»Ich denke, wir sind fertig«, sagte ich zu Szez und diese Worte erfüllten mich ein wenig mit Stolz. Für andere war es nur eine Aufnahme, aber für mich bedeutete es viel mehr. Dadurch könnte ich den Krieg verhindern. Diese Gedanken ließen mich mich gleich wichtiger fühlen. Es tat zwar gut, das zu wissen, andererseits war das gleichzeitig eine große Last. Meinetwegen waren die ẞeischt in ihrer aktuellen Lage. Aber jetzt würde ich es ändern. Ich sollte endlich aufhören, mir weiterhin die Schuld dafür zu geben, denn ich hatte selbst dabei mein Leben gelassen. Der Ausschnitt der Überwachungsaufnahme wurde nun mal aus dem Zusammenhang gerissen und daher falsch interpretiert. Irgendwann würden alle Missverständnisse aufgeklärt werden.
Ich packte die Kamera behutsam in den Rucksack und verabschiedete mich von den Aliens. Sie vertrauten mir und legten ein Stück ihrer Hoffnung in mich. Ja, ich konnte mich wirklich mal loben - das tat ich viel zu selten - vor allem jetzt, wo ich den Krieg wahrscheinlich als einzige aufhalten konnte. Zwar wünschte ich es wäre anders, aber nun war ich in diese Situation geraten und kam nicht mehr ohne Gewissensbisse heraus.
Seufzend stakte ich über den nassen Boden und schob die Gedanken an diese ungeheure Last beiseite. Stattdessen lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf die Umgebung. Ich sog die kühle Nachtluft ein und füllte meine Lungen damit. Am weit entfernten Strand waren vereinzelte Lichter zu sehen. Was beim letzten Mal geschehen war, brauchte sich nicht zu wiederholen, auch wenn das Wasser vorerst zurückblieb.
Doch während ich zu den Klippen lief, kamen die Erinnerungen an jene Nacht zurück. So sehr ich auch versuchte sie zu verdrängen, sie kämpften sich in mein Bewusstsein. Immer wieder musste ich mich davon überzeugen, dass mir noch genügend Zeit blieb und die Flut erst am nächsten Tag eintreten würde. Allerdings wusste ich auch nicht, wie spät es war. Etwas in mir zog sich zusammen. Ungewollt bekam ich ein Kopfkino, wobei ich den Moment erneut durchlebte. Wie ich von den Wellen unter Wasser gedrückt wurde und vergeblich versuchte, mich über der Oberfläche zu halten. Wie meine Lungen brannten, als würden sie jeden Moment von Flammen zerrissen werden. Wie die Angst meinen Körper lähmte. Auch jetzt hatte ich das Gefühl, mir wurde der Hals zugeschnürt werden. Ich wollte das einfach nur vergessen. Meine Schritte wurden schwerer, meine Knie wackliger. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Hier hatte ich mein Leben verloren. Eigentlich mein einziges. Egal, wie sehr ich mich bemühte, dankbar dafür zu sein, die Angst, es könnte sich wiederholen, ergriff die Übermacht. Zittrig wurde ich langsamer. Mein Körper begann zu schwanken und dann gaben die Beine unter mir nach. Ich rang nach Luft. Verzweifelt raufte ich mir durch die Haare. Hör auf! Reiß dich zusammen, befahl ich mir, du lebst. Also steh auf und geh weiter, bevor es sich in der Realität wiederholt!
Ich versuchte mir warme Gedanken zu machen. Das gelang mir eher schlecht als recht. Du bist mutig, sagte ich mir, obwohl es gerade nur Worte ohne Bedeutung waren. Das Licht aus meiner Erinnerung tauchte auf. Es war das Licht, welches mich gerettet hatte. Nicht nur Tayla, sondern auch das der Nachwelt hatten mich erlöst. Etwas sagte mir, dass ich nicht ihr Leuten gesehen hatte. Denn mir wurde wirklich das Leben aus dem Körper gehaucht.
Ja, etwas in mir war gestorben. Aber es war die alte Kendra. Die, die naiv, depressiv und einsam war. Wiedergeboren war ich. Eine tapfere, junge Frau, die sich nicht mehr zu viele Gedanken über das, was andere über sie denken könnten, machte. Eine selbstbewusste Schönheit von innen und außen. Ich trauerte nicht mehr über das Verlorene, sondern blickte in die Zukunft und würde sie verändern. Endlich hatte ich wieder den Glauben an mich selbst zurückgefunden. Auf einmal war mir meine Vergangenheit völlig gleichgültig. Ich hätte viel mehr daraus machen können, doch nun würde ich es umsetzen. Verdienen tat ich etwas Besseres als meinen Ex, um den ich so lange getrauert hatte. Nichts würde mich noch einmal so sehr aus der Bahn werfen. Denn ich glaubte an mich. Und das würde ich immer.
Meine Finger, die sich in den nassen Sand gebohrt hatten, lösten sich daraus. Von der Panikattacke war keine Spur mehr zu sehen. Ich war vollkommen ruhig. Langsam aber kraftvoll erhob ich mich von dem Boden. Wahrscheinlich war ich voller Schlick, doch das war mir egal. Bevor es verschwand, hielt ich an dem Gefühl von gerade eben fest. Wärme durchströmte mich. Jetzt durchlebte ich den Moment der Wiedergeburt, wo Tayla mir Energie durch jede Faser meines Körpers schickte. Es war beflügelnd und so wunderschön. Ab diesem Zeitpunkt war ich wie ein anderer Mensch, nur war mir das vorher noch nicht bewusst geworden. Schon vorher hatte ich mehr getan, als ich mir zugetraut hätte. Ich wollte und brauchte diese Veränderung. Und nun hatte ich sie. Ein Lächeln schlich sich über meine Lippen. Jetzt war ich Kendra - tapferer, stärker, standhafter und selbstbewusster. Mein eigenes Ideal.
Als ich mich in Bewegung setzte, hatte ich so ein beschwingtes Empfinden. Meine Schritte fühlten sich leichter und schneller an. Ohne weiter darüber nachzudenken, begann ich zu rennen. Eine plötzliche Stärke in jedem Schritt begleitete mich. Es war fast, als würde ich über den Boden fliegen. Man könnte es sogar als Rausch bezeichnen. Dieses Gefühl war sehr stark. Keinesfalls wollte ich es wieder loslassen. Keine Ahnung, woher das auf einmal kam, aber es gab viele Theorien. Zunächst wollte ich dem auf den Grund gehen, doch dann entschied ich mich dagegen. Vorher konnte ich es noch genießen. Wer weiß, wie lange es andauern würde. Binnen weniger Minuten erreichte ich die Klippen. Ohne zu wissen, was ich tat, sprang ich schon durch die Luft und krallte mich dann an die raue Felswand. Als hätte ich es schon hunderte Male gemacht, lief ich die Wand hoch. Eigentlich hatte ich für den Teil eine Strickleiter mitgenommen, aber offensichtlich brauchte ich diese gar nicht. Hätte ich das gewusst, wäre der Rucksack um einiges leichter gewesen. Allerdings hätte ich auch nicht für möglich gehalten, dass ich es schaffte, hochzuklettern - schon gar nicht mit dieser Leichtigkeit.
Auf dem Plateau angekommen, verweilte mein Blick einen kurzen Moment auf den Kugeln. Sie lagen dort in der Ferne so unscheinbar, fielen fast nicht auf, aber im Inneren befand sich außerirdisches Leben. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, warum ich urplötzlich schnell und stark war, doch ich hatte ein paar Theorien auf Lager. Darüber dachte ich nach, als ich den Rückweg einschlug. Am liebsten wäre ich weiter gerannt, aber sollte mich jemand sehen, machte es mich verdächtig, da es mitten in der Nacht war.
Meine plötzliche Sportlichkeit kam bestimmt nicht von selbst. Ich wettete, dass es etwas mit den Aliens zu tun haben könnte. Zumal ich das Kribbeln von durchströmender Energie beim Berühren des Kugelschiffes vorher nicht gespürt hatte. Vielleicht hing es auch alles mit meiner Wiederbelebung durch Alienenergie zusammen. Das würde beides erklären. Aber warum und wie blieben wohl vorerst noch offene Fragen. Womöglich auch für immer. Aber was war so anders an der Alienenergie? War Energie nicht überall gleich strukturiert? Ich war definitiv kein Physiker, also konnte ich das wahrscheinlich auch nicht erklären, vorausgesetzt mein Denkansatz machte überhaupt Sinn. Mittlerweile hatte ich mich allerdings an die Theorie mit den Außerirdischen festgebissen. Schließlich war das gar nicht so abwegig. Vielleicht konnte ich ja noch mehr als das, was ich bereits gemacht hatte. Schließlich weiß ich es gerade Mal zehn Minuten.
Also fassen wir meine bisherigen Verbesserungen erstmal zusammen: Schnelligkeit, Kraft - dazu zählte Klettern - und die Leichtigkeit, welche mich beflügelt hatte. Außerdem hatte es sich wie ein Rausch angefühlt, der jetzt leider abgeebbt war. Am liebsten würde ich es gleich wiederholen. Aber es gab zu viele Risiken. Zum einen, dass mich jemand beobachtet und zum anderen wusste ich nicht, ob ich so leicht wie gerade eben wieder herausfinden konnte, denn da stellt sich die andere Frage, ob ich das überhaupt wollte. Eigentlich nicht. Es hatte all meine Sorgen und Ängste vertrieben, mich für den Augenblick des Moments alles, was mich belastete, klein gemacht. Ich hatte mich stark gefühlt. So wollte ich mich immer fühlen. Wenigstens war aktuell noch ein Teil geblieben. Doch diesen Nervenzusammenbruch von eben wollte ich kein zweites Mal erleben.
Diese Fähigkeiten waren hoffentlich keine einmalige Sache. Womöglich konnten sie mir bei der Suche nach Tayla helfen. Vielleicht wusste sie mehr als ich und konnte mir ein paar meiner Fragen beantworten - unter anderem auch, wieso sie verschwunden war. Doch bis dahin würden sie mir auf der Seele brennen.
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Alienwar - Ist das der Untergang?
ParanormalFrüher oder später musste es ja kommen: Außerirdisches intelligentes Leben landet auf der Erde. Metallische Kugeln stürzen vom Himmel und damit stürzen sich auch die Menschen ins Chaos. Ob die Aliens gut oder böse gesandt sind, weiß niemand, denn ke...