Kapitel 6

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"Du verstehst doch, dass ich mir nur Sorgen gemacht habe. Oder?" fragte er und legte eine Hand an meine Wange. Ich hob den Kopf und sah ihn unsicher an, nickte jedoch schließlich.

"J-Ja. Tut mir leid, dass ich nichts vorher gesagt habe..." antwortete ich. Er lächelte leicht und zog mich noch enger an sich. Ich atmete seinen friedlichen Duft ein und schloss die Augen. Er machte mir Angst, dennoch mochte ich ihn lieber als Leon. Zum ersten Mal in meinem Leben sorgte sich überhaupt irgendwer um mich.

"Komm mit, love." murmelte er, griff meine Hand und zog mich sanft hinter sich her. Wir durchquerten die Skaterhalle, in welche nach diesem Zwischenfall allmählich wieder Leben kam. Erstaunlich wie alles ohne Kommando verstummte, sobald Gonzo etwas zu sagen hatte. Als würden sie nur auf seine Befehle oder Handlungen achten. Es ließ keinen Zweifel daran, dass er ihr Anführer war.

Und dieser Anführer zog mich bis ans Ende der Halle. Dort blieb er stehen und drehte sich zu mir. Für einen Moment blieben unsere Blicke ungebrochen aufeinander. Ein Gefühl ähnlich der perfekten Harmonie eines Liedes.

Doch diese Harmonie zerbrach als er mich plötzlich hochhob und durch die Luft schwang. Ich schrie erschrocken auf und klammerte mich an ihn. Gonzo lachte lediglich amüsiert und hielt mich weiter in seinen Armen.

"Du-" startete ich meine geplante Beleidigung, stoppte jedoch, als mir nichts passendes einfiel.

"Ich was?" fragte er mit hämischen Grinsen und trug mich zur Hängematte. Ohne Vorwarnung ließ er mich fallen und ich warf ihm einen finsteren Blick zu.

"...nichts." murmelte ich nach einer Weile woraufhin sein Grinsen lediglich größer wurde. Sanft beugte er sich über mich und blickte in meine Augen. Dann wanderte sein Blick langsam hinunter bis zu meinen Lippen.

Ich spürte, wie mein Herz begann noch schneller zu schlagen. Seine simplen, verführerischen Gesten verdrehten jegliche Emotion in mir. Alles was mir am Ende blieb waren meine roten Wangen und mein erhöhter Puls.

"He- Hey! Sieh mich nicht so an!" stotterte ich. Er hob die Augenbrauen und verfinsterte seinen Blick.

"Nervös?" Fragte er und beugte sich lediglich noch tiefer. Mein Körper begann zu zittern. Nicht aus Angst. Es war mehr ein unbeschraubliches Gefühl der Aufregung und Nervosität.

"D-Das ist nicht fair! Du-- weißt, dass ich sowas nicht gewohnt bin." versuchte ich zu erklären. Er ließ sich neben mich in das Hängenetz fallen und lachte.

"Alles gut, love. Ich will nichts überstürzen. Du bekommst alle Zeit der Welt dich daran zu gewöhnen." antwortete Gonzo und zog mich zu sich in eine Umarmung. Für einen Moment lag ich einfach nur eng an ihn gekuschelt und genoss seine Existenz.

Plötzlich ertönte ein metallisches Geräusch etwas entfernt über uns. Noch bevor ich sehen konnte wer oder was das Geräusch verursacht hatte, stöhnte Gonzo genervt auf.

"Nicht ihr schon wieder." meinte er und ich blickte hinauf. Oben, versteckt zwischen Metallbalken und Ähnlichem, saßen Leon und Deniz. Sie starrten uns, mit einer Mischung aus Wut und Angst, an.

Ich musste mich bemühen nicht die Nerven zu verlieren. Bei allem was ich Leon nicht zugetraut hätte, war das definitiv weit oben auf meiner Liste. Niemals hätte ich erwartet, dass meine Existenz für ihn derartig relevant war.

"Es gilt im Allgemeinen als unhöflich andere hinterrücks zu beobachten." rief Gonzo zu ihnen hinauf. Als Antwort verfinsterte sich Leons Blick nurnoch mehr während Deniz mit jeder Sekunde unglücklicher guckte.

"Ach? Es ist auch unhöflich anderen die Freundin auszuspannen!" schrie Leon wütend zurück. Es dauerte kaum einen Augenblick bis er das Ausmaß seiner Worte erkannt hatte. Doch es war zu spät. Das Blut in meinen Adern war gefroren.

Die Freundin.

Was ein eigenartiges Wort in anbetracht der Tatsachen. Wie konnte er das so leichtfertig sagen nach allem was in unserer Vergangenheit geschehen war?

"Deine Freundin, ja?" fragte Gonzo ebenfalls,wobei eine beängstigende Freude in seiner Stimme lag. Er legte eine Hand an mein Kinn und lenkte meine Aufmerksamkeit auf ihn. Sein Blick wandte sich noch einmal zu Leon und Deniz.

"Deine Freundin..." lachte er, drehte sein Gesicht zurück zu mir und presste seine Lippen auf meine.

Es war mein erster Kuss. Er war sanft und langanhaltend. Die Art wie er meinen Nacken hielt und der Rhythmus in welchem sich unsere Lippen bewegten. Wie pure Perfektion. Nichts in meinem Leben hatte mich je dermaßen bewegt wie dieser Moment. Doch vorallem geschah es gegen meinen Willen.

Und dieser Fakt zerstörte alles.

Ich brauchte einen Moment meine Gefühle zu kontrollieren. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Leon verschwand. Mit ihm Deniz. Gonzo rief ihm irgendetwas hinter. Doch für mich war alles leise. Die Welt hatte ihren Ton verloren.

So fühlte sich Verrat an. Ein Verrat mit dem ich, obwohl es nur wenige Tage waren, kein bisschen gerechnet hatte. Er hatte es mir versprochen. Noch vor wenigen Augenblicken wollte er nichts überstürzen. Jetzt hatte er es getan.

Ich schwankte, wie geblendet von meinen Emotionen, aus dem Hängenetz. Erst jetzt schien Gonzo mein Verhalten zu bemerken. Und es kostete ihn zwei weitere Sekunde um die Situation zu realisieren. Dann herrschte tatsächliche Stille.

"Y/n-"

"Du hast-- alles-- zerstört!" schluchzte ich und starrte ihn an. In seinen Augen lag keinerlei Wut. Nur blasse, schuldbewusste Angst. Er wusste was er getan hatte.

"Bitte, Y/n. Ich- Ich war dumm. Es tut mir leid!" stotterte er und kletterte ebenfalls aus dem Hängenetz. Ich trat einen Schritt zurück. Dann wandte ich mich ab.

Egal wo ich jetzt hingehen würde, es sollte nicht Gonzo sein. Ich trat, von meinen Gefühlen und Tränen gelenkt, durch die Halle. Wenn ich mir einer Tatsache bewusst war, dann, dass mich niemand aufhalten würde. Ich stand im Schutze aller. Das waren Gonzos Regeln und diese würden sie alle befolgen. Also würde mich niemand, wirklich niemand, aufhalten.

Niemand, außer...

Zwei Arme umschlangen meinen Körper. Es war nicht Gonzo. Ich wusste, dass er es nicht wagen würde. Die Umarmung gehörte zu Jamy, welche mich fest an sich drückte. Als würde jemand einen Teil meines Schmerzes nehmen, ließ ich mich in ihre Umarmung sinken und begann zu weinen.

Gonzo Gonzales X Reader // Die wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt