Teil 15

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„Also, was mache ich jetzt mit diesem Ding?"

Matheo drehte stirnrunzelnd den Holzstern in seiner Hand, den er vor ein paar Minuten überreicht bekommen hatte.

„Du klingst so, als würdest du den Stern am liebsten sofort in den nächsten Müllcontainer werfen."

Matheo lachte. „Nein, so schlimm ist er auch nicht. Aber ich weiß trotzdem nicht, wohin damit. Vielleicht verschenke ich ihn."

„Ja, wieso nicht."

Abrupt stoppte Matheo ab und blieb im Foyer stehen, in das wir eben gekommen waren. Er starrte mich ganz merkwürdig an.

„Was ist?", fragte ich genervt.

„Das wollte ich dich auch gerade fragen. Ich hätte von dir irgendeinen Kommentar dazu erwartet, dass ich den Stern verschenken und nicht selbst behalten möchte. Du magst es doch sonst so, darauf herumzureiten, dass ich solche Sachen nicht mag."

Tat ich das wirklich? Mir war das gar nicht so aufgefallen.

„Echt? Tut mir leid", murmelte ich.

Matheo schüttelte den Kopf und fing an zu grinsen. „Das war nicht als Kritik gemeint. Ich mochte das eigentlich immer."

Was redete er da? Er mochte es, wenn ich ihn dafür aufzog, dass er sich nicht auf Weihnachten freute und alles Adventliche verabscheute? Spielte er das etwa nur vor, weil er wusste, dass mich das wütend machte? War das seine Art, mich zu necken? Wenn ja, war das eine wirklich merkwürdige Art. Entgeistert starrte ich ihn an. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was ich sagen sollte. Dieser Kerl machte mich einfach nur sprachlos.

„Also irgendetwas hast du doch, oder?" Matheos Gesichtsausdruck hatte sich von Belustigung in echte Sorge verwandelt.

In der Tat war ich heute nicht wirklich ich selbst. Keine Ahnung, wie ich den Tag bisher überstanden hatte. Eben hatte ich einen Quiznachmittag durchgeführt. Wir hatten gefragt, ob die Gäste darauf Lust hatten und tatsächlich hatten sich viele dafür angemeldet. Es war lustig gewesen. Wir hatten hauptsächlich Fragen zum Advent und Weihnachten gestellt. Teilweise waren da richtig kuriose Sachen dabei gewesen. Matheo hatte auch teilgenommen. Er war sogar richtig gut gewesen und bis ins Finale gekommen, wo er verloren und am Ende als Trostpreis einen Holzstern überreicht bekommen hatte. Während des ganzen Nachmittags hatte ich Matheo nicht aus den Augen gelassen. Selbst dann nicht, als er einfach nur im Publikum saß und gerade beim Quiz gar nicht an der Reihe war. Ich hatte das erste Mal das Gefühl gehabt, dass er sich wirklich wohlfühlte. Es war anders als beim Backen oder bei der Kutschfahrt gewesen. Dieses Mal glaubte ich, dass er tatsächlich Spaß gehabt hatte. Aber komplett sicher war ich mir trotzdem nicht gewesen.

Mir ging das Gespräch mit Herrn Moisander nicht mehr aus dem Kopf. In ein paar Tagen würde Matheo abreisen und noch vor Heiligabend seinen Artikel über uns herausbringen. Und Herrn Moisander zuliebe hoffte ich, dass dieser äußerst positiv ausfallen würde. Aber wir hatten halt nicht mehr allzu viel Zeit, bis Matheo uns verlassen würde. Und ich spürte auch die Last auf mir, da man erwartete, dass ich ihn dazu brachte, bei unseren Adventsaktionen mitzumachen und später auch positiv darüber zu berichten. Und ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich einen Beitrag dazu leistete.

„Es ist alles in Ordnung", sagte ich nach einer Weile, denn ich konnte Matheo wohl kaum erklären, was in meinem Kopf vor sich ging. Da ich mich plötzlich extrem unwohl fühlte, erzählte ich ihm, dass ich noch einen wichtigen Termin hätte und mich daher verabschieden würde. Als ich jedoch die ersten Schritte von ihm weg machte, spürte ich, wie sich seine Finger um mein Handgelenk legten, um mich zurückzuhalten. Er ließ mich selbst dann nicht los, als ich mich zu ihm umdrehte. Ein Kribbeln zog sich von meinem Handgelenk hoch bis zu meinem Gesicht. Ich wusste nicht, ob ich mich losreißen oder für immer so stehen bleiben wollte.

„Ich will dich nicht einfach so gehen lassen", flüsterte Matheo. Er hatte mich ganz dicht an sich gezogen, sodass wir nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. „Ich spüre, dass irgendetwas nicht stimmt und wenn du mir nicht erzählst, was los ist, werde ich mir den ganzen Tag darüber Gedanken machen."

Während er das sagte, fuhr er beruhigend mit seinem Daumen über meine Haut. Es machte mich wahnsinnig, mit welch sanfter Stimme er auf mich einredete. Ich schluckte. Mein Hals war trocken, fühlte sich rau an. Mein Atem ging unregelmäßiger. Ich musste mich stark darauf konzentrieren, ihn wieder zu beruhigen. Mein Herz schlug so fest gegen meine Brust, dass ich meinte, man würde es hören.

„Okay, ich merke, dass du es mir nicht sagen willst", sagte Matheo, nachdem er eine Weile auf eine Antwort gewartet, aber keine von mir bekommen hatte. „Sag mir bitte nur, ob es etwas mit mir zu tun hat."

„Nein", presste ich hervor und schaffte dabei ein nachdrückliches Kopfschütteln.

„Gut."

Damit ließ Matheo meine Hand los. Erleichterung und Enttäuschung machten sich gleichzeitig in mir breit. Ich hatte das Gefühl, endlich gehen zu können, aber meine Beine waren wie festgewachsen. Ich konnte mich noch nicht wegbewegen. Auch Matheo machte keine Anstalten zu gehen, stattdessen fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar. Dabei sah er extrem nachdenklich aus. Er öffnete den Mund, aber es kam kein Ton raus. Irgendetwas wollte er sagen, aber er schien die richtigen Worte nicht zu finden. Es dauerte mehrere Sekunden, bis er die Stille zwischen uns unterbrach.

„Wie lange arbeitest du heute?", fragte er.

„Bis um sieben", sagte ich, froh darüber, dass er eine Frage stellte, auf die ich die Antwort kannte. Allerdings wusste ich nicht, wieso er das wissen wollte.

„Was machst du danach? Hättest du vielleicht Lust, etwas zusammen zu unternehmen?"

„Du weißt schon, dass du auch Sachen ohne mich unternehmen kannst? Kein anderer Gast hat die Adventsplanerin immer mit dabei."

Matheo verdrehte belustigt die Augen. „Das ist mir schon klar, aber ich möchte trotzdem den Abend mit dir verbringen. Das war meine Art, dich um ein Date zu bitten."

„Oh." Das hatte ich nicht kommen sehen. Warum eigentlich nicht? Wir hatten so viel Zeit miteinander verbracht. Hätte er mich so nervig gefunden, wie ich zwischendurch befürchtet hatte, wäre er doch sicher nicht ständig mit mir überall hingegangen, oder?

„Oh? Ist das deine Antwort?", fragte er mit einem kleinen Lächeln, aber in diesem Fall sah es eher gequält aus. In seinen Augen lag ein banger Blick. Fürchtete er etwa, dass ich nein sagte? Meinte er das mit dem Date wirklich so ernst? Und was wollte ich? Was sollte ich ihm darauf antworten?

Die Adventsplanerin - Liebe im TraumzeithofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt