Da es gestern keinen Sinn mehr gemacht hatte, meine Alienfreundin im Dunkeln zu suchen, musste ich es wohl oder übel auf den nächsten Tag verschieben. Außerdem wollte ich nicht noch einmal im Mondlicht an denselben Ort zurück, der in mir viele negative Erinnerungen wachrief. Bei Tag hoffte ich es nicht, aber ich musste mich trotz dessen überwinden.
Selbst wenn Tayla nicht an meinem nächsten Ziel war und ich hinging, konnte ich trotzdem einen Nutzen daraus ziehen. Nämlich die Raumschiffe und die Soldaten beobachten. Dann wüsste ich immerhin, wie viel Zeit mir noch blieb, um sie zu suchen. Auch wenn es keinen Unterschied machte. Ich würde so lange suchen, bis ich sie fand. Vor allem, um meine Schuldgefühle zu besänftigen. Wir beide waren noch nicht quitt. Ich verdankte ihr mein Leben. Ob ich das jemals wiedergutmachen konnte, bezogt ich lieber nicht mit ein. Im Moment konnte ich nur tun, was in meiner Macht stand. Und ich hatte ein Ziel vor Augen. Es gefiel mir nicht, aber was sein musste, muss sein. Ich musste zu diesem Ort. Um sicherzugehen.
Ein letztes Mal sog ich tief Luft ein, bevor ich mich in Bewegung setzte. Leider hatte ich nur eine vage Erinnerung von dem Weg dorthin. Irgendwie würde ich die Stelle schon finden.
Diese Straße kam mir wenigstens schon bekannt vor. Der gepflasterte Weg wich dem Gras und dann den schroffen Felsen, auf dem ich lang stakte. Die Felsen wurden steiler und ein paar Grasstellen schoben sich dazwischen, auf denen der Anstieg leichter wurde. Oft hob sich das Gestein zu kleinen, aber steilen Wänden empor. Ich versuchte sie meist zu umgehen, nur hatte ich manchmal keine andere Wahl als daran hochzuklettern. So anstrengend hatte ich den Weg nicht in Erinnerung. Ich war definitiv falsch. Ein kurzer Blick zurück sagte mir, dass ich lieber weiter gehen sollte, als jetzt umzudrehen. Vor mir lag ein letztes Stück Gestein. Ungeschickt sprang ich von einem Spalt zum nächsten. Plötzlich bröckelten kleine Steine ab und jagten mir einen kleinen Schrecken ein. Ein breiter Felsvorsprung erlaubte es mir ein paar Schritte zu gehen, bevor ich mich schnaufend an der grauen Wand hochschob. Das war definitiv nicht der richtige Weg.
Oben erwartete mich eine Wiese so groß wie meine gesamte Wohnung - okay, sonderlich riesig war sie auch nicht. Am Rand zogen sich die Klippen entlang, an denen sich die Wellen des Meeres aufbäumten, doch nie das Ende der Felswand erreichten. An der anderen Seite versperrten Bäume und Büsche die Sicht. Doch ich konnte die Spitze eines Daches ausmachen. Ich stockte. Mein Blick schweifte noch einmal über die Wiese. Sie hatte dieselben Umrisse, wie die, die ich suchte. Bei Tageslicht hätte ich sie fast nicht wiedererkannt. Ich hatte mich geirrt, es war also doch der richtige Weg.
Während ich die Wiese genauer musterte, bemerkte ich etwas. »Ernsthaft? Das kann doch nicht wahr sein!«, entfuhr es mir. Neben dem felsigen Gelände, wo ich gerade unter Anstrengung entlang gekraxelt war, schlängelte sich ein Trampelpfad an den Steinen vorbei. Hätte ich den nicht schon eher entdecken können? Es wäre definitiv leichter gewesen, herzukommen.
Mein Blick wanderte zur Wiese zurück. Ich war tatsächlich hier. Eigentlich war ich nicht davon überzeugt gewesen, ihn zu finden. Aber anstatt mich zu freuen, überkam mich Trauer. Tayla war nicht hier und ich wusste nicht mehr, was ich noch tun sollte. Ich ging an den Rand der Klippen - keine Sorge, ich springe jetzt nicht runter. Meine Hände formten sich zu einem Trichter und legten sich um meinen Mund. »Tayla!«, schrie ich. Ihr Name wurde über die Wellen fortgetragen. Ob sie diesen jemals empfangen würde? Ich schluckte die aufkommenden Zweifel runter und schrie noch einmal den Namen aus vollem Hals. Wenn ich so weiter machte, war ich später heiser. Ich ließ die Arme sinken. Keine Ahnung, auf was ich in diesem Moment gewartet hatte, ab ich stand noch eine Weile regungslos da und starrte auf das Meer hinaus. Hatte ich erhofft, eine Antwort zu erhalten oder dass sie herkam? Hatte ich tatsächlich erwartet, dass sie es hörte? Sie war irgendwo da draußen. Wenn sie meine Hilfe gewollt hätte, wäre sie geblieben und hätte gewartet. Auf mich. Aber das hatte sie nicht getan. Sieh der Wahrheit ins Auge, befahl ich mir. Sie war gegangen! Nicht ich hatte sie gehen lassen. Es war sie! Meine Augen füllten sich mit Wasser. Meine Hände halten sich zu Fäusten. Ich trug keine Schuld. Zornig schluckte ich den Frust herunter. Wieder einmal wurde ich im Schatten stehen gelassen, als wäre ich nie da gewesen. Tayla hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Weil sie mich nicht brauchte! Niemand tat das. Meine Schwester wollte nur keine Schuld an meinem schlechten, wertlosen Leben tragen, weshalb sie sich um mich sorgte. Sie alle kamen auch ohne mich zurecht! Mein Fuß wanderte ein Stück vor.
Irgendein kleiner Teil in mir sagte, ich solle das woanders weiterdenken und nicht am Abgrund der Klippen. Dass ich ja nicht auf dumme Ideen kam, nur weil ich mich gerade in etwas hineingesteigert hatte und ich die Folgen später bereuen würde. Ich sollte dringend an meinem Selbstwertgefühl arbeiten. Die Wut verblasste, zurückblieb Leere. Taylas Absichten kannte ich nicht. Vielleicht gab es einen guten Grund, warum sie gegangen war und mir vorher nicht Bescheid sagen konnte. Sie war so nett gewesen. Einfach zu gehen, würde sie doch nicht tun. Dennoch besagten die Tatsachen etwas anderes. Es musste eine logische Erklärung dafür geben. Ich sollte aufhören, mir alle negativen Gründe auszumalen, die Realität sah anders aus. Nur kannte ich sie noch nicht.
Seufzend ließ ich mich in einen Schneidersitz sinken. Der Wind wehte die Tränen weg und nichts deutete auf den Ausraster eben hin. Ich hatte immer noch zwei Aufgaben. Tayla finden und den Krieg verhindern. Letztere war eine große Last, die mich nicht losließ, wohin ich auch ging. Ich musste lernen, meine Gefühle im Griff zu behalten. Das hatte ich schon einmal geschafft und das würde ich auch wieder. Und ich wusste auch schon wie. Die Lider klappten wie von selbst zu, die Hände legten sich locker auf meine Knie, ich atmete tief ein und doppelt so lange aus. Ich begann zu meditieren. Es war nicht das erste Mal, dass ich das tat, aber das letzte Mal war schon viel zu lange her. Ein leichtes Lächeln überkam meine Lippen. Es tat gut, sich wieder einmal entspannen zu können.
Auf einmal nahm ich aufgeregte Stimmen wahr. Ich riss die Augen auf. Mein Blick lag auf den Raumschiffen in der Ferne. Nein, was taten sie denn da?!
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Alienwar - Ist das der Untergang?
خارق للطبيعةFrüher oder später musste es ja kommen: Außerirdisches intelligentes Leben landet auf der Erde. Metallische Kugeln stürzen vom Himmel und damit stürzen sich auch die Menschen ins Chaos. Ob die Aliens gut oder böse gesandt sind, weiß niemand, denn ke...