Kapitel 16

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Ich starrte ihn entsetzt an. Er wusste es. Er musste ahnen, dass ich Teile seines Monologs gehört hatte. Und er wusste, dass das was ich gehört habe, äußert eigenartig war. Egal was ich jetzt antworte würde, ich war am Arsch.

Aus einem inneren Wunsch zu überleben antwortete ich das erstaunlichster Weise dämlichste, das irgendwie möglich war.

„Nichts."

Einen Moment sah er mich mit hochgezogenen Augen an, dann legte sich ein Schatten über sein Gesicht. Die Kerze war erloschen, Finsternis umgab uns. In der plötzlichen Dunkelheit spürte ich die Kälte meinen Körper hinauf wandern. Ganz langsam kroch sie durch meine Adern. Bis sie schließlich auch meine letzten Muskeln gelähmt hatte.
Und ich war noch immer gefangen in Gonzos Armen.

Ich hörte ihn tief ausatmen.

„Ich glaube dir nicht, Y/n. Du hast alles gehört." In seiner Stimme lag dieselbe Kälte, die uns umgab. Er war enttäuscht. Ich hatte ihn erneut angelogen.

„Nicht alles, aber fast." korrigierte ich ihn leise und wandte meinen Blick von ihm ab. Selbst wenn ich sein Gesicht kaum erkannte, schien sein Blick auf mir zu brennen.

„Sorry." murmelte ich leise.

Plötzlich legte er eine Hand an meinen Kopf und drückte mich eng an ihn. Ich versteckte mein Gesicht in seiner Brust und atmete seinen Geruch ein. Ihn so nah zu spüren wirkte wie ein Beruhigungsmittel. Wie eine Droge, die einen augenblicklich völlig außer Gefecht zog.

„Ist okay, darling. Ist schon okay." flüsterte er und vergrub seine Hand in meinem Haar.

„Du durftest alles hören. Nichts von dem was ich sagte war ein Geheimnis." erklärte Gonzo.

"Und- warum sagst du es dann mitten in der Nacht an einem einsamen Ort wie diesem?" fragte ich zögernd, an ihn gelehnt wie ich es war viel es mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Die Müdigkeit schien mit jeder Sekunde der Entspannung meinen Körper zu übernehmen.

"Ich kann es dir auch so sagen, wenn es das ist, wonach du dich sehnst." Er ließ mich los und trat einen Schritt zurück. Plötzlich erklang ein metallisches Klicken und noch im selben Augenblick flammte ein kleines Feuerzeug auf. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück.

Ich wusste nichtmal, dass er ein Feuerzeug besaß.

Im Schein der Flamme leuchteten Gonzos Augen hell auf. Sie strahlten beinahe.

"Y/n, meine kleine Prinzessin, ich teile dir jetzt ganz direkt mit, wofür ich soeben meine Opfergabe gebracht habe. Für dich. Damit du für immer zu mir gehörst und kein wilder Kerl dich mir jemals wegnehmen kann."

Ich starrte ihn an. Ein Teil von mir war wahnsinnig irritiert, der Andere bemühte sich die glühenden Wangen zu unterdrücken. Ich sollte mich nicht so sehr von seiner dominanten Art angezogen fühlen, es war falsch. Oder?

War es falsch, wenn ich ihn auf diese Weise unfassbar attraktiv fand? Wenn ich wünschte er würde mir immer wieder sagen, wie sehr er mich bei sich wollte? Wenn ich nur einmal für eine Person so wichtig sein wollte, dass man sich bewusst für mich entschied? War das alles falsch?

Wahrscheinlich ja. Wahrscheinlich war es hochgradig gestört und bald würde ich bei irgendeinem billigen Psychologen auf der Couch liegen und mir die Liste an Tabletten anhören, die ich vielleicht sicherhaltshalber einnehmen sollte.

Um mich selbst von meiner bevorstehenden Zukunft abzulenken dachte ich erneut an das, was Gonzo noch geflüstert hatte.

"Was hast du mit den wilden Kerlen gemacht?" meinte ich schließlich und ertappte mich selbst schockiert dabei, tatsächlich besorgt zu sein. Eigentlich sollte es mich kein bisschen interessieren, doch das tat es. Ich musste wissen, was er gemacht hatte.

"Nichts, keine Sorge. Ich habe mit niemanden irgendwas gemacht-"

"Ich glaube dir nicht."

"Ich war auch noch nicht fertig, love. Wie gesagt, mit niemanden irgendwas gemacht außer mit ihrem Baumhaus. Das musste ein bisschen leiden aber nur so konnte ich den Jungs ordentlich Angst einjagen." erklärte Gonzo. Ich trat einen Schritt zurück.

"Warum machst du sowas?" Er warf mir einen kritisierenden Blick zu.

"Bei dir klingt das als ob ich etwas schlechtes getan habe." Ich wusste nicht, ob ihm bewusst war das psychologische Angstspielchen durchaus schlecht waren, doch ich wollte es auch nicht anmerken. Stattdessen schüttelte ich kaum erkennbar den Kopf und wandte mich ab, um endlich aus der Dunkelheit zu kommen.

Während ich zurück in die Skaterhalle ging, folgte mir der Schein von Gonzos Feuerzeug bis wir uns an der Hängematte befanden. Dort drehte ich mich um.

Gonzo stand direkt hinter mir. Er hielt das Feuer bedrohlich unter sich und ließ gruselige Schatten auf sein Gesicht werfen. Ich starrte ihn unsicher an.

Plötzlich erlosch das Feuer. Kaum einen Augenblick später umfassten zwei Arme meine Taille und hoben mich in die Hängematte. Ich schrie erschrocken auf und blickte blind um mich, da meine Augen sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Neben mir spürte ich wie sich Gonzo ebenfalls hochzog und zu mir kletterte.

Sobald sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten wurde mir schlagartig klar, wie nah er mir war. Sein Körper lehnte direkt über mir, sein Blick auf mich gerichtet.

"Du wirst doch jetzt nicht plötzlich Sympathie für diese Menschen empfinden oder?" seine Worte waren leise und ruhig doch der scharfe Unterton in seiner Stimme war mehr als deutlich zu erkennen.

"N-Nein...niemals." murmelte ich und bemühte mich nicht direkt zu ihm zu sehen. Dies stellte sich in Anbetracht der Tatsache, dass er nunmal direkt über mir lehnte, äußerst schwierig dar.

"Dann ist ja gut." er ließ sich neben mich in das weiche Material fallen und atmete laut aus.

"Schlaf jetzt, Y/n. Morgen haben wir etwas vor." Ich drehte mich zu ihm und sah ihn erwartungsvoll an.

"Was meinst du?" Er lachte.

"Das wirst du morgen sehen. Jetzt erstmal schlafen, es ist immerhin mitten in der Nacht." Ich seufzte genervt, ließ mich jedoch von Gonzo in eine Umarmung ziehen und schloss die Augen.

In Gonzos Armen zu liegen, seine Brust zu spüren, allein seine Stimme zu hören fühlte sich wie Segen und Fluch zugleich an. Wie ein Fiebertraum. Und ich fürchtete mich jeden Tag aufs Neue davor eventuell eines Tages aufzuwachen.

Gonzo Gonzales X Reader // Die wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt