62. Kapitel - Angst vor Träumen

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Erst als ich auf dem Weg zu meinem Grandpa war, merkte ich wie sehr es mir gefehlt hatte das Gelände zu verlassen. Die letzten Wochen eingepfercht auf dem Gelände des Weißen Ordens zu verbringen, hatte mir doch mehr zu schaffen gemacht, als ich zunächst angenommen hatte. Ich lief gemütlich durch den Wald und genoss die angenehm warme Sommerluft und das Gezwitscher der Vögel. Die Bäume wogen sich leicht im Wind und durch die mittlerweile dichten Blätter, fielen ab und zu warme Sonnenstrahlen auf den trockenen Boden. Während ich in Überlegungen versunken die Aussicht genoss, gesellte sich auf einmal ein graue Krähe zu mir. Ich blieb stehen und nahm mir Zeit sie zu beobachten. Sie blieb mit etwas Abstand neben mir stehen und sah mich mit ihren schwarz glitzernden Augen an, als würde sie darauf warten, dass ich weiterlief. Dann legte sie ihren Kopf schief und blickte mir direkt in die Augen, als wollte sie mir etwas sagen. Ich ging in die Hocke und hielt ihr meinen Zeigefinger hin. Es war meine Intention, die mich dazu gebracht hatte, denn logisch betrachtet war es unwahrscheinlich, dass sie sich mir nähern würde.

Aber so wie es mir mein Bauchgefühl gesagt hatte, kam die Krähe langsam auf mich zu. Es war erstaunlich wie nah sie mir kam, denn einen Moment später war sie mir so nah, dass ich sie hätte streicheln können. Wieder legte sie ihren Kopf schief und schmiegte sich plötzlich an meine Hand. Ein Lächeln legte sich in mein Gesicht. Ich streichelte eine Krähe, mitten im Wald. Das war banal und irgendwie wunderschön. Unsere Idylle wurde von dem lautem Rufen einer dunklen Stimme gestört. Ich schreckte auf und machte einen Schritt in die Richtung der Stimme, weil ich mir sicher war, dass sie nach mir suchte. Mit meiner hastigen Bewegung hatte ich die Krähe aufgescheucht. Nun saß sie ein paar Meter entfernt von mir, hoch oben in der Krone eines Baumes und beobachtet das Geschehen. Die Gestalt, der die dunkle Stimme gehörte, kam mit schnellen Schritten auf mich zu gejoggt. Als sich langsam die Gesichtszüge der Person abzeichneten, wusste ich wer da auf mich zu gerannt kam. Es war Jayden.

„Hast du mich nicht gehört?", fragte er keuchend und blieb vor mir stehen.

„Nein, tut mir leid", entgegnete ich verwirrt und fragte mich was er von mir wollen könnte.

„Ich laufe dir schon eine halbe Stunde hinterher und rufe deinen Namen."

„Wirklich?", fragte ich ungläubig und war mir nicht sicher, ob er tatsächlich eine halbe Stunde meinte oder, ob er die Situation nur übertrieben darstellen wollte.

„Du musst mir doch noch sagen, ob ich das Karierte nehmen kann", erklärte er und lächelte charmant.

„Das Karierte? Wovon redest du?"

„Ach Sam du Schussel, na ob ich das Karierte oder die Streifen nehmen soll. Du weißt schon für den Spaziergang mit deiner Grandma." Jayden schüttelte amüsiert den Kopf, als würde er es unheimlich lustig finden, dass ich keinen blassen Schimmer hatte wovon er sprach.

„Aber meine Grandma ist doch tot", entgegnete ich und studierte seinen lebensfrohen Gesichtsausdruck ganz genau. Das Grinsen wurde noch größer, während er plötzlich den Arm um mich legte.

„Nein, hast du heute deinen Kopf Zuhause vergessen? Sie ist nicht mehr tot. Ihr geht es gut. Also das Karierte oder die Streifen? Was sagst du?"

„Ist sie nicht mehr?", wiederholte ich erstaunt und musste nun auch anfangen zu schmunzeln.

„Kariert", fügte ich schnell hinzu, als mich Jayden weiterhin fragend musterte.

„Gute Wahl, dazu habe ich auch tendiert", antwortete er erfreut und drückte mich fest in seine Arme. Ich war überrumpelt von seiner Freundlichkeit, denn eigentlich hatte ich in Erinnerung, dass da irgendetwas Unschönes zwischen uns gewesen war. Trotzdem ließ ich es zu, denn seine Nähe war mir vertraut und gab mir inneren Frieden. Ich nahm den Duft seines Parfums tief in mir auf und genoss das Gefühl mich bei ihm anlehnen zu können. Auf einmal nahm Jayden mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. Ganz plötzlich und doch selbstverständlich. Und wieder ließ ich es zu. Es war ein wunderschönes Gefühl und mit ihm fühlte es sich einfach richtig an. Ich hatte überhaupt keinen Grund skeptisch zu sein, Jayden war ein guter Typ und so genoss ich jede seiner Berührungen.

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt