64 | Frieden

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Taehyung pov

In Gedanken versunken saß ich auf meinem Bett und spielte mit dem Armband an meinem Handgelenk. Die gesamte Situation machte mich nervös, fast schon ängstlich. Mir war klar, dass es keinen Grund gab, schließlich waren es meine Freunde aber das Gefühl ließ mich nicht los. Seufzend schüttelte ich meinen Kopf und ließ mich dann nach hinten fallen. Meine Gefühle waren heute anders als sonst. Die letzten Monate war es stetig bergauf gegangen, obwohl ich immer wieder Rückfälle hatte. Aber trotzdem ging es mir jetzt gut, ob man es gesund bezeichnen konnte, war mir noch nicht ganz klar. Besser; das war wohl das treffende Wort.
Heute war das erste Mal seit sechs Monaten, dass sie vorbeikamen. Nachdem ich den Selbstmordversuch in der letzten Klinik überlebt hatte, beschlossen meine Eltern mich wieder nach Hause zu bringen und in eine Spezialklinik zu stecken. Ich sollte ohne "Druck" heilen - so hatten sie es bezeichnet. Sonderlich gestört hatte es mich nicht, eigentlich war mir alles egal. Nichts konnte mir mehr Freude bringen, nicht Mal Jungkook. Wenn ich daran zurückdachte, dann war da nichts. Die Depression hatte ein Loch hinterlassen, es fühlte sich nicht normal an dort zu sein. Aber jedes Mal wenn ich wieder reinrutschte, dann war es, als wäre mein Leben sinnlos. Als wäre alles sinnlos; ich sinnlos. Zu sagen, dass ich nicht mehr depressiv bin, wäre eine Lüge. Aber trotzdem habe ich Fortschritte gemacht, verletzte mich nicht mehr selbst, und selbst meine Essstörung war besser geworden. Ja, ich habe eingesehen, dass ich auch damit Probleme hatte. Tagtäglich habe ich an meine zweite Familie gedacht, an meinen Freund. Obwohl ich nicht Mal mehr wusste, ob er noch mein Freund war. Es war nicht so als wären meine Gefühle für ihn verschwunden, eher wurden sie immer stärker, je besser es mir ging. Aber ihn so lange nicht mehr zu sehen, hatte vieles gedämpft und es bereitete mir ein paar Sorgen. 
"Taehyung, kommst du?" Die Tür wurde geöffnet und meine Psychologin, Eve, betrat mein Zimmer. Sie war die letzten Monate bei mir gewesen und beinahe schon wie eine "professionelle Freundin" geworden. Ich verstand mich gut mit ihr, sie war eine der wenigen Personen, die mich hier nicht nervten. 
"Deine Freunde sind da." Sofort pochte mein Herz in meiner Brust, was mich tief einatmen ließ. Es war, als würde mir die Luft wegbleiben.
"Ich habe Angst.", gab ich zu, als ich mich nur langsam vom Bett erhob.
"Was macht dir denn Angst?" Sie schloss die Türe hinter sich und lächelte mich sanft an.
"Dass alles anders ist. Dass sie mich nicht mehr brauchen." Ich schluckte. Ja, davor hatte ich Angst. 
"Wären sie denn so lange gefahren, nur um dich für eine Stunde zu besuchen? Wenn du ihnen egal wärst?", fragte sie und forderte meinen inneren Sklaventreiber heraus, der mich fertig machen wollte. 
"Wahrscheinlich nicht.", gab ich zu und seufzte. Sie hatte recht, ich machte mich nur selbst schlecht und diese Gedanken musste ich loswerden.
"Du hast recht, das macht keinen Sinn.", erwiderte ich selbstbewusster und lächelte dann. Ich konnte das schaffen, ich freute mich auf sie. Auf sie alle. Kurz blieb ich vor dem Spiegel stehen und musterte mein Outfit. Ich mochte es. Es harmonierte wunderbar und saß perfekt auf meinem nun normalen Körper. Ich sah gesund aus, eigentlich sogar ziemlich gut. 
"Okay, lass uns gehen.", sagte ich sowohl zu meinem Spiegelbild, als auch zu Eve. 

"Du kannst hier warten, sie kommen gleich.", lächelte sie und ließ mich in dem großen Aufenthaltsraum zurück. Er war heute leer, wahrscheinlich genau wegen dem Besuch. Schließlich gab es hier auch Fans, die mich belagerten und bei den anderen würde es nicht anders sein. Abgesehen davon, war der Raum sehr gemütlich, die großen weichen Sofas und Sessel vor dem Kamin machten das Zimmer heimelig. Die Bücher an den Wänden und das Klavier an der Seite erinnerte mich an die vielen Stunden, die ich hier drinnen verbracht hatte. Es war schön, obwohl es auch sehr einsam war. Nun strahlte die Sommersonne durch das Fenster und tauchte alles in eine helles Licht. Angespannt setzte ich mich im Schneidersitz auf das Sofa, schloss die Augen und genoss die warme Sonne auf meinem Gesicht. Ich öffnete sie erst wieder, als ich ein Geräusch von der Tür hörte.
Langsam linste ich durch meine Wimpern und sah in sechs bekannte Gesichter. Sofort stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht und mein Körper ließ Endorphine frei, die sich rasend schnell durch meinen Körper ausbreiteten. Plötzlich waren alle meine Sorgen verschwunden, verpufft in der Sommerluft und als ich aufstand, um sie weiter zu mustern, war ich wieder der Alte. Hobi und Jin lächelten, genauso wie Jimin nur hatte der Tränen in den Augen. Yoongi schmunzelte, nur Namjoon stand weiter hinten und lächelte nicht. Er sah eher schuldbewusst aus.
"Tae." Es war Jungkook, der endlich meinen Namen aussprach und einen Schritt nach vorne machte. Er sah so anders aus, so erwachsen, obwohl es nur ein paar Monate waren. Er hatte ordentlich an Muskeln zugelegt, auch die Tattoos an seinem Arm waren ausgeprägter. Die schwarzen Haare hingen wellig in seine Augen. Oh Gott sah er himmlisch aus.
Alles was vorher in meinem Innersten geschlummert hatte, die Gefühle, die meiner Meinung nach geschrumpft waren, brachen nun mit voller Wucht wieder hervor und rissen mir den Boden unter den Füßen weg. Mein Bauch kribbelte und die Gänsehaut raste über meinen Körper. Nervös spielte er mit seinem Lippenpiercing, lächelte verschmitzt. Es war zu viel. Ohne weiter zu warten, stürmte ich beinahe auf ihn zu und warf mich in seine Arme. 
Der vertraute Geruch überkam mich, verursachte Chaos in mir. Ich drückte meinen Kopf in seine Halsbeuge, küsste kurz seinen Hals und hielt ihn dann einfach nur fest. Genauso wie er mich. Mit starkem Griff hielt er mich bei sich, kraulte durch meine Haare und flüsterte immer wieder so schöne Dinge in mein Ohr. 
"Ich habe dich so vermisst, Liebling." "Du siehst so schön aus." "Ich liebe dich."
Es fühlte sich so an, als könnte uns nie wieder etwas trennen.
"Und ich dich erst.", flüsterte ich zurück, bewegte meinen Kopf dann einen Millimeter zurück, aber nur um meine Lippen auf seine zu drücken. Es kam so über mich, das Bedürfnis ihn so nahe bei mir zu spüren. Ihm schien es ähnlich zu gehen, denn er erwiderte meinen sehnsüchtigen Kuss sofort. Er schmeckte so, wie ich es in Erinnerung hatte. Nach Zuhause und ein kleines bisschen nach Kaffee. 
"Ich bin so froh, dass ich dich wiederhabe.", lächelte er und hielt mein Gesicht an meinen Wangen, drückte sie leicht zusammen. "Du siehst so gut aus, so gesund." Seine Augen glitzerten gefährlich, was mich nur glücklich schmunzeln ließ.
"Es geht mir auch gut, Kookie."
"Hey, wir haben ihn genauso lange nicht gesehen wie du.", meinte Hobi schmollend von hinten und ich musste lachen, bevor ich mich von Jungkook löste und zu den anderen ging. Jimin war der erste in meinen Armen, bevor die anderen folgten. Lange standen wir zusammen in der Gruppenumarmung, was mir so viel Kraft spendete. 
"Ich hab dich so lieb, Tae.", schniefte Jimin an meiner Schulter. Er drückte seinen schmalen Körper näher an mich.
"Ich dich auch, Chim.", nuschelte ich. "Euch alle." 

Fünfundzwanzig Jahre, um dort zu sein, wo ich hingehörte. Sein konnte, wer ich sein wollte. 

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whooop, whoop, 2 Kapitel noch :D 

fünfundzwanzig| jjk.kthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt