Kapitel 1

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Kapitel 1

Ein Teil von mir war im Peets Coffee & Tea geblieben. 

Festgefroren auf dem Stuhl unter dem Blick eines Fremden.

>> Harlow <<

Die Hotline war heute vergleichsweise ruhig. Dank der Energiekrise hatte das Telefon auf meinem Schreibtisch in den letzten Tagen geglüht. Ich hatte mein Bestes gegeben den Andrang zu bewältigen und unsere Kunden zu beruhigen.

Jetzt klemmte das Headset unnütz auf meinem Kopf und drückte mir meine silbernen Ohrstecker in die Haut. Ich hätte sie heute nicht anziehen sollen, aber irgendwie lernte ich nie aus Schmerz. Es war ja nicht so, als hätte ich die Dinger nicht schon einmal angehabt und festgestellt, dass diese für die Arbeit völlig ungeeignet waren.

Seufzend rieb ich mir über den Nacken. Meine Schicht war fast vorbei. Die letzten Minuten zogen sich in die Länge. Ich könnte noch eines der Schreiben beantworten, aber das würde ich bis zum Feierabend nicht schaffen. Davon abgesehen fehlte mir heute sämtliche Motivation. Ich war erschöpft. Ein bisschen Urlaub wäre schön, aber da musste ich mich noch ein wenig gedulden.

Eine längliche Schachtel schob sich in mein Sichtfeld. Irritiert blickte ich auf. Warren stand vor mir. In seinem Gesicht klebte ein breites Grinsen.

Ich unterdrückte ein genervtes Stöhnen. Mein Arbeitskollege war kein schlechter Mensch an sich. Er war mir einfach nur unsympathisch. Irgendwas an ihm missfiel mir. Sein Gesicht war durchschnittlich. Er war immer gutgelaunt und wurde es nicht müde mich um ein Date zu bitten.

„Habe ich deinen Geburtstag verpasst?", erkundigte er sich.

Ich sah wieder auf die Schachtel. Im Büro kannten nur die wenigsten mein Geburtsdatum. Ich hasste es, wenn eine Menschentraube um mich stand und mir ein Geburtstagsständchen sang. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es überhaupt jemand mochte. In solchen Momenten saß ich steif auf dem Stuhl und wusste nichts mit mir anzufangen. Vielleicht sollte ich demnächst einfach mitsingen, damit ich mir nicht ganz so dämlich vorkäme.

„Nein. Heute ist nicht mein Geburtstag. Was ist das?"

Warren zuckte mit den Schultern und schob die Schachtel in die Mitte des Tisches.

„Das wurde für dich am Empfang abgegeben", beantwortete er meine Frage.

Ich griff nach der Schachtel. Warren blieb neben mir stehen. Innerlich verdrehte ich die Augen. In einem Großraumbüro war Privatsphäre so gut wie gar nicht vorhanden und Warren gehörte zu der neugierigen Sorte.

Ich zog die weiße Schleife ab und hob den schwarzen Deckel. Eine einzelne rote Rose lag darin. In sattem Rot leuchteten mir ihre Blüten entgegen. Angenehm überrascht griff ich nach dem Stil, um im selben Augenblick zurückzuzucken.

„Au", murmelte ich. Am Stil befanden sich noch Dornen.

„Wer schickt denn eine Rose mit Dornen?", war Warren genauso verblüfft wie ich.

Ich hob die Pflanze vorsichtig heraus, wobei ich eine kleine Karte entdeckte:

Gefällt sie dir?

W.H.

Ich drehte mich zu Warren. Er starrte mich gespannt an. War das irgendein schlechter Scherz?

„Danke, Warren", versuchte ich freundlich zu sein.

„Die ist nicht von mir", erwiderte er.

„Das sind deine Initialen."

Sein zerbrechlicher BesitzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt