"Denkst du darüber nach dir etwas anzutun?"
Nach den Worten meines Psychologen trat ein paar Minuten Stille ein. Ich starrte einfach nur schweigend auf eine Stelle vor mir auf den Boden. Ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte. Eigentlich wollte ich ja sagen, es schreien und ihm klar machen, wie sehr ich mir wünschte zu sterben. Wie oft ich jeden Tag daran dachte, aber keine Möglichkeit dazu bekam. Aber wenn ich es ihm sagen würde, dann müsste ich bestimmt zurück ins Krankenhaus, wahrscheinlich in die Psychiatrie und dort bleiben. Für wer weiß wie lange. Ich schluckte und strich mir nervös über meinen Arm.
"Du kannst ehrlich mit mir sein, Taehyung." Ein aufmunterndes Lächeln. Tief holte ich Luft, dachte an Hobi und an unser Gespräch vor ein paar Tagen. Du musst Hilfe zulassen.
"Ja.", presste ich schließlich hervor und traute mich nicht ihn anzusehen. Ich schämte mich so sehr.
"Wie oft am Tag?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Oft."
"Und wann sind diese Gedanken am stärksten?"
Ich dachte nach, versuchte mir die Situationen auszumalen.
"Wenn ich eine Möglichkeit sehe." Ich stoppte. "Oder wenn ich alleine bin."
"Du meinst ein Messer, Tabletten, sowas?"
Ich nickte. "Aber auch nur ein offenes Fenster oder ein Waschbecken...eigentlich sehe ich überall eine Möglichkeit."
"Mhm, verstehe." Nachdenklich legte er seine Notizen vor sich hin und lehnte sich im Sessel zurück.
"Können dich die anderen alleine lassen, ohne, dass du dir was antust?", fragte er mitfühlend und schlug seine Beine übereinander.
Konnten sie das? Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe. Mir war klar, dass wenn ich länger alleine war definitiv nicht sicher vor mir selbst war. Es war nicht so schlimm wie im Krankenhaus aber ich spürte, dass ich eine Gefahr für mich selbst war, so viel war klar.
"Ich weiß nicht.", flüsterte ich ehrlich und schluckte den Klos in meinem Hals hinunter. Er war schon die ganze Zeit da, immer wenn ich mit jemandem darüber reden musste.
"Taehyung, ich stelle dir jetzt eine Frage und ich möchte, dass du ganz objektiv antwortest. Als wäre es zum Beispiel Jungkook oder Jimin anstelle von dir, okay?"
Ich nickte, war irgendwie aufgeregt was jetzt kam.
"Denkst du eine Zeit lang in eine Klinik zu gehen würde dir helfen?" Sobald er die Worte aussprach wollte ich schon meinen Mund in Protest öffnen, dachte bei seinem ernsten Blick dann an die vorherige Bedingung. Was wäre wenn es Jungkook wäre? Würde ich es wollen?
Objektiv, Taehyung. Ganz objektiv.
"Ich...ich, weiß nicht. Ich glaube nicht, dass ich mich dort wohlfühlen kann. Ich brauche einfach meine Freunde um mich, meinen Freund. Ich kann nicht dort bleiben ohne jemanden zu haben, bei dem ich mich sicher fühle.", gab ich dann ehrlich von mir. Es war nicht in Panik ausgesprochen, sondern was ich wirklich darüber dachte.
"Was denkst du, wie könntest du hier bleiben aber gleichzeitig sicher sein?"
Ich wusste es ehrlich nicht, konnte nicht verlangen, dass ab jetzt 24 Stunden am Tag jemand bei mir war und auf mich aufpasste. Das wollte ich auch gar nicht.
Also zuckte ich nur mit den Schultern. Die Antwort war mir wie Schuppen von den Augen gefallen. Ich konnte nicht gesund werden ohne in eine Klinik zu gehen, dafür war ich zu tief drinnen. Trotzdem sträubte sich alles in mir den Gedanken zuzulassen. Die Vorstellung ließ mein Blut gefrieren.
"Ich gebe dir eine kleine Hausaufgabe mit, Taehyung."
Ich kam zurück aus meiner Trance und sah ihn an.
"Bis zu unserem nächsten Termin überlegst du dir eine Lösung dafür und wenn du keine Lösung findest, dann werden wir uns nochmal an das Thema Klinik wagen. In Ordnung?"
Ich nickte stumm, konnte nicht protestieren weil ich wusste, dass es so sein musste.
"Und wenn du dich nicht sicher fühlst, dann ruf mich bitte an. Auch mitten in der Nacht. Ich bin zu jeder Zeit für dich da." Sein sanftes Lächeln beruhigte mich etwas.
"Okay.", flüsterte ich und stand dann auf, ignorierte die schwarzen Punkte vor meinem inneren Auge. "Danke."-
Als ich zuhause ankam schien keiner da zu sein. Alles war still, unheimlich still aber trotzdem irgendwie friedlich. Ich seufzte leise und stellte meine Tasche auf den Boden. Doch während ich mich auszog hörte ich plötzlich doch ein Geräusch. Es klang wie ein Schluchzen und ließ mich aufhorchen. Es kam aus der Küche, es war ganz deutlich. Leise tappte ich in Richtung der Türe. Ja - es weinte definitiv jemand, das wurde deutlicher je näher ich kam.
Schluckend drückte ich die Klinke hinunter und öffnete die Türe. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen als ich Jungkook am Tisch sitzen sah. Sein Rücken war mir zugewandt und er hatte sein Gesicht in seine Hände vergraben während er weinte. Immer wieder schüttelten Schluchzer seinen Körper. Es fühlte sich so an als würde ich seinen Schmerz fühlen. Ohne zu zögern ging ich von hinten auf ihn zu und legte meine Arme um seine Schultern. Ganz kurz versteifte er sich, bevor er mich scheinbar identifizierte und wieder entspannte.
"Kooks.", flüsterte ich in sein Ohr und drückte ihn fester, versuchte ihm Sicherheit zu vermitteln.
Er sagte nichts, griff weiterhin weinend meinen Arm und zog mich zu sich. Ich wartete still auf seine nächsten Handlungen, wollte ihn nicht drängen. Er schob nur seinen Stuhl etwas zurück, legte seine Arme um meine Taille und hob mich auf seinen Schoß. Ich ließ ihn in meine Halsbeuge weinen, spürte die heißen Tränen auf mir, streichelte seinen Nacken und spielte mit seinen Haaren. Immer wieder flüsterte ich ihm beruhigende Dinge in sein Ohr, die ihn wirklich zu beruhigen schienen, denn irgendwann atmete er nur noch zittrig ein und aus. Aber loslassen wollte er mich nicht, ich war weiterhin so nahe an ihn gepresst, dass kein Blatt zwischen uns passen würde. Doch ich wollte gar nicht, dass er sich von mir löste. Ich wollte für ihn da sein, ihn trösten, sein Anker sein. Es gab nichts, was ich in meinem Leben lieber tun würde als sein zweiter Teil zu sein.
"Ich-." Er brach ab und atmete nur gegen meinen Hals.
"Du musst nichts sagen, Liebling. Ich bin da." Damit umarmte ich ihn noch etwas fester und genoss seine Finger, die meinen Rücken auf und ab tanzten.
"Ich habe Angst, Tae.", brachte er schließlich heraus. "Und ich weiß nicht, ob du dir vorstellen kannst wie sehr." Er drückte sich etwas von mir und sah mir in die Augen. Wir waren uns so nahe, dass sich unseren Nasenspitzen beinahe berührten.
Ich wusste, dass er Angst davor hatte, dass ich gehen würde. Dass ich ihn alleine lassen würde. Und die Verzweiflung in seinen Augen sprach tausend Bände. Aber auch die unendliche Liebe spiegelte sich darin und brachte Tränen in meine Augen. Niemals in meinem Leben hätte ich mir vorstellen können, dass so etwas existierte. Diese kitschige, alles überstehende Liebe. Ich seufzte und legte meine Stirn an seine.
Die Zeit schien still zu stehen. Es gab nur ihn und mich, als wäre es das einzig Richtige. Die einzige Wahrheit, die wir nicht leugnen konnten.Du bist meine Wahrheit, Jungkook.
Du bist die Zuversicht, die alle meine Zweifel bricht.Und in dem Moment war mir klar, dass ich gesund werden musste. Denn Jungkook war meine Zukunft und diese Zukunft wollte ich nicht verpassen.
Und wenn es dunkel wird, leuchtest du wie Sonnenlicht, völlig selbstverständlich für mich. Weißt du wie schön du bist?
"Ich liebe dich so sehr."
Denn du füllst jeden Raum mit Wärme.
"Noch nie hat jemand einen anderen Menschen so sehr geliebt, wie ich dich liebe.", hauchte er. Mein Herz überschlug sich, verzehrte sich nach ihm.
Es fühlt sich gut an, wenn du einfach all die Schwere nimmst. An jedem Ort zu jeder Zeit bist du zu lieben bereit, als gäbe es nichts zu verlieren. Als wär das ganz leicht.
"Mit einer Ausnahme."
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A little Twilight never killed nobody <3
Lyrics by "BERGE"
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fünfundzwanzig| jjk.kth
Fanfiction"Fünfundzwanzig Jahre. Ist das nicht ein beschissenes Alter? Eigentlich sollte man bei dieser Zahl Schluss machen. Oder nicht?" 30. Dezember. Seitdem der Stream auf V Live begonnen hatte, war nichts mehr wie es einmal war. Und es würde auch nie wied...