Teil 8

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Er war viel zielstrebiger auf den Stand, an dem man Schlittschuhe ausleihen konnte zugelaufen, als ich vermutet hätte. Als er den Weg eingeschlagen hatte, hatte ich meinen verdutzten Ausdruck wohl kaum verbergen können. Zum Glück war er aber vor mir hergelaufen, sodass er nicht hatte sehen können, wie sehr er mich überrascht hatte. Er wollte doch tatsächlich aufs Eis.

„Standen Sie schon einmal auf Schlittschuhen?", fragte ich, als wir beim Eingang zur Bahn standen. Die ganze Fläche war von einer Bande umrandet, die nur an zwei Stellen unterbrochen war, sodass man dort aufs Eis konnte.

„Nur ein einziges Mal und das ist schon richtig lange her. Damals wurde ich mehr oder weniger gezwungen, weil es ein Schulausflug war."

„Na, ich hoffe, dass Sie sich dieses Mal nicht gezwungen fühlen."

„Ein bisschen schon."

Ich verdrehte die Augen, aber dieses Mal achtete ich drauf, dass er das nicht mitbekam.

„Sie wissen schon, dass ich mich nur Ihretwegen gleich vollkommen lächerlich mache?"

Er warf mir einen Blick zu, den ich nicht recht deuten konnte. Ich war mir nicht sicher, ob er mir gerade ein Kompliment gemacht hatte oder sich darüber beschweren wollte, dass er sich nun auf die Eisfläche wagte und ich womöglich daran schuld war. Dabei hatte ich ja gar nicht versucht, ihn dazu zu überreden.

Ich ließ ihm den Vortritt und beobachte ihn neugierig dabei, wie er vorsichtig seine Schlittschuhe aufs Eis setzte und ein wenig an der Bande entlang glitt, um den Eingang freizugeben. Mit einer Hand hielt er sich fest. Als er einen sicheren Stand hatte, hob er den Kopf, um vom Boden aufzusehen und mir dabei zuzugucken, wie ich den ersten Schritt machte. Ich war keine Angeberin, aber mir war selbst klar, dass es bei mir wesentlich lockerer aussehen musste und ja, das genoss ich tatsächlich. Daher hielt ich mich bewusst von der Bande fern und drehte sogar ein paar Kurven, ehe ich mich unserem Gast wieder näherte. Zu meinem Erstaunen lächelte er mich freundlich an.

„Na wenigstens hat einer von uns beiden Spaß", sagte er und es klang überhaupt nicht zynisch.

„Wollen Sie da nur herumstehen, oder tatsächlich auch fahren?", fragte ich belustigt und war froh, dass er sich dadurch nicht persönlich beleidigt zu fühlen schien. Bei ihm wusste ich nie, wie ich mit ihm umgehen und mit ihm sprechen sollte.

„Ich hoffe, Sie lachen nicht über mich", sagte Herr Freisinger, als er sich vom Rand abstieß und unbeholfen wirkende Schritte machte.

„Nein, keine Sorge, ich lache nicht", versprach ich ernst.

Am liebsten hätte ich einfach für mich alleine ein paar Runden gedreht, aber das wäre wohl zu unhöflich gewesen. Ich wollte unseren Gast nicht einfach stehenlassen. Also lief ich im Schneckentempo neben ihm her. Wir kamen kaum voran. An uns kamen immer wieder Leute vorbei, die um uns herum ausweichen mussten.

„Ich bin Ihnen zu langsam, oder?", fragte Herr Freisinger nach einer Weile.

„Ich würde normalerweise schneller laufen, aber das ist schon okay", sagte ich.

„Sie müssen auch nicht die ganze Zeit neben mir bleiben. Ich möchte Ihnen ja nicht den Spaß verderben."

„Tun Sie nicht. Ehrlich gesagt, hätte ich überhaupt nicht damit gerechnet, jetzt gerade auf Schlittschuhen zu stehen."

Er lachte kurz auf. „Ich auch nicht."

„Aber Sie machen das wirklich gut. Dafür, dass Sie erst einmal gelaufen sind."

„Vielen Dank für die Blumen. Aber Sie müssen nicht extra nett sein."

„Ich meine das erst." Das stimmte sogar. Natürlich war er ziemlich langsam und wacklig unterwegs, aber das war ja auch nicht verwunderlich.

„Ich glaube Ihnen nicht", kam es mit einem Lachen zurück.

Er wirkte lockerer als sonst. Das wunderte mich zwar, aber natürlich würde ich mich nicht darüber beschweren.

Was als nächstes geschah, passierte viel zu schnell. Ich konnte gerade noch sehen, dass Herr Freisinger ins Straucheln geriet und spürte wie er nach mir griff. Ich versuchte ihn festzuhalten, wurde stattdessen aber von ihm mit runtergezogen. Von einer Sekunde auf die andere, lagen wir auf dem Eis. Ein Schmerz fuhr mir kurz durchs rechte Bein, auf dem ich seitlich gelandet war. Mit den Händen stützte ich mich auf und kniete mich hin.

„Ist alles in Ordnung?" Herr Freisinger schaute mich mit besorgtem Blick an. Seine Augen strahlten so viel Mitgefühl aus, wie ich es bei ihm nie erwartet hätte.

Ich nickte nur kurz, konnte seine Frage aber nicht beantworten, weil ich merkte, wie ich kurz vor einem Lachkrampf stand. Meine Mundwinkel zuckten, ich konnte ein kleines Schnauben nicht unterdrücken. Und irgendwann konnte ich auch das schallende Lachen nicht mehr zurückhalten. Ich prustete los. Und ich war mehr als erleichtert, als mein Gegenüber relativ schnell mit einstimmte.

„Es tut mir so leid", sagte er lachend. „Ich habe wirklich keine Ahnung, warum ich plötzlich den Halt verloren habe."

„Das kann ja passieren", sagte ich, als ich mich wieder ein wenig beruhigt hatte. „Bitte denken Sie nicht, dass ich über Sie lache. Das tue ich nicht."

„Ich könnte es Ihnen nicht verübeln."

Langsam rappelte ich mich wieder auf und beobachtete Herrn Freisinger dabei, wie er auch versuchte, wieder auf die Füße zu kommen. Allerdings sah das wenig elegant aus.

„Kann ich helfen?", fragte ich zum einen aus Höflichkeit, zum anderen, weil ich wirklich das Gefühl hatte, dass er keine Ahnung hatte, wie er aufstehen sollte, ohne nicht gleich wieder wegzurutschen und erneut auf dem Eis zu landen.

„Das geht schon", bekam ich als Antwort zurück.

„Wie kann man nur so stur sein?"

„Haben Sie mich gerade als stur bezeichnet?"

Ja, das hatte ich wohl. Das kam davon, wenn man ständig laut aussprach, was man dachte.

Wie um mir zu beweisen, dass er meine Hilfe nicht brauchte, rappelte sich Herr Freisinger nun richtig schnell wieder hoch. Nur hatte das den Effekt, dass er erst recht ins Straucheln kam. Er ruderte so stark mit den Armen, dass ich gar nicht anders konnte, als nach ihm zu greifen, in der Hoffnung, nicht wieder von ihm Richtung Boden gerissen zu werden. Doch dieses Mal kam es nicht dazu. Stattdessen fand er sein Gleichgewicht wieder, sodass wir uns schließlich gegenüberstanden. Ziemlich nah sogar. Seine braunen Augen waren wunderschön. Hatte ich das gerade wirklich gedacht? Ich ließ ihn abrupt los und merkte jetzt erst, dass auch er sich auch an mir festhielt. Er ließ seine Hände etwas langsamer sinken. Ich meinte aber immer noch, seine Berührung spüren zu können. Wieso reagierte ich so heftig auf ihn? Bestimmt, weil ich ihn nicht leiden konnte. Es musste einfach so sein. An eine andere Erklärung wollte ich lieber gar nicht erst denken.

„Danke", murmelte mein Gegenüber.

„Kein Problem", erwiderte ich, während ich den Blick seitlich an ihm vorbeigleiten ließ. Diese Augen brachten mich nur völlig durcheinander.

„Sollen wir eigentlich du sagen?"

„Was?" Jetzt sah ich ihn doch wieder an. Die Frage überraschte mich so sehr, dass ich kurz überlegte, ob ich mich wohl verhört hatte.

„Das müssen wir auch nicht", sprach Herr Freisinger schnell weiter, weil er vermutlich dachte, dass ich das nicht wollte. „Ich bin halt noch eine komplette Woche hier und ich vermute mal, dass wir uns noch öfter über den Weg laufen werden. Daher wollte ich das vorschlagen. Aber wie schon gesagt, das ist kein Muss."

„Von mir aus gerne", brachte ich heraus.

„Echt?" Er wirkte erstaunt, aber auch irgendwie froh, erleichtert? Ich war mir nicht sicher.

„Ja, warum nicht. Ich heiße Lara."

„Matheo."

Wir nickten einander kurz lächelnd zu. Es war seltsam. Vermutlich würde ich mich erst einmal daran gewöhnen müssen, ihn nicht mehr zu siezen. Aber ich hoffte, dass es ein gutes Zeichen war, dass der Vorschlag von ihm ausgegangen war. Vielleicht zeigte das, dass er sich hier ja doch gar nicht so unwohl fühlte, wie es am Anfang den Anschein gehabt hatte.

Die Adventsplanerin - Liebe im TraumzeithofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt