Teil 17

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Wir hatten uns für den Donnerstagabend verabredet. Ich hatte den Tag über frei gehabt, sodass ich dummerweise ziemlich viel Zeit gehabt hatte, nervös zu werden. Natürlich hatte ich mich erneut bei Tine gemeldet, um ihr die Neuigkeit zu erzählen und sie hatte nur wissend gelacht und gemeint, sie hätte ja gleich gesagt, dass da was zwischen mir und Matheo laufen würde. Ich hatte versucht, das einfach zu ignorieren, hatte sie aber natürlich um Rat gefragt, was ich denn zu dieser Verabredung anziehen sollte. Sie empfahl mir eine Mischung aus eleganter und legerer Kleidung zu finden. Ich wollte mich nicht zu sehr aufbrezeln, aber natürlich auch nicht so aussehen, als würde mir das Date nichts bedeuten. Da ich im Hotel fast immer mit dunkler, schickerer Jeans oder Stoffhose kombiniert mit einem Blazer herumlief, hatte ich mich dieses Mal für ein Kleid entschieden – mit der Hoffnung, dass wir uns nicht sehr lange draußen aufhalten würden. Immerhin hatte es lange Ärmel und der grüne Stoff war etwas dicker, aber in der Strumpfhose würde ich trotzdem frieren. Aber da wir uns ja in einem Restaurant treffen wollten, dürfte das nicht ganz so schlimm sein.

Wir hatten ausgemacht, dass wir uns direkt bei dem Restaurant treffen würden, auf das wir uns geeinigt hatten. Jeder würde alleine fahren. Eigentlich war das ziemlich dämlich, aber so wollten wir verhindern, dass uns irgendwer zusammen sah. Das wirkte zwar etwas lächerlich, aber tatsächlich fühlte ich mich so etwas wohler in meiner Haut.

Die Fahrt zum Restaurant dauerte tatsächlich vierzig Minuten. Ich war froh, dass ich das Auto meiner Mutter leihen konnte, denn ich hatte kein eigenes. In München hatte ich nie eines gebraucht und in unserer Kleinstadt kam ich immer gut zu Fuß zur Arbeit. Es war seltsam, so lange zu fahren, um einfach nur essen zu gehen. In München war das normal gewesen, wenn man abends mal rauswollte, aber das war ja immerhin eine Großstadt. Dieses Mal fuhr ich von einer Kleinstadt zur nächsten, in der Hoffnung, dass man dort niemandem begegnete, der einen kannte.

Als ich auf den Parkplatz einbog, sah ich Matheo schon vor dem Eingang stehen. Dabei war ich selbst zehn Minuten zu früh. Dass er noch eher da war als ich, wunderte mich. Und zugegebenermaßen beeindruckte es mich auch ein wenig. Wie lange er wohl schon da in der Kälte stand?

Als ich ausstieg und mich ihm näherte, erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. Wie sehr ich dieses Lächeln mochte. Er hatte dann so schöne Grübchen um den Mund und seine Augen funkelten richtig. Es war verrückt, aber mir wurde klar, dass ich dieses Lächeln vor einer Woche noch als arrogant empfunden hatte. Wie war das möglich gewesen? Wie hatte sich überhaupt meine komplette Sichtweise auf ihn ändern können? Am Anfang war ich so genervt von ihm gewesen und auf einmal schlug mein Herz Purzelbäume, wenn er mich mit diesem sanften Blick betrachtete wie gerade.

„Woran denkst du?", fragte mich Matheo, als ich nähertrat.

„An gar nichts."

„Das wäre ziemlich seltsam. Ist dein Kopf wirklich so leer?"

Das sagte er mit einem Schmunzeln, wodurch er mich zum Lachen brachte. Dabei war ich sicher, dass ich vor einer Woche noch wirklich verärgert über so einen Satz gewesen wäre.

„Ich habe nur gerade drüber nachgedacht, dass ich dich zu Beginn nicht wirklich leiden konnte", sagte ich ehrlich.

„Ach wirklich?" Er sah gar nicht verärgert aus, eher amüsiert und seine Worte trieften vor Sarkasmus.

„Du bist mir ehrlich gesagt ziemlich auf die Nerven gegangen, da du dich so gegen alles gesträubt hast und dich einfach gar nicht auf unsere besondere Atmosphäre eingelassen hast. Aber das hat sich ja mittlerweile geändert."

„Ich fand dich am Anfang auch ziemlich nervig", gestand Matheo. Seine Augen wirkten aber so Entschuldigung heischend, dass ich mich über seine Aussage überhaupt nicht ärgern konnte. Trotzdem war ich neugierig und wollte natürlich wissen, woran das gelegen hatte.

„Du wirktest immer so engstirnig", antwortete Matheo. „Du warst so versessen darauf, dass jeder sich wohlfühlte und absolut alles toll fand. Natürlich gehört das zu deinem Job, aber du schienst nicht akzeptieren zu wollen, dass nun einmal nicht jeder ein Adventsfan ist. Und man muss auch nicht alle Sachen in den Himmel loben, die das offensichtlich gar nicht verdient haben."

„Sprichst du damit die Lesung an?"

Matheo nickte lachend. „Definitiv."

„Okay, das war wirklich nichts Besonderes. Aber lass uns das vergessen und endlich hineingehen. Es ist kalt hier und so langsam bekomme ich Hunger."

„Wie es die Dame befiehlt." Damit schritt er auf die Tür zu und öffnete sie für mich, sodass ich als erste hindurchgehen konnte. Er nahm mir auch meinen Mantel ab, was ich sehr freundlich fand. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass er im Herzen ein echter Gentleman war. Ich wünschte, ich könnte ihn wirklich besser kennenlernen, um herauszufinden, ob ich mit dieser Einschätzung richtig lag.

Das Restaurant, welches wir uns ausgesucht hatten, war wunderschön und auf eine rustikale Art eingerichtet. Alle Tische waren eingedeckt, aber kaum welche waren besetzt. An einem Donnerstag war hier wohl weniger los. Wir hätten daher gar keinen Tisch reservieren müssen. Es hatte den Vorteil, mehr das Gefühl zu haben, unter sich zu sein. Wir wurden zu einem Tisch auf einer kleinen Empore geschickt. Holzgitter und Pflanzen sorgten dafür, dass man von den übrigen Gästen kaum etwas mitbekam. Mir gefiel das.

„Ist es seltsam, mit mir hier zu sein und nicht bei irgendeiner Veranstaltung, die du mitorganisiert hast?", fragte mich Matheo nachdem wir unser Essen bestellt hatten.

„Ein bisschen schon", gab ich zu. „Aber es ist auch mal schön, sich nicht auch noch auf andere Dinge konzentrieren zu müssen. Sonst habe ich ja quasi immer gearbeitet, wenn wir Zeit miteinander verbracht haben. Außer vielleicht bei der Kutschfahrt. Da konnte ich selbst auch mal entspannen."

„Genau genommen habe ich auch immer gearbeitet", sagte Matheo mit einem Zwinkern.

„Stimmt." Ich lachte.

„Vielleicht sollten wir daher mal nicht über die Arbeit reden", schlug Matheo vor.

Ich stimmte nickend zu. Und so versuchten wir, die kommenden Minuten alle Themen rund um den Traumzeithof auszuklammern. So erfuhr ich, dass Matheo im Gegensatz zu mir in einer Großstadt aufgewachsen war. Für seinen Job war er von Augsburg nach München gezogen, in eine Gegend etwa eine halbe Stunde Fahrzeit von meiner WG-Wohnung entfernt. Kurioserweise erzählte er mir aber, dass er hier das Gefühl hatte, die Großstadt auf Dauer vielleicht doch verlassen zu wollen.

„Ich kann mittlerweile von fast überall aus arbeiten", erklärte er. „Für den Verlag, für den ich tätig bin, arbeiten viele komplett von zu Hause und sind vielleicht ein paar Mal im Jahr im Münchner Büro. Es gibt keine Pflicht, da zu leben. Von daher macht man sich natürlich schon so seine Gedanken, ob das wirklich das Richtige ist. Bist du denn wirklich so versessen darauf, in der Großstadt zu wohnen?"

Ich öffnete den Mund, um eine flammende Rede für das Leben in München zu halten, aber seltsamerweise kam kein Wort heraus.

„Ich habe das immer gedacht", sagte ich schließlich, selbst verwirrt, weil ich keine klare Antwort auf seine Frage hatte.

„Ist es wegen des Jobs, den du jetzt im Traumzeithof hast? Hast du deshalb vielleicht deine Meinung geändert?"

„Hatten wir uns nicht eben darauf geeinigt, dass wir nicht mehr über das Hotel sprechen wollen?"

Matheo zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Ich glaube einfach, dass du gerne dortbleiben würdest, es aber noch nicht zugeben willst, oder?"

Ich schob mir eine Gabel voll mit Pasta in den Mund, um Zeit zu gewinnen. Denn die Wahrheit war, dass ich die Antwort nicht wusste. Vielleicht wollte ich sie mir auch einfach nicht eingestehen.

„Ich vermute, dass ich nicht zugeben möchte, wie sehr es mir gefällt, weil ich keine konkrete Hoffnung darauf habe, dort auch noch über mein Engagement als Adventsplanerin hinaus zu bleiben."

„Nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und griff zu meinem Wasserglas. Statt daraus zu trinken, fuhr ich nur nervös mit den Fingern über den Stiel des Glases. Das Gespräch hatte eine Richtung genommen, die ich nicht besonders mochte. Vor allem schossen nun wieder Gedanken durch meinen Kopf, die ich für diesen Abend eigentlich daraus verbannen wollte.

Die Adventsplanerin - Liebe im TraumzeithofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt