35. Kapitel - Unterricht schwänzen?

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Als ich die Augen aufschlug, hatte ich für etwa zehn Sekunden das Gefühl, das alles normal sei. Meine Gefühlslage war neutral und selbst meine Gedanken brauchten einen Moment, bis sie ihr gewohntes, übermäßiges Tempo annahmen. Ich schlug also meine Bettdecke nach hinten und dachte einen Augenblick, das würde ein normaler, guter Tag werden. Als ich mich dann aber in den Stand bewegte und merkte, wie schwer sich mein Körper anfühlte und wie wenig Energie ich hatte, dämmerte es mir. Die Erinnerungen an den gestrigen Tag holten mich ein. Ich hatte mit ansehen müssen, wie Jayden mit einem anderen Mädchen geflirtet hatte, wie er seinen Arm um sie gelegt und sie angesehen hatte und wie er sie am Ende auch noch geküsst hatte. Ich erinnerte mich an all die Dinge, die ich ihm gesagt hatte und spürte daraufhin, wie es mir zunehmend unangenehm wurde. Ich hätte gleich umdrehen und nichts sagen sollen. Von all dem, was ich ihm an den Kopf geworfen hatte, hatte er doch sowieso nichts verstanden und Ich? Ich hatte mich wahrscheinlich völlig lächerlich gemacht. Und als wäre das alles nicht genug, hatte ich ihm am Ende eine Ohrfeige verpasst. Ich meine er hatte sie wirklich verdient, aber ich hatte ihm damit gezeigt, wie weh er mir getan hatte und bereute das jetzt zutiefst. Es wäre so viel cooler gewesen, wenn er denken würde, dass mir das alles nichts ausmachte. Wenn ich ihn einfach ignoriert hätte und jetzt meine Spielchen mit ihm treiben könnte. Aber dafür war es zu spät.

Mit schweren Gliedern schleppte ich mich ins Badezimmer. In der Reflexion des Spiegels sah ich meine tiefen Augenringe und die roten Augen. Ich blinzelte ein paar Mal und fuhr mir dann übers Gesicht. Ich hatte die ganze Nacht durch geweint, kein Wunder das meine Augen so brannten. Allmählich holte mich das Gefühl von Leere ein. Ich hatte so viele Stunden geweint, dass ich keine Tränen mehr übrig hatte. Wenigstens ersparte ich mir damit einen überraschenden Gefühlsausbruch im Unterricht.

Ich konnte nicht aufhören mich anzustarren. Was war nur aus mir geworden? Ich hatte mir immer geschworen so niemals enden zu wollen. Aber jetzt war ich genau dieses traurige, verzweifelte Mädchen, das ich nie hatte sein wollen. Jetzt stand ich da und hatte keine Ahnung, wie ich das wieder in den Griff bekommen sollte. Und das alles nur wegen einem bescheuerten Typen, der es nicht mal wert war. Es war erbärmlich, schon ein einziger, kleiner Gedanke an Jayden reichte aus, damit ich mich so elendig traurig fühlte, dass ich mir nichts mehr vorstellen konnte, das mich je wieder glücklich machen würde. Das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass ich es nicht einmal mehr verheimlichen konnte. Man sah es mir aus 50 Meter Entfernung an. Meine Haare waren ungewaschen, meine Lippen rissig und meine Augen sahen so traurig aus, als würde ich gerade von der Beerdigung meiner Mutter kommen. So konnte ich definitiv nicht zur Therapie gehen. Egal, wie gut ich mich verstellen konnte, die Therapeutin, ich konnte nur hoffen, dass es wenigstens eine Frau war, würde doch gleich merken, dass mit mir etwas nicht stimmte. Dann würde sie mir jeden Tag Therapie verpassen. Die Therapie zu schwänzen, stand also immer noch auf meiner To-Do Liste.

Den restlichen Schultag würde ich schon irgendwie überstehen. Zur Not sagte ich jedem, der blöd fragte, dass ich mich erkältet hatte.

Das Problem war nur, dass ich bis spätestens heute Abend eine gute Lösung für meinen Zustand finden müsste. Maliee würde merken, was los ist. Aber ihr wollte ich kein Sterbenswörtchen von dem ganzen Drama erzählen. Sie hatte es mir ja gleich gesagt und würde doch nur wieder damit anfangen, dass ich mir jemand Anderen suchen sollte. Auf dieses, sich immer wieder wiederholende Gespräch, hatte ich keine Lust. Hinzu kam noch, dass ich mir nicht sicher war, ob ich Maliee's und Jano's perfekte Beziehung ertragen würde. Es war ja nicht so, dass ich Maliee ihr Glück nicht gönnte, es war einfach nur unvorstellbar für mich, dass es für sie so einfach gewesen war. Und ja, vielleicht fand ich es sogar unfair. Ich meine etwas Liebeskummer, das hätte sie doch auch nicht umgebracht. Okay der Gedanke war fies, zu fies für eine beste Freundin. Eigentlich meinte ich es doch so auch gar nicht, ich war vielleicht einfach nur verzweifelt?

Zufälle gibt es nicht! (2. Teil)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt