Kapitel 2

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Erschrocken wich ich zurück. Er stand auf seinem Board und sah mich mit ruhigem Blick an. Dann hob ich seine Hand und hielt diese einladend in meine Richtung.

"Wenn du mir folgst, gehöre ich nur dir." seine Stimme klang klar und ehrlich. Ich spürte, wie meine Wangen erröteten und ich beschämt zum Boden blickte.

Ganz vorsichtig schritt ich auf ihn zu und streckte meine Hand aus. Mein Blick war weiter auf den Boden gerichtet während ich mit meinen Fingerspitzen seine Hand berührte.

Augenblicklich umschloss seine Hand meine und er zog mich näher zu sich heran. Erschrocken hob ich den Kopf nur um beinahe augenblicklich direkt in seine Augen zu starren. Er erwiderte meinen Blick und neigte den Kopf leicht zur Seite.

"Du hast dich entschieden?" fragte er und ich nickte zögernd. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht und plötzlich, völlig ohne jegliche Vorwarnung, hob er mich hoch. Ich schrie entsetzt auf und umklammerte seinen Körper.

"Ganz ruhig. Entspann dich!" flüsterte er und ich lockerte meinen Griff.

"W-Wie heißt du überhaupt?" fragte ich und sah ihn erwartungsvoll an.

"Gonzo." antwortete er und begann loszufahren, vorsichtig, wohlwissend, dass er mich noch immer im Arm hielt. Ich legte meinen Kopf gegen seine Brust und schloss die Augen, damit mir nicht schlecht werden würde.

Um mich herum nahm ich die Geräusche der anderen war. Das Rollen der Boards, die Stimmen und die Musik, welche aus der Lautsprächerbox ertönte. Doch ich öffnete meine Augen erst, als Gonzo angehalten hatte. Er sah mich amüsiert an und setzte mich auf dem Boden ab.

"Wo sind wir?" fragte ich und sah mich irritiert um. Für gewöhnlich hielt ich mich an anderen Orten der Stadt auf, sodass ich nicht genau sagen konnte, wo ich mich befand.

"In der Nebelburg. Das ist unser Ort." antwortete Gonzo und ich folgte seinem Blick in die große Skaterhalle.

Ein Junge, welchen ich bereits zuvor mit Gonzo gesehen hatte, näherte sich uns und sah mich für einen Moment kritisch an. Dann wandte er sich zu Gonzo, wobei ich spürte, dass er mich noch immer beobachtete.

"Was hast du mit ihr vor?" fragte er Gonzo und ich blickte ihn genauso fragend an, wie der Junge. Tatsächlich hatte ich auch keinerlei Ahnung, was nun passieren sollte.

"Keine Sorge, Pickels. Sie stellt keine Gefahr da. Sie gehört jetzt zu mir, und damit auch zu euch." antwortete Gonzo und legte einen Arm um meinen Bauch, um mich an sich heran zu ziehen.

Mein Körper kribbelte bei seiner Berührung. Ich war nicht darauf vorbereitet und es noch fiel weniger gewöhnt, dass überhaupt irgendwer körperlichen Kontakt zu mir aufnahm. Seit Jahren hatte ich nicht mal eine Umarmung bekommen und bis zu diesem einen, eigentlich kaum relevanten, Moment, wusste ich auch nicht, wie sehr ich mich danach sehnte.

"Wenn du uns entschuldigst..." Gonzo zog mich an Pickels vorbei, tiefer in die Halle hinein. Um uns herum fuhren die anderen Skater und ich tat mich schwer, nicht zu begeistert zu sein. Es erschien mir alles andere als einfach, auf einem einzigen, kleinen Board deratige Tricks zu machen.

"Ich bringe dir bei so zu fahren, wie sie." meinte Gonzo und ich sah ihn verwundert an. Es schien, als wäre es offensichtlich, wie fasziniert ich war.

"Danke..." antwortete ich.

Er hielt vor einem, über den Boden gespannten, Netz an. Es sah einer Hängematte ähnlich, doch die netzartige Struktur war anders. Ich wandte meinen Blick zu ihm, unsicher was ich tun sollte.

Er grinste bei meinem unsicheren Anblick und kletterte in das Hängematten-Netz, Hängenetz, wie ich es kurzerhand bekannte.

Ich blieb, noch immer völlig überfordert, vor dem Netz stehen und sah ihn mit hoffnungsvollen Blick an. Wenn er mir nicht sagen würde, was ich tun sollte, wusste ich es nicht. Es gehörte nicht zu meinen allgemeinen Aufgaben, Entscheidungen selbst zu treffen. Meistens entschieden die wilden Kerle und wenn ich mal etwas entscheiden sollte, war es im Endeffekt nicht die richtige Entscheidung. Ich wollte es nicht riskieren, hier auch immer das falsche zu tun.

Gonzo sah mich amüsiert an, zeigte dann mit der Hand auf den Platz neben ihm.

"Na komm her!" sagte er und ich kletterte zu ihm in das Hängenetz. Ich legte mich neben ihn und schloss die Augen.

Die Geräusche, Gerüche und Gefühle  begannen, auf mich einzuwirken. Das Geräusch der Räder, welche die Rampen hinunter rasten. Die Stimmen der anderen Skater. Die Musik. Es war eine einzigartige freie und dennoch klar geregelte Atmosphäre.

Für einige Sekunden lag ich reglos da, bevor ich spürte, wie Gonzo sich bewegte. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und sah ihn neugierig an.

"Wie haben sie dich behandelt?" fragte er und ich wurde sichtbar nervös. Seine Frage kam unerwartet und ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Es war, als hätte mir jemand die Worte aus dem Mund genommen.

"I-Ich ähm-- wieso ist das wichtig?" Er zögerte einen Moment, beugte sich dann jedoch vor, sodass ich erschrocken zurück wich.

"Weil das keine allgemeine Nervösität sondern Angst ist. Wieso macht es dir Angst, wenn ich dir zu nahe komme?" Ich spürte, wie sämtliche Farbe aus meinem Gesicht wich. Wie konnte er das wissen? Viel relevanter war jedoch die Frage, was ich antworten sollte.

Ich zögerte. Wieso sollte er sich für meine Probleme interessieren?

"Ich-- habe einfach beinahe keinerlei körperliche Nähe in meinem Leben erhalten. Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll..." flüsterte ich und starrte ins nichts, zu beschämt ihn anzusehen.

"Was ist mit deinen Eltern?"

"Meinen Vater kenne ich nicht und meine Mutter hat mich nach meiner Geburt zur Adoption abgegeben. Sie hatte anscheinend zu große Angst, als Mutter zu versagen. Im Kinderheim wird man nicht viel umarmt oder ähnliches. Nur zu seltenen Anlässen, wie Geburtstagen." Ich zog meine Beine an meinen Körper heran und schlang die Arme darum.

Plötzlich spürte ich, wie seine Arme seinen Bauch umfassten und er mich in eine enge Umarmung zog. Wie gelähmt ließ ich ihn mich umarmen und spürte, wie meine Wangen anfingen zu glühen.

"Es ist ok. Du musst nicht reagieren. Ich gebe dir einfach das, was du in den letzen Jahren nicht bekommen hast und du reagierst darauf so, wie du möchtest. Fühl dich nicht zu einer bestimmten Reaktion gedrängt. Mir reicht es auch zu sehen, wie rot du wirst." sagte er, wobei ich vermutete, dass er den letzen Teil mit einem Grinsen auf den Lippen aussprach.

Langsam und mit rasendem Herzen ließ ich mich tiefer in seine Umarmung sinken und schloss die Augen. Es war wundervoll. Eine derartige Geborgenheit und Sicherheit habe ich zuvor noch nie erlebt. Ich wünschte mir, einfach für immer so in seinen Armen zu liegen.

Gonzo Gonzales X Reader // Die wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt