Silber für die Bauern

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Der Morgen zog klar und kühl herauf und der Nebel war noch ein wenig mehr geworden. Das Pferd stand noch immer neben ihnen und Harry war eingeschlafen. Er lag neben Louis im Gras, das feucht vom Morgentau war und seine Augen waren geschlossen. Seine große Hand lag direkt neben Louis' und er fragte sich, ob sie vielleicht heute Nacht einander festgehalten hatten. Louis setzte sich auf und sah sich um; sonderlich weit konnte er wegen des Nebels nicht sehen und es schauderte ihn, wenn er sich vorstellte, dass vielleicht in nächster Nähe Jemand stand, den sie nicht sehen konnten, weil der Nebel ihn verbarg. Louis dachte an die Irrlichter, die sie in der Nacht gesehen hatten und bekam ein wenig Angst. Noch immer war es dunkel und der Himmel über ihren Köpfen wolkenverhangen. Es sah nach Regen aus und danach, als würde die Sonne am heutigen Tag gar nicht erst aufgehen wollen. Louis glaubte sogar, einige verirrte Regentropfen auf der Haut zu spüren. Er hob den Arm und wischte sich mit der Hand übers Gesicht, wobei ihm ein stechender Schmerz in die Schulter fuhr und er ächzte. Offenbar hatte sich in der Nacht auf seiner Verletzung ein Wundschorf gebildet, den er gerade wieder aufgerissen hatte. „Oh verdammt..." fluchte er leise und kniff die Lippen zusammen. „Louis, was ist los?" Harry hatte die Augen aufgeschlagen und sah ihn müde an. „Bist du schon lange wach?" - „Nein, gerade erst aufgewacht, wieso hast du gerade so gestöhnt?" fragte er, setzte sich auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, um sie sich aus dem Gesicht zu schieben. „Ich habe nur gerade eine ungünstige Bewegung gemacht und die Wunde von gestern tat weh." Louis sah Harry an und biss sich kurz auf die Lippe. Er wollte eigentlich nicht zugeben, dass er sich fürchtete, trotzdem sagte er: „Wollen wir gehen. Ich finde es hier auf dem Moor mit all dem Nebel nicht sehr schön und würde mich im Wald sicherer fühlen." Harry nickte und stand auf.

Das Pferd hob den Kopf, als Louis von Harry auf die Beine gezogen wurde und sah sie mit aufgerichteten Ohren an. „Ich fühle mich hier auch nicht sonderlich sicher. Lass uns von hier verschwinden." Harry hob sein Bündel vom Boden auf, hängte sich den Köcher wieder über die Schulter und nahm den Bogen in die Hand. „Wie geht es deinem Bein?" fragte er und als Louis nachdenklich das Gesicht verzog, nickte Harry nur verstehend, zog das Pferd zu sich. „Los, setz' dich auf ihn, ich führe ihn und du schonst dein Bein." - „Willst du nicht mit mir auf seinen Rücken?" fragte Louis und ließ sich von Harry auf das Tier heben. „Ich denke, es ist besser, wenn ich den Weg abtaste und das Pferd führe, oder willst du steckenbleiben?" Natürlich wollte Louis das nicht und so nahm Harry die Zügel, drückte Louis seinen Bogen in die Hand und stocherte mit dem langen Stab vor sich im Gras herum, um stabile Stellen zu finden.

Das Pferd folgte ihm und so arbeiteten sie sich durch das Moor, bis sich vor ihnen wieder der Wald auftat. Louis wollte Anstalten machen, abzusteigen, denn jetzt, wie sie sich wieder im Wald befanden, war das Risiko, dass man sie sah groß. „Was machst du denn? Ich sagte doch, du sollst dein Bein schonen." sagte Harry und wollte ihn davon abhalten, doch Louis rutschte trotzdem vom Pferd. „Und wie willst du unseren Besitz des Pferdes erklären? Es trägt noch das gute Zaumzeug des Hofes. Man wird sofort wissen, dass es nicht unseres Pferd sein kann und uns wegen Diebstahls hängen." Louis deutete auf das Leder, das dm Tier umgeschnallt war und Harry schien nun auch zu verstehen. „Gut, lass es uns abzäumen und wenn uns das Pferd auch ohne Zaumzeug folgt, dann behalten wir es." Kaum hatten sie jedoch die Verschlüsse gelöst, riss das Pferd den Kopf hoch und galoppierte davon. Offenbar froh darüber, von ihnen wegzukommen. Die Hufe trommelten über den weichen Untergrund und verhallten bald in der Ferne. Ein wenig enttäuscht sahen sie dem Pferd hinterher. Es wäre schon schön gewesen, einen Teil der Strecke nicht zu Fuß zurücklegen zu müssen, doch das schien ihnen nun verwehrt zu sein. Allerdings waren sie ohne Pferd viel wendiger, wenngleich auch nicht so schnell. Sie konnten zu Fuß quer durch das Unterholz gehen, steile Abhänge hinunterklettern und durch Flüsse waten. All das war mit einem Pferd nur schwer möglich.

Der verlorene KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt