4. Kapitel - Kein Zauberstab?

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Am nächsten Morgen waren die Spuren des Tees restlos verschwunden. Schon am Abend war die Wirkung deutlich weniger geworden, nachdem Linn mich für einige Zeit in Ruhe gelassen hatte. Ich fragte mich daher, ob ihr Zauber nur funktionierte, wenn sie in der Nähe war. Mein Wecker klingelte um neun. Ich fühlte mich nicht bereit aufzustehen und drückte die Schlummertaste. Ich war mit Janine Silver um zehn Uhr verabredet. Sie wollte mir endlich sagen was ich hier machte und warum mein Weg zum weißen Orden so aufwendig gewesen sein musste. Ich war zwar wirklich neugierig was sie mir alles zu sagen hatte, jedoch dämpfte das elendige Gefühl, was Jayden in mir hinterlassen hatte, meine Neugierde und überzeugte mich, dass es viel besser wäre im Bett liegen zu bleiben. Ich wollte das Zimmer nicht mehr verlassen. Was wäre, wenn ich ihm auf dem Flur begegnen würde? Was würden die anderen Schüler über mich denken, wenn sie mich sahen? Es war kein Geheimnis, dass mich Jayden hergebracht hatte und es war auch kein Geheimnis wie er das angestellt hatte. Aber ich wollte nicht das hilflose, verliebte, naive Mädchen sein, das seinem Liebeszauber verfallen war und nun ihr Leben nicht mehr auf die Reihe bekam. Ich fühlte mich aber auch nicht in der Lage mich aufzuraffen und so zu tun, als wäre mit mir alles in bester Ordnung.

Ich starrte mein Handydisplay an und sah zu, wie die Minuten verstrichen. Bald war es nur noch eine halbe Stunde und ich hatte das Bett immer noch nicht verlassen. Als die Zeit knapp wurde, setzte ich mich langsam an den Rand des Bettes und sah mich im Zimmer um. Gestern hatte ich dafür keinen Kopf gehabt, aber jetzt fiel mir auf, dass Linn ihr, beziehungsweise nun unser, Zimmer wirklich gemütlich eingerichtet hatte. Beinahe etwas zu gemütlich. Im Gegensatz zu den leeren, hellen Gängen, war unser Zimmer mit den verschiedensten Sachen vollgestellt. Stapelweise lagen Bücher herum, in jeder Ecke standen gepflegte Pflanzen und überall blitzten mir bunte Kristalle entgegen. An den Fenstern hingen dichte Vorhänge, die kaum Tageslicht in den kleinen Raum ließen. Irgendwie entsprach dieses Zimmer genau meinen Vorstellungen, wenn ich an Hexen, beziehungsweise Magier und Magie dachte.

Mein Blick fiel auf meine Sachen, die unsortiert und durcheinander neben meinem Bett standen. Gestern hatte ich nur flüchtig das Wichtigste rausgesucht und dabei die anderen Sachen unachtsam daneben geworfen. Ich starrte die Tasche mit meinen Schminksachen an. Ich hatte noch 20 Minuten, um fertig zu werden. Wenn ich mich beeilen würde, könnte ich meine müden Augen mit dem

Make-up verdecken. Schnell stand ich auf und bückte mich nach der Tasche. Als mir dann jedoch schwarz vor Augen wurde und ich merkte, wie schwach mein Körper war, weil ich schon seit gestern nichts mehr gegessen hatte, ließ ich mich einfach zu Boden fallen. Wieder starrte ich meine Schminksachen an und versuchte mich davon zu überzeugen, dass es mir besser gehen würde, wenn ich mich schminken würde. Bei dem Gedanken aufstehen, mich anziehen und auch noch ein Gespräch führen zu müssen, rollten mir jetzt schon die Tränen über die Wangen. Ich wollte nicht aufstehen, ich wollte einfach nur alleine sein und in Selbstmitleid versinken. Meine Traurigkeit war so erdrückend, dass ich mich erst aufraffen konnten, als ich wirklich nur noch zehn Minuten Zeit hatte und sich in mir der Druck breit machte, bloß nicht zu spät kommen zu dürfen.

So schnell es mir mein müder Körper auch ermöglichte, zog ich mir endlich meine Sachen über, ging zur Toilette und wusch sogar mein verquollenes Gesicht mit kaltem Wasser. Meine Augen waren vom viele, Weinen angeschwollen. Ich hatte tiefe, dunkle Augenringe und meine Haut war unrein. Insgesamt sah ich komplett scheiße aus. Als ich meine Haare jedoch sortierte und sie anschließend etwas aufschüttelte und schließlich auch noch ein zaghaftes Lächeln aufsetze, musste man schon zwei Mal hinsehen, um zu bemerken, dass es mir nicht gut ging. Angesichts der Umstände, würde das fürs Erste reichen.

Wenig überzeugt von meiner äußeren Erscheinung, machte ich mich auf den Weg zu Janine. Sie kam mir wie eine große Persönlichkeit vor, vor der ich mich in Acht nehmen müsste. Trotzdem hatte sie mir gestern schon das Du angeboten, als sie mir flüchtig mitgeteilt hatte, dass wir uns in ihrem Büro treffen würden.

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt