Teil 10

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Ich war extrem nervös gewesen, als ich Matheo am Montagvormittag vom Weiten gesehen hatte. Kurz hatte ich überlegt, ob ich ihm irgendwie aus dem Weg gehen könnte, aber da hatte er mich schon entdeckt. Mich verstecken war nicht mehr möglich gewesen. Er war es, der dann auf mich zugekommen war und mich als erster angesprochen hatte.

„Was steht denn heute auf dem Programm?", hat er betont gut gelaunt gefragt, was mich extrem misstrauisch gemacht hatte.

Ich hatte ihm etwas vorgeschlagen, wovon ich mir absolut sicher gewesen war, dass er das auf keinen Fall mitmachen würde. Seltsamerweise hatte er aber ja gesagt und so kam es, dass wir jetzt mit sechs anderen Gästen in der Hotelküche standen. Wir hatten uns alle um einen Tisch versammelt, der groß genug war, sodass wir gleich alle an ihm arbeiten konnten. Wir würden gemeinsam Plätzen backen – eine Aktivität, die nicht nur Kindern in der Adventszeit extrem viel Spaß machte. Allerdings hätte ich nun wirklich nicht damit gerechnet, dass Matheo da mitmachen würde. Er hatte noch nicht einmal gezögert, als ich ihm erklärt hatte, dass wir die Hotelküche an diesem Nachmittag zur Weihnachtsbäckerei umfunktionieren würden. Sofort hatte er gesagt, er wäre dabei. Fast hatte ich das Gefühl, dass er das mit Absicht machte, um zu beweisen, dass ich falschlag und er doch jemand war, der sich über solche Aktivitäten freute. Oder zumindest, dass er seinen Job ernst nahm.

Hannah - die Küchenhilfe, die nur liebevoll Hanni genannt wurde - würde uns beim Backen unterstützen. Ich verstand mich gut mit ihr. Sie war Mitte Vierzig, hatte viele Jahre als Mutter und Hausfrau verbracht, ehe sie sich dazu entschieden hatte, aushilfsweise einen Job anzunehmen. Ich glaubte, sie war hier sehr zu frieden. Und sie hatte sich sofort freiwillig gemeldet, um das Backen mit den Gästen zu übernehmen.

„Also, wir machen heute alles, was man in der Adventszeit so braucht", sagte sie nach der Begrüßung. „Zimtsterne, Vanillekipferl und einfaches Gebäck, das wir später je nach Wunsch verzieren können. Wir haben Streusel, Perlen, Schokolade, Marmelade und vieles mehr. Wir haben Keksdosen für Sie bereitgestellt, sodass Sie diese auch später ohne Probleme mitnehmen und verschenken oder natürlich auch alle selber essen können."

Die Anwesenden lachten kurz.

„Das esse ich alles allein", sagte ein älterer Mann heiter und seine Frau schlug ihm spielerisch auf seinen Bauch und sagte, die Plätzchen seien für die Enkelkinder. Er solle sich ja zurückhalten. Darauf lachten alle nur noch mehr.

„Dann müssen wir halt extra viele Kekse backen", sagte Hanni schmunzelnd und fing an uns zu zeigen, wo welche Zutaten standen. Dann verteilte sie Rezepte, von denen sich jeder überlegen konnte, womit man als erstes anfangen wollte.

Matheo und ich standen noch etwas unschlüssig neben der Arbeitsplatte. „Worauf hast du Lust?", fragte ich. Es war immer noch ungewohnt, ihn zu duzen. Andererseits schaffte das auch ein vertrauteres Verhältnis und vielleicht würden die nächsten Tage und vor allem unser Umgang miteinander etwas entspannter werden.

„Wir hatten früher oft Vanillekipferl zu Hause. Meine Mutter hat die so oft gebacken, aber die hatte ich schon ewig nicht mehr. Vielleicht wäre es schön, die auszuprobieren."

Es überraschte mich, dass er mir tatsächlich etwas Persönliches erzählte. Okay, es war nicht viel, aber trotzdem wusste ich jetzt eine Sache mehr über ihn als vorher.

„Ich mag die auch gerne, also mache ich mit", sagte ich.

Wir teilten Hanni unsere Entscheidung mit und sie deutete auf all die Zutaten, die wir dafür brauchten. Wir entschieden uns, gemeinsam einen großen Teig zu kneten, sodass wir alles in eine Schüssel schütteten. Es war witzig zu sehen, wie vorsichtig Matheo Mehl oder Zucker in einen Becher schüttete, um die Sachen abzuwiegen. Vermutlich hatte er überhaupt kein Gefühl dafür, wie viel er wohl brauchte.

„Backst du ansonsten eigentlich auch?", fragte ich.

„Nein, überhaupt nicht", sagte er und die Antwort überraschte mich nicht wirklich.

„Wenn ich irgendwo mal Kuchen mitbringen musste, auf der Arbeit oder sonst wo, habe ich entweder irgendwo was gekauft oder backen lassen", erzählte er.

Ich fragte mich, von wem er sich dann was hat backen lassen. Von seiner Mutter oder etwa von seiner Freundin? War er wohl vergeben, vielleicht sogar verheiratet? Ich suchte seine Hände nach einem Ring ab. Da war zwar keiner, aber das musste ja nichts heißen. Vor allem nicht, wenn wir gerade am Backen waren.

„Lass mich raten", redete er weiter. „Du bist auf jeden Fall jemand, der gerne backt und kocht, oder?"

Ich nickte. „Ja, aber zum Backen komme ich jetzt auch nicht so oft. Aber es stimmt schon: Vor Weihnachten stehe ich auch gerne in der Küche, vor allem mit Freunden oder meinen WG-Mitbewohnern."

„Ach, du wohnst in einer WG?"

„Zurzeit nicht. Ich bin nur bis Ende Dezember hier, dann habe ich vor, wieder zurück zu ziehen. Eigentlich wohne ich in München."

„Und wie kommst du dann hierher?"

„Ich bin hier aufgewachsen und es gab den Job hier, den ich für ein paar Wochen angenommen habe."

„Aber du willst wieder nach München zurück?"

„Ja, ich schätze schon."

Matheo gab ein undefinierbares Brummen von sich.

„Was ist?", fragte ich.

„Ich hätte nur gedacht, dass du dich hier extrem wohlfühlen würdest. Ich hätte dich nicht als Großstadtmenschen eingeschätzt."

„Echt nicht?" Keine Ahnung, woran er das festmachte. Ich selbst hatte mich immer in München gesehen. Auf jeden Fall in einer Großstadt, die was zu bieten hatte und die vor allem im Eventbereich fähige Mitarbeiter brauchte. Es war definitiv nie meine Absicht gewesen, in meinen Heimatort zurückzukehren.

„Ich finde einfach, du scheinst dich hier ganz wohl zu fühlen."

Na, wenn er das dachte. Es konnte mir ja egal sein.

Nachdem wir die ganzen Zutaten in die Schüssel getan hatten, bot ich an, das Kneten zu übernehmen. Matheo nickte nur zustimmend. Bestimmt war er froh, sich die Hände nicht noch schmutziger machen zu müssen. Anschließend packten wir den Teig für einige Minuten erstmal in den Kühlschrank. Danach rührten wir noch einen anderen Teig an, für Plätzchen, die wir später mit verschiedenen Formen ausstechen könnten. Matheo meinte zwar, das würden viel zu viele werden, aber da musste ich protestieren.

„Kekse kann man im Advent nicht genug haben. Und wenn man die selbst nicht auf isst, verschenkt man sie eben. Oder man bringt sie zur Arbeit mit, stellt sie irgendwo hin und dann sind sie normalerweise schneller weg als man gucken kann."

Da er nicht reagierte, war ich mir sicher, dass mein Backpartner das bisher wohl nicht ausprobiert hatte. Kein Wunder, er hatte ja erzählt, dass er nicht backen würde. Ich fragte mich, wie er sich wohl mit seinen Kollegen verstand. Und wie gefiel ihm wohl sein Beruf? Hatte er überhaupt Spaß an dem, was er tat?

„Machst du so etwas eigentlich öfter?", fragte ich. „Also an bestimmte Orte fahren und darüber berichten, oder wie sieht dein Job sonst aus?"

„Manchmal reise ich, manchmal recherchiere ich auch einfach aus dem Büro heraus – beziehungsweise aus dem Homeoffice."

„Das stelle ich mir aber seltsam vor, über etwas zu schreiben, wenn man gar nicht vor Ort sein kann."

„Ach, das geht schon. Mittlerweile findet man ja alle Infos online."

„Aber bist du nicht froh, wenn du mal reisen kannst und eben nicht aus dem Büro heraus recherchieren musst?"

Er zuckte mit den Schultern. „Grundsätzlich ist es schon interessant, aber zwei Wochen in einem Hotel hocken, war dann doch nicht mein Wunsch. Wie du ja schon mitbekommen haben dürftest."

„Du musst ja nicht den ganzen Tag im Hotelzimmer hocken, so wie du es gerade ausgedrückt hast. Es steht dir ja frei, das zu machen, was du willst. Genug Möglichkeiten dürftest du hier wohl finden."

„Ja, das darf ich mir wohl noch ein wenig öfter anhören, oder?"

„Aber auf jeden Fall!"

Die Adventsplanerin - Liebe im TraumzeithofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt