»Wer als Erster bei der großen Eiche ist, bekommt den ersten Schuss!«, rief Ruinith über ihre Schulter, als ihr wendiger Rappe schon losgeprescht war und nur eine Staubwolke hinterließ.
Empört über ihren unfairen Start, trieb Legolas Linnod schnell an und galoppierte hinterher. »Noro lim«, flüsterte er dem Pferd auf Sindarin zu und es gehorchte.
»Hey!« Einer der Zwillinge, er konnte sie allein an der Stimme nicht unterscheiden, bellte eine gespielte Drohung – was womöglich daran lag, dass Legolas ihm den Weg abgeschnitten hatte –, hetzte seinen Schimmel jedoch auch bald voran.
Die vier jagten durch den Wald, jeder sein Pferd zur Höchstleistung antreibend. Hufschläge trommelten auf den Boden und zerdrückten die letzten Schneereste, die nach dem Tauwetter noch übriggeblieben waren.
Es war Frühling; erste Blumen sprossen unter den knospenden Bäumen und ein reiner, süßer Duft lag in der Luft, den die empfindlichen Nasen der Pferde beim ersten Blühen gespürt hatten. Es hatte die Tiere hinausgedrängt und Menschen und Elben hatten sich anstecken lassen. Die latente Müdigkeit des Winters verdrängt von der Lebhaftigkeit des Frühlings, zog es sie in die Natur auf die Jagd. Und die drei Elben hatten es sich nicht zweimal sagen lassen, als die junge Waldläuferin sie gefragt hatte, ob sie sich ihr anschließen wollten.
Legolas entwich ein frohes Lachen, als er den überraschten Blick sah, den sie ihm zuwarf, während er sie rechts überholte. Erinnere dich daran, wie man lebt, hatte Aragorn gesagt und er wollte sich daran halten. Seine Wunde schmerzte nicht mehr, die Albträume waren nicht zurückgekehrt. Nichts hielt ihn auf.
Die Wärme, die von Linnods Rücken ausging, das helle Sonnenlicht und die kleinen Flecken an Grün, die am Wegesrand aufleuchteten wie Smaragde in einer Zwergenmine – all das belebte seinen Geist und seinen Frohsinn. So musste es sich anfühlen, ein junger Mensch zu sein. Alles war flüchtig, aber von solcher Schönheit, dass es genügte, diesen Moment einmal zu erleben und dann nie wieder. Dafür lohnte es sich zu leben.
Die Peredhil-Brüder holten auf, er bemerkte es am Schnauben der Pferde und den ausgestoßenen Flüchen hinter ihm. Auch Ruinith war schneller geritten, als er sie überholt hatte. Nun waren sie etwa gleichauf und das wahre Rennen konnte beginnen.
»Schneller!« Ruiniths schwarzer Zopf flog im Wind dahin wie eine vorbeihuschende Schlange, dann war sie wieder vor ihm, eine Pferdenase Vorsprung. Ihr Pferd war kleiner und wendiger, doch dafür besaß Linnod die Kraft, im Galopp ewig seine Geschwindigkeit zu halten. Aragorn hatte ihm ein gutes Pferd geschenkt, vielleicht eines seiner besten. Diesen Vorteil musste Legolas nutzen, wenn er gewinnen wollte.
Im Eiltempo rasten sie durch das Unterholz, Stöcke und Eichelschalen zerbrachen unter den Hufen ihrer Pferde und Vögel flohen mit zornigem Gezwitscher. Der Weg zur Eiche war bereits mehr als zur Hälfte zurückgelegt.
Legolas riskierte einen Blick nach hinten, dann zur Seite. Elladan und Elrohir hatten aufgeholt, kamen jedoch nicht an ihm und Ruinith vorbei, weil sie den wenigen Platz zwischen den Baumstämmen blockierten. Ruiniths Pferd war bereits erschöpft. Schaum tropfte ihm vom schwarzen Maul und sie musste es zügeln, damit es sich nicht verausgabte.
DU LIEST GERADE
Edennil (Herr der Ringe/Silmarillion Fanfiction)
FanfictionEdennil - Freund der Menschen Nach der Schlacht der Fünf Heere begibt sich Legolas auf die Suche nach dem geheimnisvollen Streicher, den sein Vater erwähnte. Dabei findet er nicht nur eine Freundschaft fürs Leben, sondern auch ein zweites Zuhause. Z...