61| Wunder

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Jimin pov

"Army!", rief ich in das Mikrofon und meine Stimme hallte durch die riesige Halle, die mit tausenden von Menschen gefüllt war. Die Lichter der Army Bombs mischten sich zu einem glitzernden Meer aus strahlenden Kugeln. Ich musste lächeln und wurde so sentimental, dass mir beinahe eine Träne über die Wange gekullert wäre. Ein Arm legte sich um meine Schulter und ich sah direkt in Jungkooks Augen. Er umarmte mich lachend, sein warmer Atem war an meinem Ohr zu spüren. Die Menge tobte.
Als die ruhigen Töne von unserem letzten Lied erklangen, rollte mir wirklich eine einsame Träne die Wange hinunter. Damit war unsere Korea Tour beendet, nach fast 4 Monaten und unendlich vielen Proben, Trainingsstunden und schlaflosen Nächten. Die Zeit war trotzdem rasend schnell vergangen aber die Fotos und Videos auf meinem Smartphone spiegelten die glückliche Zeit wider, die wir hatten. Immer wieder lernten wir neue Tänze, waren neu gestylt und konnten neue Musik schreiben. Yoongi hatte sich sogar Zeit genommen und mir ein Klavierstück komponiert, zu dem ich tanzen konnte. Es war schon länger ein Traum gewesen, wieder mit Contemporary anzufangen, aber ich war immer zu gestresst. Erst durch sein Engagement hatte ich die Motivation gefunden mich aufzuraffen. Seit der ganzen Zeit, war er mein Anker und derjenige, bei dem ich meine Sorgen abladen konnte. Leicht lächelnd beobachtete ich ihn, wie er mit scheinbar kühlem Blick auf den Bildschirm sah, aber die Wärme sprühte aus ihm heraus.
Namjoon sprach gerade ein paar Worte, während mein Blick auf Jungkook auf dem großen Bildschirm gerichtet war. Er lächelte breiter als zuvor, seine Haut glänzte golden und die Haare hingen locker in sein Gesicht. Er sah toll aus, wie immer. Die Fans kreischten. Für ungeübte Augen mochte er wohl glücklich aussehen aber ich kannte ihn. Ich konnte es in seinen Augen sehen, die Traurigkeit und die Sehnsucht. Er versuchte es zu überspielen, stark zu sein, der Alte zu sein, aber er war es nicht. Ganz und gar nicht. Seit Taehyung vor 5 Monaten in die Klinik kam, hatten wir gehofft, dass alles wieder gut werden würde. Wir hatten wirklich Hoffnung, keine geheuchelte, unechte. Nein, wir waren alle der Meinung, dass Tae jetzt wieder gesund wurde. Bis dann der Anruf kam. 

Es war ein Dienstag. Ein stinknormaler Dienstag um 10 Uhr morgens und wir alle waren noch am Schlafen, oder, wie Namjoon, am backen. Er hatte es als seine Art damit fertig zu werden genutzt. Unser Leader hat das Telefonat angenommen und wenn ich gewusst hätte, was kommt, wäre ich am liebsten gar nicht aufgewacht. 
Er hatte es wieder getan. In der Privatklinik, in die wir ihn geschickt hatten, weil alle dachten es war das Richtige für ihn. Wir dachten, wir wüssten was in ihm vorging, als hätten wir das Recht über ihn zu bestimmen.
Dieses Mal war er auf Nummer sicher gegangen, wollte wirklich sterben. Es war kein Schrei nach Hilfe mehr, sondern ein Schrei nach Erlösung. Er hatte sich seine Unterarme tief aufgeschnitten, aus denen das Blut strömte wie aus einem Wasserfall. Es war praktisch unmöglich ihn zu retten, das hatten die Ärzte gesagt. Es wäre ein Wunder, wenn er es schaffen würde. Ein paar Tage später hat uns der Arzt dann einen Zettel gegeben - Taehyungs Abschiedsbrief. Schon als ich den Zettel angefasst hatte, konnte ich nicht aufhören zu weinen. So einen Schmerz hatte ich noch nie gefühlt. 

"Niemand hat Schuld, außer ich selbst." Das hatte er als erstes geschrieben und ich wusste, dass es eine Lüge war. Er war nicht daran Schuld. Die Medien waren das, die Hater waren schuld, die Neider, vielleicht auch seine Familie und ja, auch wir trugen Schuld. Sie fraß sich in meinen Körper und saß dort fest. Jeden Tag wenn ich aufwachte, erinnerte sie mich daran was passiert war. Und jeden Abend bevor ich schlafen ging, hielt sie mich von meinem Frieden ab. Mir war nicht klar, was ich angerichtet habe, denn erst als es zu spät war, wusste ich, was ich anders hätte machen sollen. Aber vielleicht war das nur mein kläglicher Versuch mein Selbst zu retten, mir einzureden, dass ich es hätte verhindern können. 
"Bitte verzeiht mir.", war sein letzter Satz. Die zittrige Handschrift verriet seinen Zustand, als er diese Zeile verfasst hatte. 

Als wir Kinder waren und nebeneinander in der Schule saßen, hat Taehyung immer Fotos von düsteren Wäldern gemacht und sich ausgedacht, welche Kreaturen darin lebten. Am liebsten mochte er das Honigkuchenpferd, weil seine Oma immer gesagt hatte, dass er wie eines lächelte. Er hatte mir sein Honigkuchenpferd als gelbes Pony beschrieben, dessen Mähne aus flüssigem Honig gemacht war und seine Pferdeäpfel waren leckerer Honigkuchen. An diesen Moment dachte ich täglich zurück. Jedes Mal, wenn ich in der Nacht grübelte, kam mir Taehyung und sein Honigkuchenpferd in den Sinn. 
"Taehyung, so etwas wäre ein Wunder.", hat unserer Lehrerin immer zu ihm gesagt, als er seine Fantasiegeschichten mit der Klasse geteilt hat. Die meisten Kinder haben gelacht, nur ich nicht, weil ich wusste, dass Taehyung Recht hatte. Nicht mit dem Honigkuchenpferd, das im Zuckerwald wohnte, sondern damit, dass man nie zu alt war, um an Wunder zu glauben. 

Ja, Taehyung war jemand, der an Wunder glaubte. Und dank Taehyung, tat ich das auch.

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Almost done, Freunde

fünfundzwanzig| jjk.kthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt