Kapitel 3

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Ich war vorbereitet. Die Aliens konnten von mir aus kommen ... oder lieber nicht. Noch wurde nichts bestätigt, aber da die Medien uns keine falschen Hoffnungen machten, hatte ich mich damit abgefunden, dass es passieren wird.

Ein Tag Ruhe. Und acht Minuten bis zu ihrer Landung. Ich musste nur noch eine Nacht überstehen. Wahrscheinlich die längste und schlafloseste Nacht meines Lebens. Undenkbar, dass ich heute einschlafen könnte. Dazu war ich viel zu aufgeregt - in beide Richtungen.

Wie sollte ich bloß die Zeit totschlagen? Sonst hatte ich kein Problem damit. Aber jetzt? Die meisten Läden und Attraktionen wurden aufgrund der aktuellen Lage vorübergehend geschlossen. Der Verkehr war lahmgelegt. Die Straßen überfüllt. Alle wollten in dem großen Moment bei ihrer Familie sein. Und ich?

Keine Ahnung, was ich wollte. Einfach hierbleiben. Am Meer. Es gab mir das Gefühl von Sicherheit. Vielleicht war das auch alles nur Einbildung, weil ich es weit im Inneren des Festlandes nicht so sehr mochte und es mich an die Menschenmassen erinnerte. Wenn ich in die Weiten des Meeres sah, empfand ich Freiheit. Ich denke, das war es, was ich so an den Ozeanen liebte. Dort gab es keine Großstädte mit seinen grauen, farblosen Farben, den Abgasgerüchen und den überfüllten Wegen. Das Meer war das absolute Gegenteil. Bunt, lebendig, einzigartig. Wenn ich mir einen zweiten Planeten vorstellte, dann so. Das Flugobjekt musste weit gereist sein und ist bestimmt an vielen Orten der Galaxie vorbeigekommen. Ich ließ mich in meinen Gedanken treiben und stellte mir die absurdesten Dinge vor, wie es wäre durch die Galaxien zu reisen.

Mein Handy vibrierte. Es war meine Schwester, stellte ich fest, doch es überraschte mich nicht. Ich zog das grüne Telefonsymbol zum Abnehmen und sofort erschien eine geschminkte Frau mit leicht rundlichem Gesicht, blondgefärbten Haaren und freundlichen aber müden Augen auf dem Display. »Heeey. Wie geht's dir, Kendra?« Maddy winkte in die Kamera. Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen was ich da sah. Eine zweite Hand winkte, doch sie konnte nicht zu meiner Schwester gehören.

Dann ging mir ein Licht auf. »Hey, Winnie Pooh!«, begrüßte ich meinen Neffen. Er quiekte erfreut, als ich ihn mit seinem Spitznamen begrüßte. Ich weiß auch nicht mehr, wie ich dazu gekommen war, ihn so zu nennen, aber er hatte nichts dagegen, also hatte ich ihn so getauft. »Na, schon aufgeregt?«, fragte ich.

Maddy starrte mich an. Ihr Blick verriet mir, dass ich nichts sagen sollte, was die Aliens betraf. Sie hatte es ihm nicht gesagt. Hätte ich wahrscheinlich auch nicht. Er war eben erst vier Jahre alt, selbst wenn, würde er es nicht verstehen, zumindest nicht den Ernst der Situation.

»Wieso?« Er schaute mich neugierig an.

Schnell überlegte ich mir eine Ausrede. »Weil meine Nachbarskatze bald Geburtstag hat ...« Wir halten fest: Im Ausreden finden war ich schon Mal durchgefallen.

Seine Augen weiteten sich. »Wirklich? Wann? Wie heißt sie?« Mist, was sollte ich sagen? Meine Nachbarin hatte gar keine Katze!

Medina rettete mich. »Oh, sieh Mal, ein Spatz hat sich vors Fenster gesetzt.« Sie deutete auf etwas außerhalb der Kamera. Der Kleine sprang auf und flitzte davon. »Bleib sitzen, ich hole dir was zum Futtern«, hörte ich ihn noch murmeln, bevor er von meinem Bildschirm verschwand. Maddy wartete, bis er außer Hörweite war und wandte sich dann an mich. »Morgen ist es vielleicht soweit. Die erste Alienbegegnung der Menschheit. Wie geht es dir? Dein altes Zimmer bei mir steht noch zur Verfügung, ich habe nichts dagegen. Du bist sonst ganz allein, wenn wirklich ...«

»Es ist in Ordnung so. Ich wohne hier«, unterbrach ich sie und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Insgeheim fand ich es aber süß. Womöglich würde mich doch jemand vermissen, wenn ich nicht mehr da wäre. Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus. Manchmal vergaß ich, dass meine Schwester noch für mich da war.

»Ehrlich? Das macht uns wirklich keine Umstände«, versuchte sie es ein letztes Mal, doch ich verneinte. Ich wollte nicht alles zurücklassen und in Unwissenheit abwarten, ob meine Wohnung alles überstanden hatte. Medina hatte ihren Sohn und ihren Mann. Sie war in ihrem Haus sicher.

Ich hatte mein eigenes Leben. Ich konnte nicht immer zu meiner Schwester kriechen, wenn irgendwas war. Immerhin war ich erwachsen. Wenn man sich schon ein Leben lang kannte und zusammen aufgewachsen war, übersah man das leicht. Für sie war ich noch ihre kleine Schwester, die nicht allein zu Recht kam.

Wir telefonierten über eine Stunde und es tat gut, wieder mit jemanden zu reden. Vielleicht vermisste ich das mehr, als ich dachte. Den Kontakt zu meinem Ex hatte ich längst verloren und ich brachte es nicht über mich, ihn anzuschreiben. Seit unserer Trennung hatten wir kein Wort mehr miteinander geredet. Ich wusste nicht, wohin er gegangen ist oder was er gerade tat, überhaupt was aus ihm geworden war. Aber ich würde ihn nicht fragen, es war vorbei.

»Tschüss. Lieb dich«, verabschiedete sich Maddy.

»Lieb dich zurück.« Ihr Gesicht verschwand von meinem Display und ich starrte ins Schwarze.

Was sollte ich jetzt tun? Ich hatte in letzter Zeit den Haushalt ein wenig vernachlässigt, auch wenn ich absolut keine Motivation hatte, zwang ich mich dennoch dazu. Wer weiß, ob es sich überhaupt lohnen wird? Die Zukunft stand noch wortwörtlich in den Sternen. Vielleicht war es besser, noch einen Blick in die News zu werfen, womöglich gab es neue Informationen zum Raumschiff. Und tatsächlich. Das Flugobjekt hatte seinen Kurs nicht geändert. Es würde landen, es sei denn, es änderte in letzter Sekunde seine Richtung. Ziemlich unwahrscheinlich.

Doch das war nicht das Einzige. Es waren mehr als nur ein Objekt geortet worden. Das änderte einiges.

Alienwar - Ist das der Untergang?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt