Mein Herz steckte vielleicht doch tiefer in der Scheiße,
als ich mir eingestehen wollte.
>> Harlow <<
Seit Waylen verschwunden war, kämpfte ich gegen ruhelose Nächte an. Ich machte mir Sorgen. Mit meiner Mutter telefonierte ich fast täglich. Ich musste mich einfach vergewissern, dass es ihr gut ging. Ich musste hören, dass sie noch atmete.
Zudem fühlte ich mich in letzter Zeit immer häufiger beobachtet. Nur konnte ich den Ursprung meines Unbehagens nicht ausfindig machen. Ich sorgte mich nicht wirklich um mich, denn John war immer zur Stelle, wenn ich das Haus verließ. Er folgte mir wie mein zweiter Schatten und spendete mir ein Stück Sicherheit in einer sonst chaotischen Zeit meines Lebens.
Was mich viel mehr beunruhigte, war die Sorge um Waylen. Er geisterte in meinem Kopf herum und es machte mich nervös, dass er nicht für mich greifbar war. Ich wollte sein Gesicht sehen, seine Hand halten und seine Lippen küssen. Dieses Gefühl konnte nur eines bedeuten: Mein Herz steckte vielleicht doch tiefer in der Scheiße, als ich mir eingestehen wollte.
Das Licht des Mondes bahnte sich ungehindert einen Weg durch die glänzenden Scheiben, sodass ich keine Lampe einschalten musste, um mich durch das offene Wohnzimmer zu bewegen.
Die kalte Scheibe drückte gegen meine Wange, als ich meinen Kopf gegen die Scheibe lehnte, und nach Draußen blickte. Auf der Straße war keine Menschenseele zu entdecken. Es war so leer, wie ich mich fühlte.
Erneut wunderte ich mich über die Wendungen der letzten Wochen. Ich war allein gewesen, hatte mich in meiner Wohnung eingeigelt und hatte diese kaum Verlassen. Nur so viel, dass es nicht auffiel. Nur so oft, dass Niemand zu viele Fragen stellte. Jetzt lebte ich quasi bei einem Mann, über den ich so gut wie nichts wusste.
Plötzlich schlug mein Herz schnell in der Brust. Gänsehaut floss über meinen Körper. Ich drückte meinen Rücken durch in Bereitschaft herumzuwirbeln und den nächstbesten Gegenstand zu ergreifen.
„Sieh nach vorn", befahl eine Stimme hinter mir.
Mein Körper hörte eine andere Melodie als mein Geist. Meine Muskeln hatten längst begriffen, wer hinter mir stand. Sie wurden nachgiebiger, verloren die Anspannung des ersten Schrecks. Nur langsam sickerte seine Stimme in mein Bewusstsein und nahm mir das letzte bisschen Angst.
Ich gehorchte. Meine Wange klebte nicht mehr an der Scheibe, doch ich sah noch immer hinaus. Seine Schritte hallten durch den Raum. Direkt hinter mir blieb er stehen. Ich sah seine Reflexion im Fensterglas. Selbst das verschwommene Bild seines Antlitzes war zum Niederknien schön. Seine Hitze strahlte in meinen Rücken.
Mein Herz setzte einen Schlag aus, nahm jedoch dann an Fahrt zu. Erwartungsvoll pochte es gegen meine Rippen und wartete auf seinen nächsten Zug.
Seine rauen Finger streichelten über meine Schulter hinunter bis zu meinem Handgelenk. Fest ergriff er meine Hand, um sie gegen die Scheibe neben meinem Gesicht zu pressen. Er wiederholte die Prozedur auf der anderen Seite, bis auch die andere Hand symmetrisch zur Rechten an meinem Kopf lag.
Fast spürte ich seine Vorderseite an meinem Rücken. Meine Lippen teilten sich. In seiner Nähe erreichte nicht genug Sauerstoff mein Gehirn. Ich versuchte mehr Luft durch den geöffneten Mund zu ziehen, aber der Nebel in meinem Kopf lichtete sich nicht.
„Waylen", wisperte ich, weil ich es nicht mehr ertrug, dass er mir so nah war, aber mich nicht weiter berührte.
„Sweetness", antwortete er auf meinen Ruf.
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Sein zerbrechlicher Besitz
RomanceEr sieht sie. Er kennt sie. Jeden verdammten Aspekt ihres Lebens. Er ist besessen und Harlow ist sein nächstes Opfer. Sie sollte sich fürchten. Sie sollte sich Hilfe holen, doch dafür ist es bereits zu spät.