„Oh Shit, ich fasse es nicht, dass ich das gesagt habe", sagte Connor und lachte erleichtert auf. Ich grinste ihn an und nickte bestärkend.
„Ich auch nicht. Ich weiß nicht woher das kam, eigentlich würde ich mich nie trauen so etwas zu sagen, aber... habe ich oder?"
„Ja, hast du", lachte Connor und ließ sich auf eine Bank, auf der Rückseite des Haupteingangs fallen.
„Hier ist dein Rucksack." Ich gab Connor seinen Rucksack zurück und setzte mich dann neben ihn. Wir lachten noch einen Augenblick über den Streit von eben und drifteten dann in eigene Gedanken ab. Während Connor wahrscheinlich an seine Familie dachte und versuchte zu begreifen, welche Konsequenzen jetzt auf ihn zukommen könnten, ging mir nicht aus dem Kopf, dass Connor einfach meine Hand genommen hatte. Es war wahrscheinlich nichts. Er wollte ja nur deutlich machen, dass wir seine bescheuerte Familie zurücklassen. Mehr hat er sich wahrscheinlich gar nicht gedacht. Er hätte aber auch mein Handgelenk nehmen können. Stattdessen hat er nach meiner Hand gegriffen. Er hätte auch gar nicht meine Hand nehmen müssen. Ich wäre ihm doch sowieso hinterher gelaufen. Langsam spürte ich, wie ich nervös wurde. Die Aufregung fiel allmählich von mir ab und ich rief mir in Erinnerung, dass ich mich eigentlich noch erklären musste, warum ich ihm nicht mehr geantwortet hatte. Und dann sollten wir noch klären, ob seine Frage neulich, nach einem Treffen, rein freundschaftlich gemeint war. Falls nicht, dann müsste ich klarmachen, dass ich für mehr momentan einfach nicht bereit war. Er war toll und ich fing an ihn immer mehr zu mögen, aber ich war doch noch gar nicht bereit für mehr. Jayden war immer noch so präsent und ich musste doch erst wieder lernen mich selbst richtig zu lieben und wertzuschätzen, bevor ich jemand Neues mögen könnte oder? Also ja, dass er meine Hand eben genommen hatte, war irgendwie schön... glaube ich, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Nur wie sollte ich ihm das beibringen?
„Ich bin so froh, dass du dabei warst. Danke."
„Ist doch klar", antwortete ich immer noch leicht abwesend.
„Ne echt, wärst du nicht da gewesen, dann hätte ich wieder die ganze Schuld auf mich genommen und ich hätte wirklich geglaubt, dass es meine Schuld war. Aber das war es nicht oder?"
„Was? Nein natürlich nicht! Du hattest an gar nichts Schuld. Jeder kann mal aufgeregt sein und seinen Text vergessen und, wenn Calvin dir auch noch kurz vorher gesagt hat, dass dich eh welche mit ihm vergleichen wollen, ja dann ist doch klar, dass du Panik bekommst. Was hättest du schon anders machen sollen?"
„Keine Ahnung."
„Du hättest nichts anders machen können. Die Einzigen, die sich daneben benommen haben, sind die Anderen. Du aber nicht okay?"
„Ja", entgegnete er nun etwas gekickt und starrte auf den Boden.
„Tut mir echt leid, dass deine Familie so... kompliziert ist. Du hast auf jeden Fall etwas Besseres verdient."
„Hm, kann sein. Aber ist ja nicht deine Schuld."
„Nein, aber es ist trotzdem Scheiße. Ich verstehe auch nicht, warum du da überhaupt bei sein musstest. Das hätten die doch auch ganz einfach zu dritt machen können." Connor sah mir wieder in die Augen und seufzte lange.
„Diese Diskussion haben wir jedes Jahr. Ich sage, dass ich mich fehl am Platz fühle, schon weil ich nicht so gut bin, wie mein Bruder und sie antworten darauf, dass wir eine Familie sind und uns am besten repräsentieren können, wenn wir als geschlossene Gemeinschaft auftreten. Außerdem könnte ich mich mehr reinhängen, dann würde ich auch einen eigenen Teil in der Show bekommen." Ich schüttelte den Kopf.
„Die verstehen echt gar nichts oder?" Connor lachte auf.
„Nein, nicht wirklich."
„Meine Familie versteht mich auch nicht", entgegnete ich und wunderte mich noch im selben Augenblick, dass ich das so einfach ausgesprochen hatte. Vielleicht wollte ich Connor nur aufbauen und ihm das Gefühl geben, dass er nicht der Einzige war, der nicht verstanden und akzeptiert wurde. Als ich aber genauer darüber nachdachte, bemerkte ich plötzlich, dass ich selbst das Bedürfnis hatte über meine Familie und die gesamte Situation zu sprechen. Seltsam, dass ich dieses Bedürfnis vorher nie verspürt hatte. Michelle und Linn konnte ich auch alles anvertrauen und sie könnten das womöglich auch verstehen. Aber ich hatte es nie gewollt. Wahrscheinlich, weil sie intakte Familien hatten. Ihre Familien hatten sie bei dem Magiescheiß unterstützt und ihnen nicht verschwiegen, dass sie Magier waren. Vielleicht hatte ich bei Connor einfach das Gefühl, dass er das besser verstehen würde. Weil seine Familie auch nicht das Beste für ihn wollte, sondern nur an sich dachte.
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Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)
SpiritualErster Teil: Zufall oder Magie? Endlich bekommt Sam die große Chance den richtigen Umgang mit ihrer Magie zu lernen. Wäre sie doch nur nicht so sehr damit beschäftigt sich aus dem tiefen Loch herauszugraben, in das sie Jayden geworfen hat. Während s...