke gab mir Kraft. Ich wischte die neuen Tränen von meinem Gesicht und sah Tayla entschlossen in die Augen. »Egal, was ich tun muss, ich werde das verhindern.« Meine Stimme klang fest und entschieden. Es deutete nichts mehr darauf hin, dass ich gerade noch Tränen für meine Missetaten vergossen hatte. Zielsicher steuerte ich den Laptop an. Ich würde der Welt zeigen, dass ich noch lebte, dass ich nicht gestorben war, um einen Krieg auszulösen.

Als Erstes schrieb ich eine E-Mail an bekannte Sender, in der ich kurz offenbarte, was in jener Nacht wirklich geschehen war. Dass die Person noch lebte und ein Krieg unnötig war.

»Kendra?« Tayla stand im Türrahmen und hielt das Festnetztelefon in der Hand. Wollte sie schon wieder ihren Wissensdurst stillen und mich fragen, was das für ein Gerät war? »Was ist?«, fragte ich.

»Dieses Ding macht Geräusche. Ist das normal?«, fragte sie besorgt. Ich schmunzelte. »Wenn es keine Töne von sich geben würde, vorausgesetzt es ruft gerade jemand an, dann wäre es wohl kaputt.« Sie reichte mir das Telefon und ich rief meine Schwester zurück, denn sie hatte mich angerufen sogar schon gestern. »Hey, warum hast du angerufen?«

»Warum?«, kam eine energische Stimme aus dem Hörer, woraufhin ich ihn ein Stück von mir weghielt. Tayla starrte fasziniert darauf. Wieso war Maddy so sauer? »Ich habe dich tausendmal angerufen und du bist nicht rangegangen! Ich hab mir schreckliche Sorgen gemacht, nachdem ich das mit dem Alienangriff auf den Menschen gehört habe.« Natürlich wusste sie bereits Bescheid. Schließlich verfolgte sie die Nachrichten und auch meine Schwester glaubte das, was dort gezeigt wurde. Wie sollte ich sie beruhigen, ohne ihr zu sagen, dass ich die Leiche gewesen war und plötzlich wieder lebte? Medina war so schon völlig fertig mit den Nerven. Ich konnte sie nicht besänftigen, nicht ohne ihr die noch schlimmere Wahrheit zu offenbaren. Das würde ich auf keinen Fall tun. Wie soll sie denn verkraften, dass ich noch vor ein paar Stunden tot war und plötzlich wieder mit ihr sprach, als wäre alles in Ordnung? Es gab nur einen Weg. Irgendwann musste ich ihr zustimmen, zu ihr zu flüchten. Unser Viertel wurde schließlich auch evakuiert. Wo sollte ich sonst hin als zu ihr? Das hatte sie außerdem von Anfang an gewollt. Aber eins nach dem anderen. »Tut mir leid, ich wollte dir keine Sorgen bereiten. Mein Handy ist ...« ... vermutlich im Meer verloren gegangen, als ich bei Flut ertrunken war, beendete ich den Satz in Gedanken. »... ins Wasser gefallen. Es funktioniert nicht mehr.« Lieber keine Details, einfach verallgemeinern.

»Dumm gelaufen, du hättest mich wenigstens über Festnetz anrufen können, bevor ich noch hysterisch werde«, scherzte sie, aber redete mit weichem Tonfall weiter. »Du klingst echt fertig. Ist irgendwas?«, fragte sie besorgt. Die ehrliche Antwort wäre ja. Es gab viel zu viel, das nicht in Ordnung war, aber nichts davon teilte ich ihr mit. Stattdessen sagte ich schnell »Alles gut«. Nein, warum hatte ich das gesagt? Ich hätte die ganze Aliensache von gestern Nacht als Antwort nehmen sollen. Maddy schien es mir noch nicht völlig abzukaufen. »Wenn etwas ist, wir können reden, ja?«

Ein trauriges Lächeln huschte über meine Lippen. »Ja, ich weiß.« Zum Glück hatte ich sie. Aber ich konnte ihr meine Probleme nicht aufhetzen. Wenn Medina darunter litt, könnte ich es mir nie verzeihen. Sie sollte nichts wissen.

»Du weißt, warum ich noch anrufe?«, riss Maddy mich aus meinen Gedanken. Ihre Stimme klang ernst, deshalb wusste ich gleich, worum es ging.

»Rund um die Raumschiffe werden die Häuser evakuiert. Du bist dafür, wenn ich zu dir komme, aber ich will dir wirklich nicht zur Last fallen. Ich könnte auch-«, setzte ich an, doch Maddy unterbrach mich.

»Ich habe kein Problem damit. Hauptsache, du bist da weg.« Ja, das war es, was alle wollten. So weit weg wie möglich. Aber ich wusste es besser. Ich wusste, was geschah, wenn ich ging und nichts tat.

»Okay, aber ich habe vorher noch etwas zu erledigen«, gestand ich. Besser, sie wusste keine Details.

Maddy seufzte. »Was auch immer es ist, ich hoffe, es dauert nicht lange.« Genau genommen konnte ich das nicht versprechen, auch wenn ich es tat, aber ich hatte keine Ahnung, wie lange ich dafür brauchen würde oder ob ich es überhaupt schaffte. »Keine Sorge, ich mach so schnell ich kann«, sagte ich ausweichend und wir verabschiedeten uns. Plötzlich sah ich Tayla eindringlich an. »Du musst die Aliens warnen.« Sie schaute mich einfach nur an, ohne etwas zu sagen. Wenn ein Krieg ausbrach, dann sollten die Außerirdischen auch vorbereitet sein. Ich konnte nur hoffen, dass ich es noch rechtzeitig verhindern konnte. »Die Menschen können meinem Volk nichts anhaben«, sagte sie überzeugt. »Wir haben viele Mittel zur Verteidigung. Wir sind nicht so leicht zu besiegen.« Und genau das war das Problem. Die Menschen waren ihnen unterlegen. Es würde viele Opfer geben. Leider würden sie allesamt auf mein Konto gehen. Jeder einzelne. Ich wusste zwar, dass ich mich nicht dazu entschieden hatte zu sterben - im Gegenteil, - aber durch meine Ungeduld kam es zu diesen Aufnahmen. Wäre ich nur geblieben, hätte ich gewartet, dann müsste Tayla mich nie retten, dann wären diese Videoaufnahmen nie entstanden. Ich allein würde Schuld an einem Krieg zwischen Aliens und Menschen tragen. Diese Last ruhte schwer auf meinen Schultern. Verzweiflung breitete sich in mir aus. Wie konnte ich nur so leichtsinnig sein?! Ich hatte nicht nur mein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, sondern auch hundert weitere. Es durfte nicht zu einem Krieg kommen. Ich fühlte mich so furchtbar schuldig. Gleichzeitig war ich wütend auf mich selbst und auf die Menschen, die die Kameras aufgestellt hatten. Eine einzige verdammte Kamera hätte vielleicht Leben retten können. Durch eine nicht vorhandene Videoaufnahme führte es wahrscheinlich zu einem Krieg. Ich hasste es. Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Wohin mit meiner Wut? Wohin mit meiner Verzweiflung? Ich hasste es so unausstehlich! Diese Hilflosigkeit und diese tiefen Schuldgefühle.

Ich werde der Welt zeigen müssen, dass ich lebte!

Alienwar - Ist das der Untergang?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt