Kapitel 21

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Ich würde alles tun,

was sie von mir verlangen würde.

>> W.H.<<

Ich stürmte wie ein Verrückter über den Parkplatz. Ich hatte sie gesehen. Aus meinem Auto heraus hatte ich durch das hohe Fensterglas perfekte Sicht auf das Foyer von Green Energy. Ich hatte nur einen kurzen Blick erhaschen können, dann hatte schon der Aufruhr im Gebäude begonnen.

Seit Tagen observierte ich das Gebäude in der Hoffnung, Cara anzutreffen und ihr die Haut über den Schädel zu ziehen. Es hatte keine einzige verdammte Spur gegeben. Harlow und Cara waren wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Niemand in der Stadt hatte etwas gesehen oder gehört. Niemand hatte mir weiterhelfen können. Nicht einmal Caras verschissenes Handy hatten wir orten können, also hatte ich mich auf die Lauer gelegt. Ich hatte hier vor dem Büro gesessen und Mikael hatte Caras Wohnung observiert. Irgendwo musste die Schlampe ja auftauchen.

Ich schubste jeden Menschen, der mir in die Quere kam zur Seite. Meine Hand lag um den Griff meiner Waffe, bereit diese aus dem Hosenbund zu ziehen und jeden niederzuschießen, der mich von meiner Frau fernhielte.

Dann sah ich sie endlich. Strohig klebten ihre blonden Strähnen an der Stirn, die mit Blut besudelt war. Ihre Lider waren geschlossen. Blass leuchtete ihre Haut. Vor ihr ging ich in die Knie. Ihr ganzes Oberteil triefte vor Blut.

„Einen Krankenwagen. Sofort", brüllte ich nach hinten und drückte panisch meine Hände auf ihren Bauch, nachdem ich alle ihre Verletzungen erfasst hatte.

„Komm schon, Sweetness. Zeit zum Aufwachen. Du musst aufwachen", rief ich ihr zu, aber Harlow reagierte nicht. Sie bewegte sich noch nicht einmal.

„Baby. Wach auf. Tu mir das nicht an", bettelte ich. Ich war bereit, solange zu betteln, wie sie es brauchte. Nur damit sie erwachte. So durfte es nicht mit ihr zu Ende gehen. So durfte es nicht mit uns enden. Sie war zu jung und zu schön dafür. Harlow war eine Bereicherung für diese Welt. Ich müsste dort liegen. Ich müsste sterben und ich würde es sofort tun, wenn ich mit ihr tauschen könnte.

Immer wieder murmelte ich ihren Namen, presste weiter meine Hände auf ihren Bauch. Ich brauchte sie. Ich brauchte sie mehr als alles andere. Ich würde alles aufgeben, solange sie das hier überlebte. Ich hatte sie gesucht verdammt nochmal. Ich hatte jeden Winkel in dieser Stadt umgekrempelt und meine Frau nicht gefunden, dabei hatte sie das Gebäude nie verlassen. Wie hatte ich das außer Acht lassen können? Ich hatte versagt. Verdammt nochmal, ich war nicht einmal fähig meine eigene Frau zu beschützen. Kein Wunder, dass sie jetzt in meinen Händen verblutete. Ich war schuld daran.

„Harlow, tu mir das nicht an. Ich schaffe es nicht ohne dich. Baby, bitte. Du bekommst von mir alles, was du dir wünscht. Halte bitte durch", flehte ich den leblosen Körper vor mir an.

Ich bekam keine Antwort. Wo blieben die verdammten Sanitäter? Sie brauchte Hilfe. Scheiße, nochmal. Das war keine Situation, die ich lösen konnte. Keine Kugel, kein Messer, keine Faust konnte ihr helfen. Mehr als das hatte ich ihr nur nicht zu bieten. Das hier müsste mein Schicksal sein. Wie oft war ich schon in eine Situation geraten, die ausweglos schien. Bei jedem verschissenen Straßenkampf war ich dem Tode gerade so von der Schippe gesprungen. Meine Leiche müsste eigentlich in der Gosse verrotten. War das vielleicht meine Strafe dafür, dass ich den Tod betrogen hatte? Sollte ich dafür das verlieren, was mir zum ersten Mal mehr bedeutete als mein eigenes erbärmliches Leben?

„Ich liebe dich, Sweetness. Also bitte, bitte kämpfe für mich", flüsterte ich verzweifelt an ihrem Körper.

Sie blieb still. Nicht einmal diese Worte schafften es, Harlow zu erwachen zu bringen. Meine Gefühle für sie würden sie nicht retten. Sie hatten sie erst in diese Situation gebracht. Ich war Gift für jedes Lebewesen auf dieser Welt.

Sein zerbrechlicher BesitzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt