26. Kapitel - Ein Unbekannter oder doch ein vertrautes Gesicht?

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Das war mein Ende. Ich war ihm hilflos ausgeliefert. In dieser Dunkelheit sah uns niemand, meine Kehle war so zugeschnürt, dass ich keinen einzigen Ton herausbekam. Dann gaben auch noch meine Knie vor Erschöpfung nach und ich fiel geradewegs nach hinten um. Ich wartete auf einen großflächigen Schmerz, der sich über meinen Rücken ausbreiten würde, weil ich jede Sekunde auf dem hartem Boden aufprallen musste. Aber stattdessen spürte ich zwei kalte Hände an meinem Rücken. Oh, jetzt entwich mir doch ein lauter Schrei. Ich selbst zuckte sogar unter diesem lauten Geräusch zusammen und stellte erst einen Moment später fest, dass mich diese Hände sanft und vorsichtig aufgefangen hatten. Zwei kleine, müde aussehende, grüne Augen blickten knapp an mir vorbei. Grün? Das war nicht der Mann von meiner Entführung. Der hatte so stechend, blaue Augen gehabt, dass ich diese womöglich niemals vergessen könnte. Aber wer hatte grüne Augen und würde mir nachts hinterher rennen, mir einen Heidenschrecken einjagen, nur um mich dann behutsam aufzufangen? Jayden, schoss es mir durch den Kopf.

Schnell wand ich mich aus den Armen, in denen ich viel zu lange gelegen hatte und stellte einen großen Abstand zwischen ihm und mir her. Er war es tatsächlich. Ich schnappte nach Luft und begann vor Anstrengung immer lauter zu atmen, als hätte ich bis eben die Luft angehalten. Vorwurfsvoll sah ich ihn an.

„Bist du blöd? Was machst du hier?", zischte ich und stützte mich einen Moment auf meinen Knien ab, um mehr Luft zu bekommen. Ich war so schnell und weit gerannt, dass meine Lunge wie Feuer brannten und meine Beine weich wie Gummi geworden waren.

„Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken." Verwirrt musterte er mich. Wut begann in mir aufzusteigen.

„Ach nein? Warum bist du mir dann hinterhergerannt?", keuchte ich. Jayden sah so sprachlos und verwirrt aus, wie ich mich fühlte. Dabei war er es doch, der mich aus dem Nichts verfolgt hatte. Ich richtete mich wieder auf.

„Ich dachte du rennst vor etwas davon, ich wollte dir helfen." Das war ein Witz oder?

„Bist du blöd? Ich bin vor dir weggerannt du Vollidiot! Man, wie kann man nur so bescheuert sein?", fluchte ich und fuhr mir fassungslos durch die Haare. Was war los mit ihm? Was machte er um diese Zeit hier draußen? Warum war er überhaupt hier? Sollte er nicht eigentlich nach seinen nächsten Opfern suchen, die er mit einem bescheuerten Liebeszauber um den Verstand bringen könnte? Meine Wut wurde immer größer. Er stand vor mir und tat so, als hätte er keinen Plan was er gerade gemacht hatte und das machte mich nur noch wütender. Er sollte sich nicht so blöd stellen. Er hatte mich mit Absicht verfolgt. Er wollte mir einen Schrecken einjagen!

„Sorry, kann ich ja nicht wissen."

„Das kannst du nicht wissen?", wiederholte ich kopfschüttelnd.

„Ich bin ganz gemütlich gejoggt. So rennt man ja wohl nicht vor jemanden weg." Jayden runzelte die Stirn.

„Also gemütlich gejoggt bist du nicht. Du bist gerannt, als wärst du auf der Flucht." Ich seufzte und verdrehte die Augen. Selbst, wenn ich schneller, als nur gemütlich gejoggt war, hätte er doch checken müssen, dass ich vor niemanden weglaufe. Der stellte sich doch nur so blöd.

„Was machst du überhaupt hier?"

„Das Gleiche könnte ich dich fragen", entgegnete ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich würde ihm ganz sicher nicht verraten was ich hier draußen gemacht hatte. Der würde mich noch für verrückt halten.

„Sam, was hast du hier draußen um diese Uhrzeit verloren?", fragte er nun eindringlicher und sah mir plötzlich besorgt entgegen. Besorgt? Das ich nicht lache.

„Das geht dich nichts an. Was hast du denn um diese Uhrzeit hier verloren?"

„Unwichtig." Na das war ja wieder typisch. Er wollte geheimnisvoll bleiben und ich sollte alles preisgeben? Nicht mit mir. Was hielt mich überhaupt hier? Ich könnte einfach gehen. Ich war ihm keine Rechenschaft schuldig und eigentlich wollte ich mich auch nicht länger mit ihm unterhalten. Jede Sekunde, die ich hier stand und seinem rätselhaften Rumgedruckse und besorgtem Getue zuhörte, war verschwendet. Ich sollte mich einfach auf der Stelle umdrehen und gehen. Das sollte ich definitiv, denn leider kamen allmählich die aufgeregten Gefühle in mir wieder hoch. Der Schock hatte sich gelegt und ich musste mich daran erinnern, dass ich noch kein Bisschen über ihn hinweggekommen war.

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt