55 | Willst du, dass es besser wird?

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Taehyung

Die Stimmen der anderen drangen gar nicht wirklich zu mir durch, ich war wie in Wolken gefangen. Das Lachen und die Worte lösten nichts in mir aus. Keine Freude, keine Trauer, kein Glücksgefühl. Nichts. Ich war innerlich so leer und so erschöpft, dass mir nichts Freude bringen konnte. Wir alle saßen im Wohnzimmer und die anderen hielten einen Pot Ramen in der Hand, dass Namjoon uns vorhin vorbereitet hatte.  Nur Hoseok war nicht bei uns. Anscheinend war er jetzt wo wir mehr Zeit hatten mehr bei Ahri. Ob sie seine Freundin war wusste ich nicht. Vielleicht hatte er es erzählt, aber ich bekam nicht mehr viel mit. Ich war ein schlechter Freund. 
"Liebling, willst du nicht ein bisschen essen?", flüsterte mir Jungkook zu und drückte leicht meine Hand. Das war das einzige was ich fühlte. Dieses Kribbeln, wenn er mit mir sprach, mich berührte oder auch nur in meiner Nähe war. Er war auch der einzige Grund warum ich noch hier war. 
Kurz blickte ich hoch und sah in seine besorgten Augen. Meinen Plastikbecher hielt ich in der Hand aber aß nichts davon. Er war immer noch randvoll. Ich zuckte nur mit den Schultern und stocherte dann doch leicht mit den Stäbchen in der dicken Pampe herum. Sie standen schon so lange, dass all die Flüssigkeit von den Nudeln aufgesogen wurde und nur noch durchgeweicht war. Es sah ekelhaft aus und mein Magen drehte sich allein bei dem Anblick um. Um Kookie zu beruhigen nahm ich einen kleinen Bissen und quälte es meinen Hals hinunter. Daraufhin bekam ich gleich ein Lächeln von ihm. Wenigstens ging es ihm besser, das war schön. Ich erwiderte sein Lächeln, einfach nur, weil er es war. Ich wollte eigentlich nur ins Bett, das Licht ausmachen und die Welt hinter mir lassen. Die Müdigkeit saß mir in den Knochen.
"Ich werde ins Bett gehen.", sagte ich dann plötzlich, nachdem ich den ganzen Abend geschwiegen hatte.
"Jetzt schon? Es ist erst 8 Uhr.", meinte Jin und sah mich genauso besorgt und mitleidig an wie die anderen.
"Ja, ich bin müde." Damit stellte ich die Nudeln auf den Tisch vor mir und verließ das Wohnzimmer. Meine Beine fühlten sich wackelig und schwach an. Vielleicht lag es daran, dass ich schon lange nicht mehr genug aß. Ich schämte mich für meinen schwachen Geist.

"Wer sieht nach ihm?", fragte Jimin, als er dachte, dass ich sie nicht mehr hören konnte.
"Ich kann gehen.", erklang Yoongis Stimme nach ein paar Sekunden Stille. Schmerzhaft wurde mir wieder klar, dass ich nur eine Belastung für sie war. Keiner wollte zu mir kommen. Nicht dass ich es wollte aber ich wollte, dass sie es wollen. Erschöpft setzte ich mich auf die vorletzte Stufe im Dunkeln und lehnte meinen Kopf an das kühle Geländer. Eigentlich war es mir egal was sie über mich sagten, es machte sowieso keinen Unterschied mehr. Ich lag am Boden und kam nicht mehr hoch.  

Nachdem ich ihren Gesprächen über mich noch ein paar Momente gelauscht hatte hörte ich plötzlich wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Überrascht blickte ich zur Tür, in der Hobi erschien. Ich fühlte mich komischerweise ertappt, obwohl ich gar nichts Verbotenes tat.
Sein Blick wechselte von verwundert zu sanft als er mich im dunklen Vorraum sitzen sah. Schnell zog er sich seine Schuhe und Jacke aus, legte seine Schlüssel auf den Tisch und kam dann zu mir; setzte sich still neben mich. 
Er sagte nichts, lauschte mit mir gemeinsam den anderen, die immer noch über mich sprachen. Darüber, dass sie den Therapeuten anrufen sollten, um mit mir zu reden. Als wäre es so leicht. 
Hobi sah mich nicht an, gab keinen Kommentar dazu, sondern griff nur meine Hand, verschränkte sie mit seiner und drückte sie leicht. Die Berührung war sanft und tröstete mich im Moment so sehr. Ohne es zu wollen rann mir eine Träne über die Wange. Leise schniefte ich und versuchte die Gefühle zu ignorieren, die in mir aufkamen, wenn er meine Hand hielt. Ich fühlte mich wohl und geborgen und auch irgendwie verstanden. Es war schmerzhaft zu wissen, dass ich scheinbar doch nicht so tot war, wie ich mich meistens fühlte. Ich hasste es zu wissen, dass mich doch noch etwas anderes außer Kookie hier hielt. Obwohl es mich traurig machte, breitete sich auch eine Art Erleichterung in mir aus. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren.
Stumm drehte er sich zu mir und legte seinen Arm um meine Schulter, bevor ich vollständig gegen ihn sank und in seine Schulter weinte. 

Hoseok
Still strich ich Tae über seine weichen Haare während er sich bei mir ausweinte. Ich musste mich wirklich zusammenreißen nicht mit ihm zu weinen. Es klang so schmerzvoll und verloren, dass sich mein Inneres zusammenzog. Unaufhörlich strichen meine Hände über seinen Rücken. Was musste bei ihm wohl im Kopf vorgehen, welche grausamen Qualen musste er ertragen. In meinen Gedanken versunken merkte ich nicht wie sich uns Schritte näherten.
Yoongi erschien plötzlich im dunklen Vorraum und blieb überrascht im Türrahmen stehen. Kaum merkbar schüttelte ich den Kopf und wies ihn damit an wieder zu gehen. Ich konnte ihn hier gerade absolut nicht brauchen. Sie alle redeten über ihn als wäre er ein Kleinkind oder nicht mehr fähig selbst zu denken oder zu handeln. Er war immer noch Tae. Unser Tae, der momentan eine unfassbar schwere Zeit durchstehen musste aber er war kein Projekt von den anderen. 
"Wir schaffen das, Taehyung.", flüsterte ich in sein Ohr, wiegte ihn dabei leicht. "Alles wird wieder gut."
"Hobi?", sprach er so leise, dass ich genau hinhören musste, um ihn zu verstehen.
"Ja?"
"Ich kann nicht m-mehr." Er schluchzte auf. Jetzt konnte ich nicht mehr verhindern, dass mir eine kleine Träne über die Wange kullerte. Der Gedanke an eine Welt ohne ihn war unvorstellbar aber gerade trafen mich seine Worte wie eine Wucht. Jeder Moment in dem er alleine war, könnte sein letzter sein. Es machte mir unfassbare Angst, dass er so kurz davor war. Dass er es so sehr wollte.
"Ich weiß, Tae." Ich versuchte ihn irgendwie zu beruhigen, obwohl ich darin absolut schlecht war. "Es wird leichter werden. Wenn du anfängst Hilfe zuzulassen, dann können wir das gemeinsam überwinden. Willst du, dass es besser wird?" Ich drückte ihn leicht von mir weg und sah in seine tränengefüllten Augen. Sie waren so verloren. Er brachte ein knappes Nicken hervor, was eine Welle der Erleichterung durch meinen Körper fließen ließ. Sofort fiel ein Teil meiner Panik ab, obwohl ich wusste, dass er noch lange nicht sicher und gesund war. 
"Dann werden wir kämpfen, Taehyung. Scheiße verdammt, wäre ja gelacht wenn wir das nicht schaffen würden."
Sein trauriges aber unschuldiges Kichern ließ meine letzten Zweifel verfliegen, obwohl  meine Angst riesig war.

If you can't beat the fear, just do it scared.

fünfundzwanzig| jjk.kthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt