Kapitel 19

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- pov Y/n -

Was hatte ich getan?

Es sollte gelegentlich vorkommen, dass selbst die unterschiedlichsten, teilweise perfektesten, Menschen dumme Fehler machten. So wurden Bestattungsinstitute neben Altersheime gebaut, Fitnessstudios neben Fast Food Restaurants und Friedhöfe neben Spielplätze. Solche bizarren Umstände können auf den ein oder anderen durchaus ein leichtes Unbehagen ausüben. Anders jedoch war der Fehler, welchen ich nun zu korrigieren hatte.

Ich stand in mitten der begeisterten Jungs, welche mit völlig neuem Eifer anfingen, sich auf ihre zweite Hälfte vorzubereiten. Ihre Motivation lag in mir. Sie schienen zu glauben, dass ich sie zum Sieg führen konnte. Dabei war ich mir in diesem Moment nicht einmal sicher, ob ich mich selbst aus dem Verderben führen könnte. Denn genau auf dieses hatte ich soeben Kurs genommen, und zwar mir Vollgas.

"Ich wusste, dass du uns nicht im Stich lässt!" Rief Leon und klopfte mir aufbauend auf die Schulter. Ich nickte und zwang mich zu einem Lächeln. Jetzt wo ich bereits hier war, wo ich mich bereits für sie entschieden hatte, durfte ich sie nicht enttäuschen.

"Ja, du bist doch eine von uns und nicht von diesem Idioten Gonzo." Lachte Deniz und demonstrierte uns mit heroischer Pose seine Kriegsbemalung. Ich konnte mir ein tatsächlich belustigtes Grinsen nicht verkneifen.

Kurz darauf marschierten wir siegessicher auf das Spielfeld zurück. Der Wind war kalt, die Stimmung tödlich. Doch nichts hätte sich mehr in meinen Kopf einbrennen können, als das Gesicht der Gegner in dem entscheidenden Moment, in welchem wir auf der Bildfläche erschienen. Pure Verwirrung. Vielleicht sogar Angst.

Und genau das gaben wir ihnen in einer ordentlichen Dosis. Verwirrung, Angst und schließlich, zu Beginn der zweiten Hälfte, Verzweiflung. Die wilden Kerle, wir, siegten. Wir ließen unsere Gegner völlig hoffnungslos zurück mit dem Plan, unseren Sieg im Teufelstopf zu feiern.

Ich ließ mich, überwältigt von der neu gewonnen Freundschaft mit den wilden Kerlen, mitreißen. Euphorie hatte meinen Körper eingenommen, unwissend was mir noch bevorstehen würde. Gonzos Drohung, alles was mir bevorstand, war mir in diesem Moment völlig egal. Ich wollte nur für diesen einen Tag zu ihnen gehören. Ein Teil von ihnen sein.

Dann erreichten wir den Teufelstopf. Dort, wie ein Überbringer des Bösen, stand Maxis Vater. Er hatte die Arme vor seiner Brust verschränkt und sah uns mit einem gleichgültigen Blick an. Ein Unbehagen machte sich in mir breit, als ich seine leicht zuckenden Mundwinkel bemerkte. Er schien sich beinahe zu freuen, uns zu sehen und genau das war etwas, das keinem von uns gefiel.

"Papa? Was machst du hier?" Fragte Maxi.

"Wir haben gewonnen!"

"Und Ihre 5000€ kriegen Sie wieder, dafür lege ich meine beiden Beine ins Feuer." Meinte Leon und starrte Maxis Vater mit eisigem Blick an. Dieser allerdings schien sich kaum aus seiner Ruhe bringen zu lassen und deutete belustigt auf den Teufelstopf.

"Dann leg sie besser schon mal auf den Grill."

Wir folgten seiner Geste und rannten die Anhöhe hinauf, bis uns ein eindeutiger Blick auf unsere Fußballplatz möglich war. Und dort, wie Krieger an der Front aufgestellt, standen die Skater. Gonzo und seine, meine, Freunde. Sie hatten den Teufelstopf eingenommen und zielten beinahe augenblicklich mit Wasserbomben auf uns.

Sie waren meine Freunde. Eigentlich sollten sie auf meiner Seite sein, nicht gegen mich.

"Gonzo, du Mistkerl!" Rief Leon wütend und starrte auf den Fußballplatz.

"Zeig dich, wenn du dich traust." Ich betete. Nicht für Weltfrieden oder die Bekämpfung der Hungersnot. Stattdessen betete ich mit allem was ich hatte, dass Gonzo nicht da war. Es bestand kein Zweifel daran, ob er sich trauen würde. Im Gegenteil, es wäre wesentlich angenehmer, würde er sich nicht trauen.

"Hey ho, kleiner Clown." Erwiderte Gonzo und kletterte auf die innere Seite des Zaunes.

"Warum bist du so sauer?" Nein. Nein. Nein.

Gonzo würde reden. Er würde die ganze Wahrheit sagen. Die Wahrheit, dass ich das hier hätte ahnen können. Dass ich wusste, dass Gonzo etwas plante. Und vorallem, dass ich ihm alles erzählt hatte.

"Hat dich Y/n denn vor nichts gewarnt?" Fragte Gonzo mit einer trügerischen Aufrichtigkeit in seiner Stimme. Als ob ihm diese Tatsache völlig fremd wäre.

"Was meint der damit?" Leon wandte sich mir zu, seine Augen versprühten eine tödliche Kälte.

"Y/n! Was meint er?!" Ich zuckte erschrocken zusammen und blickte augenblicklich auf den Boden. Die Schuld begann mich innerlich aufzureißen.

"Ohh...sie hat mir alles erzählt. Über euch, das Spiel, alles." Er zögerte einen Moment bevor er fortfuhr.

"Aber ihr könnt euren Platz wiederhaben. Entweder heute..."

"...oder in einer Woche." Ein entsetztes Raunen ging durch die Jungs, als sie Gonzos zeitliche Planung hörten.

"Das ist zu spät!" Jammerte Raban. Das war es. Sicherlich war dieser Termin auch nicht zufällig ausgewählt worden. Gonzo wusste, wann das Spiel stattfinden sollte und er wusste, wie lange er dort bleiben musste.

"Ich wusste wir werden uns einig." Stellte Gonzo fest und lehnte sich auf den Rand des Zauns. Er ließ seinen Blick an uns vorbei wandern und blieb schließlich bei mir hängen.

Die Gefühlslosigkeit, die Neutralität in seinen Augen machte mir Angst. Als ob er jedes Gefühl für mich einfach abgeschaltet hätte. Und doch, in einem kurzen Augenblick, in welchem die Sinne seinen Blick streifte, wirkte er plötzlich anders. Enttäuscht.

"Was willst du?"

Gonzo antwortete nicht. Die Antwort war etwas, dass nur Gonzo und ich wussten. Einer von uns würde sie aussprechen müssen.

...

"Er will mich..." murmelte ich leise. Leon, welcher noch immer neben mir stand, schien für einen Moment völlig überfordert mit dieser Aussage. Als er sich wieder fasste, schien sein Blick sich durch meinen Körper zu brennen.

"W-Was willst du?" Fragte ich. Ich hoffte, dass ich bleiben sollte. Dass sie mich nun endgültig akzeptiert hatten. Dass sie lieber mit mir kämpfen wollten, als mich zu opfern.

Doch Leon schüttelte fassungslos den Kopf.

"Ich will unseren Sieg feiern! Also kümmer dich um dein Problem mit dem Idioten. Du hast das verursacht, du hast uns verraten. Also bring es auch wieder in Ordnung." Meinte Leon und ich spürte, wie mein Herz anfing sich in meiner Brust zu überschlagen. Er machte mir Angst in der Art, in der er mich anschrie.

"A-Aber...wie soll ich das bitte machen? Dann müsste ich euch wieder verlassen und mit Gonzo gehen." Leon nickte nachdenklich.

"Ja. Mach das. Verräter gehören nicht in unsere Mannschaft. Wir hätten dich eh nicht mehr gebraucht nach dem Spiel. "

Tränen formten sich in meinen Augen. Es war meine Schuld. Ich hatte sie alle verraten. Wie konnte ich bloß davon ausgehen, dass sie mich noch immer hierbehalten wollten?

Gonzo ließ das Tor öffnen und wartete, bis ich meinen Weg hinein gemacht hatte. Dann schloss sich das Tor wieder.

Und plötzlich stand ich in der Hölle des Löwen. Ohne Schwert oder Rüstung. Und der Löwe schlich bereits mit beängstigender Ruhe um mich herum.

Oder, um es ganz einfach zu formulieren:

Ich war richtig am Arsch.

Gonzo Gonzales X Reader // Die wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt