Kapitel 9

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Ich starrte Cintz an und wartete auf seine Antwort. Würde er sich dafür entscheiden, dass ich ging oder blieb und Fragen stellte ebenso wie sie. Beide Seiten würden von dem Deal profitieren, die Außerirdischen sowie ich. Oder aber, jeder behielt seine Informationen und wurde nicht schlauer. Dafür ging niemand das Risiko ein, dass das Wissen gegeneinander verwendet wurde und war sicher. So oder so, beide Seiten waren verständlich. Seine Stimme war allerdings entscheidend für die Abstimmung, denn es stand eineinhalb zu eins für mich. Er wusste, wie viel auf dem Spiel stand.

Die Frage war, was wollte Cintz? Ich konnte ihn nicht einschätzen, er hatte sich während des ganzen Gespräches zurückgehalten.

Dafür war das dritte Alien strikt dagegen und hatte nur für Streit gesorgt. Er hatte kein Interesse zu einer Vereinbarung mit mir, oder generell sich den Menschen zu nähern. Seine Stimme galt gegen den Deal.

Zischß und ihr Vater waren dafür, auch wenn sie zusammen nur eineinhalb Stimmen hatten, war ich für jeden Einsatz sehr dankbar. Immerhin mussten sie das alles nicht machen und doch taten sie es.

»Du musst dich jetzt entscheiden«, drängte der dritte. Sein Stimmungsspiegel umfasste fliederfarbenes Licht, das immer wieder zu verschwinden schien, aber seine Intensität blieb gleich. Dann verstand ich, er versuchte seine Gefühle oder jedenfalls seine Gefühlsfarben zu unterdrücken.

»Ich bin dafür«, sagte Cintz. Erleichtert entspannte ich mich. Sie wollten alle bis auf den dritten, dass ich blieb und wir redeten. Das war beruhigend. Ich stellte keine Bedrohung dar und sie auch nicht.

Beunruhigend dagegen wartete ich auf die Reaktion des dritten Aliens. Er war bisher schnell wütend geworden, und jetzt hatten sich seine ganzen Kameraden für das entschieden, gegen das er von Anfang an war. Konnte das gut ausgehen? Seine Gefühlsfarben waren rot und ein Hauch lila, der wohl nicht verschwinden wollte. Hoffentlich war Rot für sie keine Warnfarbe wie bei den Menschen. Ich wusste, dass es bei Rehen blau war und bei den Aliens stand Violett für Wut, vielleicht war das ihre Warnfarbe.

»Es ist entschieden. Wir haben fair abgestimmt und die Mehrheit ist dafür«, sagte Xiß. Der Einzige, der dagegen war, war hoffentlich ein guter Verlierer. »Also Kendra, du kannst uns fragen, was du willst.«

Eine Frage hatte ich schon. »Welche Farben stehen bei euch für welche Gefühle?«

Bei Xiß leuchteten kurz gelborangefarbene Kleckse auf, aber legten sich wieder. Gleich würde ich wissen, wie er sich gerade fühlte. »Gelb steht für Fröhlichkeit, hellgrün für Liebe, dunkelgrün für Trauer, braun für Mut, blau für Angst oder Furcht, violett für Wut und Rot ist Enttäuschung. Was habe ich noch nicht erwähnt?« Mit Wut hatte ich also recht, aber es fehlten noch welche.

»Pink und rosa«, sagte Zischß. »Und orange.«

»Ach ja. Orange ist Hoffnung, pink ist Hass und rosa Eifersucht.« Die Rosa- und Rottöne waren in ihrer Welt also nicht die typischen Prinzessinnen-Farben.

»Da wären noch weiß und schwarz«, fügte Cintz hinzu. Warum sagte er das so monoton? Irgendetwas Schlimmes mussten die beiden unbunten Farben bedeuten. Aber es wurden doch schon alle wesentlichen Gefühle gesagt oder irrte ich mich?

»Weiß ist der neutrale Gefühlsstand. Bei Schwarz dagegen können wir unsere Gefühle völlig ausschalten. Schwarzes Licht leuchtet nicht so hell und weit. Auch wenn wir es manchmal wollen, müssen wir diesen Zustand meiden. Wieder zurück in die Gefühlswelt zu finden, ist sehr schwer ...«

»Dabei verlieren sich die meisten selbst. Sie werden zu Monstern. Das ist das Gefährlichste, was einem ẞeizscht passieren kann«, ergänzte Xiß, auch seine Stimme war belegt. »Beherrschung ist das Wichtigste.«

Das war erschreckend. Sie konnten einfach so zu den Monsteraliens werden, die andere Menschen in ihnen sahen, wenn sie die Beherrschung verloren. Mir war nicht bewusst, wie gefährlich sie werden konnten, ohne, dass sie es wollten. Und doch war ich hier, genau wie sie. Wir waren bereit, uns gegenseitig zu vertrauen. Aber wie würde die Menschheit darauf reagieren? Konnten sie mit dieser Gefühlswelle klarkommen? Das könnte nämlich mächtig nach hinten losgehen. So wie bei mir.

Ich konnte nur zu gut nachvollziehen, wie es war in sich selbst und seinen Gefühlen, Gedanken und seiner Vergangenheit gefangen zu sein und nicht aus einem nie enden wollenden Kreislauf wieder herauszufinden. Es erschien hoffnungslos. Das war nicht nur gefährlich bei ẞeizscht, dort hineinzugeraten, sondern auch bei uns Menschen. Wenn man sich selbst verliert und sich nicht wiederfindet. Dann erscheint einem das Leben sinnlos.

Aber trotzdem war es bei den Außerirdischen viel schlimmer. Xiß bezeichnete Aliens in Schwarz sogar als Monster. Die Gefühle einfach ausschalten. Ein Lebewesen ohne Gefühle kannte kein Mitleid, keine Gnade. Es würde tun und lassen, was es wollte. Und das machte es zu einer tickenden Zeitbombe. Jeder konnte in diesen Zustand geraten. Er war perfekt für den Krieg. Und sie konnten sich selbst nicht daran hindern. Sie gerieten in einen Kriegsmodus. Sie könnten, ohne auch nur das Geringste zu fühlen, töten. Jetzt verstand ich, warum sie solche Angst hatten.

Bevor noch alle in der Trauer versanken, stellte ich meine nächste Frage. »Was sind eure Fähigkeiten?« Geparden konnten schnell rennen, Giraffen an Baumkronen knabbern, Affen konnten gut klettern, Delfine waren hervorragende Schwimmer. Aber was konnten Außerirdische, die aus Licht bestanden? Vorhin hatte ich zarte Lichtblitze um sie herum zucken sehen, also nahm ich an, sie konnten Blitze abschießen und noch dazu der Kriegsmodus. Dann wurden sie zu hochgefährlichen Maschinen, die man nicht so leicht aufhalten konnte. Immerhin bestanden sie aus Licht und ich wusste nicht, ob sie überhaupt plastisch waren. Wenn nicht, waren sie dann überhaupt richtige Lebewesen? Genau genommen waren sie es nicht einmal. Sie waren Aliens. Wir würden nicht immer Erklärungen für außerirdische Physik oder Genetik finden. Sie gehörten nicht zu unserem Lebensraum und damit eigentlich auch nicht zu unserem Wissenshorizont.

»Fliegen, Blitze erzeugen und kleine Lichtkugeln werfen«, antwortete Zischß. Das letzte war neu für mich. Aber wozu war es gut, mit Licht um sich zu werfen?

»Außerdem können wir Energie von Licht, Wärme oder anderen Lebewesen abzapfen oder abgeben«, fügte Xiß dazu. Das war mal eine tolle Fähigkeit. Manchmal wünschte ich, das auch zu können. Aber wenn es eine Sonnenfinsternis gab und sie allein waren, wo es dunkel war? Dann konnten sie sich nicht von etwas anderem ernähren. Sie brauchten das Licht statt fester Nahrung. Na gut, sie waren auch kein festes Lebewesen, wäre komisch, wenn die Aliens dann essen würden. Ich bezweifelte, dass sie innere Organe hatten. Augen, Mund und Nase sah ich ja auch keine und trotzdem konnten sie sehen, reden und leben.

Andererseits war es für ein Lebewesen, das nur mit Nahrung zu Kräften kam, gefährlich, wenn ein Alien von ihm Energie saugte. Wieder einmal wurde mir deutlich, wie gefährlich diese Aliens sein könnten, wenn sie es wollten. Eine Gefahr, mit der Menschen nicht umgehen konnten. Eine Gefahr, die wir nicht zu bezwingen wussten. Noch wusste niemand, außer mir, mit wem wir es zu tun hatten. Solange die Außerirdischen auf meiner Seite standen, war alles gut. Das hoffte ich jedenfalls.

Alienwar - Ist das der Untergang?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt