Handwerken bei den Merry Men

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Das Reh war komplett zerlegt worden, als Harry und Louis zurück zur Eiche kamen. Buck und Draca hatten es in der Eiche über das Feuer gehängt, wo der aufsteigende Rauch es haltbar machen sollte. Einen Teil des Fleisches hatte man auf einen Spieß geschoben, der sich über den Flammen drehte und das heutige Abendessen für die Jungs sein würde. „Wer hat heute Nacht die Wache?" fragte Cuthbert, nahm seinen Spieß vom Feuer und sah prüfend auf das Stück Fleisch, das er aufgespießt hatte. Ed hob die Hand und deutete auf sich und Liam. „Liam? Kannst du mit Waffen umgehen?" fragte Zayn und klang nicht sonderlich überzeugt. Liam nickte und gestikulierte auf einen Bogen, der an der Wand lehnte und das schien Zayn überzeugt zu haben. Zusammen mit Ed und Liam hatte Nerian heute Nacht den Wachdienst und die Drei machten sich auf den Weg, nachdem sie ihre Portionen gegessen hatten. „Ziehst du bald wieder los?" fragte Zayn Harry, der den Kopf schüttelte und dafür einen erstaunten Blick zurück bekam. „Nein. Ich werde mich erst im Herbst wieder auf die Suche machen. Seit einem Jahr bin ich auf der Suche und bisher habe ich nichts erreicht. Das ist wirklich bedrückend. Ich muss erst wieder Kraft und Mut schöpfen." - „Vielleicht kann uns dieser Prinz helfen, der gestern hier war. Er sagte, er würde seinen Vater fragen, ob er etwas über den Verbleib des Thronfolgers weiß." erzählte Buck und Harry nickte: „Ja, das hat mir Louis schon erzählt. Ich habe ihn gestern Nacht im Wald getroffen. Wir hätten einander beinahe getötet, weil wir uns nicht erkannt haben. Er hat sich wirklich gut geschlagen. Du hast ihm viel beigebracht Zayn." Der dunkelhaarige Merry Men grinste und deutete auf Draca: „Er hat auch mitgeholfen, der Verdienst geht nicht allein auf mich. Aber Louis hat sich auch wirklich sehr angestrengt. Ich glaube, er brauchte ein wenig Ablenkung und da hat ihm das Bogenschießen wirklich gut getan." Zayn und Harry sahen sich einen Moment an und Louis wurde das Gefühl nicht los, dass sich die Beiden nur mit Blicken verständigten. Sie kannten sich seit ihrer Kindheit, da war es eigentlich ganz normal, dass man nicht immer miteinander sprechen musste, um sich zu verstehen. Louis tat zwar so, als würde er dem keine Beachtung schenken, doch ihm entging die vielsagend hochgezogene Augenbraue Zayns nicht, die begleitet wurde von einem schiefen Grinsen, was bei Harry ein nervöses Hüsteln auslöste. „Ablenkung? Wie meinst du das, Zayn?" fragte Flint neugierig. „Hast du keine Augen im Kopf Feuerteufel?" fragte Zayn, sagte glücklicherweise aber nichts mehr dazu, worüber Louis sehr froh war. Flint fragte nicht weiter nach, stattdessen fiel sein Blick auf die Pfeile, die Liam und Ed im Laufe des Tages mit Federn versehen hatten. Es waren noch keine Spitzen an den Hölzern angebracht worden, doch sie lagen schon in einem Lederbeutel bereit. „Hier, ich habe uns Arbeit gefunden." sagte er und reichte die Pfeile und Spitzen herum.

Noch nie zuvor hatte Louis einen Pfeil gebaut. Zwar hatte Harry ihm schon gezeigt, welches Holz sich am Besten für den Bau der Pfeile eigneten, doch darüber hinaus waren sie nicht gekommen und so musterte Louis die kleinen, flachen Metallspitzen in seiner Hand ein wenig ratlos. „Iss erst einmal etwas, dann kann ich dir zeigen, wie du das zusammen baust." bot ihm Flint seine Hilfe an und Louis kam darauf zurück, als er sein Fleisch fertig gebraten und verzehrt hatte.

Im Schein der Flammen saßen sie alle auf dem Erdboden und klebten mit Harz, das man über dem Feuer warm machen konnte, sodass es flüssig wie Honig wurde, die Metallspitzen in das Holz. Dafür wurden eine kleine Kerbe in den Pfeil geschnitten, sodass die Spitze gut hielt. Anschließend verband man alles noch mit Lederbändern oder Flachsfasern.

Für seinen ersten Pfeil brauchte Louis lange. Flint hatte in der Zeit drei Pfeile zusammengebaut. „Soll ich dir zur Hand gehen? Brauchst du Hilfe?" fragte Harry leise, doch Louis wollte das allein schaffen und schüttelte den Kopf, während er mit den Zähnen seine Unterlippe bearbeitete. „Ihr habt eure Armschoner vertauscht." bemerkte Draca plötzlich und deutete amüsiert auf die ledernen Unterarmschoner, die Harry und Louis trugen. Louis hob den Kopf und sah Draca an: was sollte er darauf nur antworten? Doch bevor er sich darüber Gedanken hatte machen können, war Harry eingesprungen und sagte ganz locker: „Mir haben die Neuen von Louis so gut gefallen, dass wir eine ausgetauscht haben." Der Blick, den Harry Draca dabei zuwarf, war vielsagend und bedeutete soviel wie: „Frag' jetzt bloß nicht weiter." - „Gibt es schon Nachricht von Prinz Niall?" fragte Cuthbert den Druiden, der abwesend in die Flammen des Feuers starrte und dabei frisch gepflückte Kräuter zerrupfte. Gwydion hob den Kopf und blinzelte Cuthbert kurz abwesend an, denn offenbar war er ganz versunken in seine Arbeit gewesen, dann antwortete er: „Ich denke nicht, dass er schon angekommen ist. Sicherlich wird er zwei ganze Tage lang unterwegs sein und dann muss er erst einmal seinen Vater und Großvater fragen. Nein, ich denke, dass wir erst in einigen Tagen von Prinz Niall eine Nachricht bekommen werden und das auch nur, wenn er überhaupt etwas herausfinden sollte. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als uns in Geduld zu üben." Er widmete sich wieder den Kräutern, sortierte die Blüten aus, bevor er die Blätter dann in ein Tuch wickelte, das er in einen kleinen Tonkrug legte, das am Feuer stand.

Der verlorene KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt