Kapitel 18

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Augenblicklich verkrampfte ich mich. Obwohl ich vor ein paar Sekunden noch meditiert hatte, war ich jetzt ganz und gar nicht entspannt. Im Gegenteil. Ich hatte immer noch keine Ahnung, was sich die Aliens mit ihrer Aktion gedacht hatten. Sie wussten offensichtlich nicht, welche Gefahr die Menschen für sie darstellen können. Im Moment ist der Strand voller bewaffneten Soldaten, die jeden Schritt der Außerirdischen beobachteten. Aber warum sorgte ich mich eigentlich um die Aliens? Laut dem, was ich über sich wusste, waren sie den Menschen weitaus überlegen. Vielleicht sollte ich eher Angst um meines Gleichen haben. Die ganze Situation war beunruhigend.

Angespannt wartete ich ab, was sich tat. Die Aliens waren herausgetreten und die Armee hatte sie bemerkt. Beide starrten sich über die Wassermassen hinweg an, aber keiner von ihnen wagte es, den nächsten Schritt zu machen. Sie wussten nicht, wie der andere reagieren würde. Dazu kam, dass die Menschen ein falsches Bild von ihren Gegnern hatten und sie dadurch als Bedrohung wahrnahmen. Wie die Außerirdischen über uns dachten, wusste ich allerdings nicht. Vielleicht hatte Tayla sie bereits über ihre Lage informiert. Möglicherweise sind sie deshalb aus ihren Raumschiffkugeln herausgekommen. Aber genau wusste ich es nicht.

Bitte macht jetzt nichts Dummes, flehte ich in Gedanken. Ein Lautsprecher ertönte, woraufhin ich zusammenzuckte. Einer der Armee, wahrscheinlich der Offizier, stand auf einem Schlauchboot, dass bereits zu Wasser gelassen wurde und zwei weitere Soldaten waren ebenfalls bei ihm an Bord. Als sie ein Stück rausgefahren waren, - noch immer mit beträchtlichem Abstand zu den Aliens - begann der Offizier mit dem Gerät vor dem Mund zu sprechen. »Ihr Aliens!« Seine Stimme klang hart und eindringlich, als wäre jeglicher Widerstand zwecklos. Wenn mich nicht alles täuschte, schwang ein Hauch Missachtung mit. Das konnte ich ihm auch nicht verübeln. Immerhin glaubte er, Mördern gegenüberzustehen. Wahrscheinlich hätte ich genauso reagiert, aber im Moment war es unangebracht. »Ihr habt einen Menschen ausgelöscht und wir werden euch deshalb vertreiben, wenn nötig auch vernichten. Ihr seid hier nicht länger erwünscht!« Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Diese Ansicht war allein meine Schuld. Sie wollten sie wirklich umbringen, vorausgesetzt sie verschwinden nicht vorher. Aber was war mit Tayla? Wenn sie nicht auf den Raumschiffen war, würden die Außerirdischen dann ohne sie zu ihrem Planeten zurückkehren? Dann hätte sie keine Chance mehr, zu ihrer Heimat zu kommen. Tayla müsste hier leben. Als Mensch. Für immer und ewig. Nein, soweit würde ich es nicht kommen lassen. Auch wenn ich vermutlich nicht viel daran ändern könnte. Ich musste doch bloß wissen, wo sie gerade war! Auf gar keinen Fall sollten meinetwegen, irgendeine dieser Szenarien in die Tat umgesetzt werden. Keine. Niemand würde gezwungenermaßen verschwinden müssen, in einer fremden Welt zurückgelassen werden und auch niemand sollte sterben, nicht wenn es auf mein Konto ging.

Ohne zu realisieren, was ich gerade tat, trugen mich meine Füße bereits den Trampelpfad hinunter. Es war dumm, leichtsinnig und vollkommen zwecklos. Trotzdem hatte ich es mir in den Kopf gesetzt und wollte es durchziehen. Hätte ich wenigstens mal kurz mein Gehirn benutzt, wäre mir aufgefallen, dass es genügend andere Möglichkeiten gab, von denen ich auch schon Gebrauch gemacht hatte. Aber natürlich musste ich mir zusätzlich die mit Abstand dämlichste Idee aussuchen. Vielleicht war es im Moment auch die effektivste, doch das bezweifelte ich. Ich könnte genauso gut ein Livestream von den Geschehnissen am Strand machen. Das wäre hundertmal sinnvoller. Für einen Augenblick wurden meine Schritte langsamer und ich zog das tatsächlich in Betracht, nur fielen mir dazu gleichstarke Gegenargumente ein, woraufhin ich meinen Weg unbeirrt fortsetzte. Selbst, wenn ich alles live übertrug, würde mir eh kaum jemand zusehen. Klar, irgendwie würde es sich verbreiten, aber ich durfte nicht einmal hier sein. Wer weiß, in welche Schwierigkeiten ich mich dann hineinritt.

Ich schob mich zwischen den Büschen durch und umging damit den provisorischen Zaun um den Strand herum. Mein Gewissen versuchte mich immer noch davon abzubringen, aber ich blendete diese Stimme in dem Kopf einfach aus. Bisher hatte ich nur mit digitalen Worten versucht, den Krieg zu verhindern. Es wurde Zeit, das Ganze in die Realität zu bringen - mit meinem Gesicht. Mir war klar, dass ich entweder alles oder nichts mit dieser Aktion erreichen könnte. Vielleicht drang ich damit auch bei einigen Menschen durch. Wenn es eine noch so kleine Chance dazu gab, musste ich sie nutzen. Vielleicht schaffte ich es zu dem zweiten Lautsprecher am Strand, den einer in der Hand hielt. Wozu er ihn brauchte, war mir allerdings rätselhaft.

Mein Ziel anvisiert und mit schnellen Schritten darauf zusteuernd, hatte ich bereits den halben Strand überquert. Natürlich fiel es jemanden auf und dieser näherte sich mir von der Seite. »Sie dürfen hier nicht sein. Dieser Bereich ist abgesperrt und für Zivilisten unzugänglich.« Nachdem der Soldat das gesagt hatte, fiel ihm auf, dass ich dann eigentlich gar nicht herkommen könnte. »Wie sind Sie überhaupt hergekommen?« Mittlerweile musste er sich bemühen, um an mir dranzubleiben. Schließlich holte er mich mit einem kurzen Joggen ein. Da ich immer noch nicht reagierte, packte er mich an den Schultern und drehte mich zu ihm um, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. »Haben Sie mich nicht gehört? Sie sollen das Gelände umgehend verlassen.«

»Ich weiß, was ich tue und jetzt lassen Sie mich bitte los«, entgegnete ich etwas forscher als beabsichtigt. Doch statt auf meine Bitte einzugehen, - was ich auch nicht erwartet hatte, - schob er mich zu dem Ausgang zurück. »Kommen Sie wieder, wenn Sie mir eine Berechtigung vorzeigen können, um sich hier aufzuhalten«, konterte der Uniformierte.

Ruckartig wandte ich mich zu ihm um. »Ich habe jedes Recht, hier zu sein!« Genaugenommen übertrieb ich da ein bisschen. »Ich muss den Krieg gegen die Aliens verhindern!«, erklärte ich. Verstand er denn nicht? Diese Angelegenheit konnte nicht warten.

Anscheinend war ihm der Ernst der Lage nicht bewusst, denn er lachte über mich. »Sind Sie etwa eine der Zivilisten, die an eine Zusammenarbeit mit diesen Viechern glauben? Eine, die immer noch ein Bild der liebenswürdigen Außerirdischen im Kopf hat? Falls Sie es noch nicht mitbekommen haben, die haben einen Menschen umgebracht.« Sprachlos starrte ich ihn an. Er hatte mit solch einem Hass und einer Abstoßung geredet, dass es mir die Sprache verschlug. Anscheinend betrachtete er die Aliens als Abschaum. Aber alles, was er als Beweis hatte, war der kurze Ausschnitt der Überwachungskameras, welcher aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Woher wussten sie dann zu einhundert Prozent, dass es wirklich so war, wie es auf den ersten Blick aussah? Hatte das denn niemand hinterfragt? Hatten alle die Tatsache so hingenommen? Auch wenn ich seine Reaktion nachvollziehen konnte, fand ich sie doch übertrieben. Dieser Soldat dagegen verabscheute sie richtig. Es gab viele Menschen, die ihresgleichen umgebracht hatten, aber deswegen verallgemeinern wir das ja auch nicht und machten alle Menschen zu Mördern.

Nur was war, wenn alle anderen auch so dachten wie er? Würde ich sie dann überhaupt vom Gegenteil überzeugen können? Ich starrte den Soldaten an. Jetzt hatte ich erst mal andere Probleme.

Alienwar - Ist das der Untergang?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt