Kapitel 7

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"Hey...beruhig dich...alles wird gut." flüsterte sie leise und strich sanft über meinen Rücken. Ein Teil von mir sehnte sich danach ihren Worten zu glauben. Ich wollte denken, dass tatsächlich alles wieder gut werden würde. Nur wusste ich beim besten Willen nicht wie.

"Nein- nichts- wird gut..." schluchzte ich und rieb über meine verweinten Augen. Auch ohne Spiegel konnte ich erahnen wie sie aussahen. Es war kein schöner Anblick.
Natürlich war es auch schwer zu beurteilen, ob das Aussehen eines Menschen überhaupt wichtig war in solchen Momenten. Aber wenn, dann würde ich sicher keinen Preis gewinnen.

"Kommst du mit?" fragte sie und deutete auf den Ausgang. Ich nickte wortlos und folgte ihr hinaus in die Kälte. Es war bereits dunkel mittlerweile und ich fror extrem. Dennoch wollte ich in diesem Moment an keinem anderen Ort lieber sein als hier draußen, in der Kälte.

"Er wollte nichts überstürzen..." erwähnte ich nach einer Weile zögerlich. Es folgte ein langes Schweigen.

"Weißt du-" begann Jamy. Dann zögerte sie einen Moment als ob ihr nicht die richtigen Worte einfielen, sich auszudrücken.

"Als Gonzos beste Freundin werde ich dir eine Sache erklären: Gonzo tut wirklich alles um dich zu beschützen. Der Kuss hatte wahrscheinlich nur die Absicht Leon zu zeigen, dass er keine Macht über dich hat und nichts tun kann oder tun sollte..." es folgte ein erneutes Zögern.

"Als deine Freundin habe ich allerdings auch eine Meinung: Er hat sein Wort gebrochen und dich in eine Situation gebracht für welche du emotional nicht bereit warst. Ob du ihm das einfach so verzeihst liegt allein an dir." Ihre Worte stachen wie Dornen in mein Herz. Dabei waren sie doch so naheliegend. So klar. Ich nickte.

"Ich- glaube ich weiß, was ich tun werde." meinte ich und blickte zurück zum Eingang der Skaterhalle. Sobald ich dorthin zurückgehen würde, würde mich all der Druck wieder einholen. Ich würde mich der einen Person stellen, welche meine Emotionen vollkommen überfordert hatte. Gonzo.

Mit all meiner gesammelten Ruhe schloss ich die Augen und atmete tief ein. Dann wieder aus.

Es konnte losgehen.

Mein Blick fiel zu Jamy, welche mich unsicher ansah. Ich warf ihr ein gezwungenes, schwaches Lächeln zu und trat auf den Eingang zu. Wie schwer konnte es schon sein? Ich wusste was ich tun wollte. Es war alles gut.

Es war...

Erdrückend.

Sie fuhren wie zuvor weiter durch die Halle. Doch ich konnte es spüren. Ihre Blicke auf meinem Körper, als würden sie studieren was in mir vorging. Als könnten sie meine Angst spüren.

Unwohl schlich ich durch die Halle. Je weniger von ihnen mich sehen würden, desto besser würde ich  mich fühlen. Immerhin ging es mir nicht um sie sondern um Gonzo. Mit ihm wollte ich sprechen.

Doch bevor ich überhaupt dazu kam nach ihm zu suchen, ertönte ein lautes Geräusch hinter mir, als wäre jemand irgendwo hinunter gesprungen. Ich drehte mich um und zog erschrocken die Luft ein. Er stand direkt hinter.

In seinem Gesicht lag nichts als Schmerz. Kalter, besorgniserregender Schmerz. Mein Herz sehnte sich danach mich in seine Arme zu werfen und alles zu vergessen. Mein Körper allerdings blieb wie gelähmt stehen. 

"Gonzo..." flüsterte ich schließlich und wandte mich vollständig zu ihm. Er legte einen Finger auf seine Lippen und sah mich eindringlich an.

"Sag nichts, bitte. Ich möchte es dir erklären..." meinte er leise, wobei sein Blick sich nicht vom Boden löste. Ich nickte langsam und setze mich auf eine Betonwand, ahnend, dass die Erklärung wohl etwas komplizierter werden würde.

"Ich weiß, was ich getan habe war falsch. Du hast darauf vertraut, dass ich mich an meine Worte halte und ich habe alles ruiniert. Es tut mir leid...
Aber du solltest wenigsten wissen warum ich es getan habe. Vermutlich wäre es am klügsten dir zu erzählen, dass ich es nur zu deinem Besten gemacht habe. Tatsache ist jedoch, das dem nicht so ist.
Ich habe Leons Blick gesehen. Die Sicherheit in seinen Augen nachdem er es ausgesprochen hatte. Er dachte er könnte dich so nennen und es würde niemanden stören, vorallem nicht dich. Wahrscheinlich ist er sogar davon ausgegangen, dass es dich nicht stören würde. Das konnte ich nicht wahrhaben...ich wollte nicht, dass er dich seine Freundin nennen könnte. Deshalb habe ich dich geküsst. Nur, um ihm zu zeigen, dass er keinen Einfluss auf dich hat."

Ich brauchte einen Moment seine Worte zu verarbeiten. Sie klangen wahr. Und das machte es nur noch schlimmer. Jetzt, mit der Erklärung, sollte ich ihn hassen dafür, dass er einfach nur nicht wollte, dass Leon mich seine Freundin nennt. Doch ich tat es nicht. Ich hasste ihn nicht.

"Ich-" ich brach ab. Mein Kopf war voller Worte und doch erschien mir keins richtig. Als hätte ich plötzlich das Sprechen verlernt.

"Was?" fragte Gonzo und trat einen Schritt näher an mich heran. Ich wäre gerne zurückgewichen doch mein Körper war bereits gegen eine Wand gelehnt.

Ich zögerte noch einen Moment. Was wollte ich sagen?

Er trat noch einen Schritt näher, sodass er direkt vor mir stand. Ich sah unsicher zur Seite und versuchte meine Wangen daran zu hindern, zu erröten. Obwohl ich wirklich wütend auf ihn war konnte ich nichts gegen meine Gefühle für ihn tun.

"Love..." flüsterte er und legte eine Hand an meine Wange. Ich hob erschrocken den Kopf und blickte in seine Augen. Sie wirkten so nah. So unsicher.

Er war wie ich...

"Ist okay...ich verzeihe dir..." murmelte ich schließlich und versuchte ein Lächeln. Ein Grinsen wanderte über sein Gesicht und er schlang augenblicklich seine Arme um mich.

"Danke!" lachte er begeistert und hob mich von meinem Platz auf der Betonmauer. Ich ließ mich in seine Arme sinken und lehnte meinen Kopf an seine Brust. Es gab nichts im Leben was ich mehr brauchte als ihn. Seine Berührungen, seine Nähe, alles an ihm.

"Aber bitte mach so etwas nicht nochmal..." bittete ich und er nickte bestätigend.

"Das werde ich nicht." versicherte er mir und ich konnte nicht anders als ihm mit meinen, noch immer glasigen, Augen einen fragwürdigen Blick zu zuwerfen.

"Das hast du schonmal gesagt..." antwortete ich leise. Er sah mich für einen Moment überrascht an bevor er eine Hand unter mein Kinn legte, um mich daran zu hindern meinen Kopf zu senken.

"Wirst du nachtragend? Oder gar, ironisch?" fragte er mit gefakter Sorge. Ich grinste amüsiert.

Plötzlich spürte ich, wie mir ein Kribbeln in die Nase stieg. Ich wandte mich augenblicklich von ihm ab.

Hatschi!

"Sag mal, warst du heute eigentlich irgendwann mit Jacke draußen?" fragte Gonzo. Ich sah ertappt zu Boden.

"Y/n! Du- Komm mit!"

"Wohin?"

"Du gehst jetzt schlafen."

"Ich will aber noch nicht."

"Und ich will verhindern, dass du morgen totkrank bist." erklärte Gonzo und zog mich hinter sich her durch die Halle.

An der Hängematte angekommen ließ er mich in das Netz krabbeln und folgte mir schließlich. Ich sah ihn unglücklich an und versuchte einen möglichst mitleiderregenden Blick.

"Y/n..."

"Nein..."

"Y/n. Ich werde sicher nicht schwach deshalb." Ich stöhnte enttäuscht auf und warf ihn einen finsteren Blick zu.

"Du bist unfair." Er grinste belustigt und ließ sich in das Netz sinken.

"Sei nicht so. Kriege ich dich überzeugt, wenn ich hier mit dir bleibe?" fragte er und ich nickte augenblicklich.

Er öffnete seine Arme und sah mich einladend an. Ich krabbelte vorsichtig zu ihm und ließ mich in seine Arme sinken. Es war so wundervoll warm...

Langsam spürte ich, wie meine Augen schwerer wurden. Es vergingen etwa zehn Minuten bis ich in einen endgültigen, tiefen Schlaf gefallen war. Alles was danach geschah, bekam ich nicht mehr mit.

Gonzo Gonzales X Reader // Die wilden KerleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt