Get over yourself

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Kai

"What if I never forget you?
What if, all my life, when I meet someone new, I can never fall for them because they aren't you?"
- unknown


                    November 2021

Ich ziehe den Reißverschluss meiner schwarzen Daunenjacke mit weißen Details weiter nach oben und beobachte Balou und meinen neuen Hund Pooch, die zusammen mit Timos Hündinnen auf der Wiese spielen. Obwohl Pooch etwas zu klein ist, um mit den anderen mitzuhalten. Timo steht neben mir und wippt von einem Bein aufs andere da er mit seiner cremefarbenen Weste definitiv zu kalt angezogen ist. Immerhin hat es für eine Mütze gereicht.
„Und dann ist Mason schon wieder gestorben und hat uns allen die Schuld gegeben, weil wir angeblich zu schlecht wären und..."
Timos Erzählung bekomme ich nur noch am Rande mit, weil etwas ganz anderes meine Aufmerksamkeit erregt hat. Ich halte mir das Handy näher vor mein Gesicht, mehrmals blinzle ich und hole nochmal tief Luft.
Sein Name steht immer noch da. Zwischen Karim Adeyemi und Draxler. Nur vier Namen über meinem eigenen. Er ist nominiert. Jule ist tatsächlich nominiert. Fuck, ich weiß gar nicht, was ich fühlen soll. Wie oft habe ich in den letzten Monaten Angst vor genau diesem Moment gehabt und ihn gleichzeitig vielleicht sogar ein bisschen herbeigesehnt? Und jetzt, wo er wirklich nominiert ist, weiß ich nicht wie ich reagieren soll.
„Digga, hörst du mir überhaupt zu?"
Ich hebe den Blick und schaue zurück auf mein Display und dann wieder zu dem kleineren neben mir.
„Was ist denn mit dir los? Hat jemand deine Nacktbilder geleakt?", fragt Timo und lacht über seinen eignen Witz. Ich verdrehe die Augen und ziehe ihm die Mütze ins Gesicht.
„Sehr witzig", schnaube ich. Der ältere kichert immer noch und zupft seine Mütze wieder zurecht. Wortlos halte ich ihm das Display unter die Nase. Der dunkelblonde runzelt die Stirn und greift sich das Handy, um selbst einen richtigen Blick darauf werfen zu können.
„Jule ist nominiert?", fragt er überrascht. Ich nehme ihm das Handy aus der Hand und nicke bestätigend.
„Und?", fragt er und sieht mich unverwandt an. Ich runzle die Stirn uns schaue verständnislos zurück.
„Wie und?"
„Man Kai, und wie es dir damit geht?", fragt der ältere, als wäre ich derjenige, der dumme Fragen stellt. Ich zucke mit den Schultern und schaue auf Balou runter, der mir sabbernd einen Tennisball entgegenhält. Kaum zu glauben, dass der kleine jetzt schon ein Jahr alt ist. Ich werfe den Ball und schaue zu, wie mein golden Retriever hinterherrennt. Ich seufze schwer und schiebe meine Hände in meine Jackentaschen.
„Was glaubst du denn Timo?" Der dunkelblonde zuckt mit den Schultern.
„Keine Ahnung, Bro. Sonst würde ich dich nicht fragen." Schnaubend schüttle ich den Kopf über ihn. Warum interessiert ihn das überhaupt? Kann ihm doch egal sein, wie es mir damit geht. Darüber zu sprechen, macht doch sowieso keinen Sinn.
„Ich will dir nur helfen, Havy. Wenn du nicht drüber sprechen willst, ist das auch okay." Timo ist so ein guter Freund geworden in den letzten Monaten. Er hat immer so viel Verständnis für mich und schafft es sogar über meine doch manchmal recht extremen Launen hinwegzusehen. Keine Ahnung, wo ich ohne ihn und die anderen jetzt stehen würde. Klar hat der Penner mich vor ihnen allen geoutet, aber das hat im Endeffekt auch viele Dinge leichter für mich gemacht.
„Ich habe Angst, dass ich mich wieder genauso fühle wie vor dem Wechsel...Was wenn sich nichts geändert hat? Wenn er einfach immer noch diese Wirkung auf mich hat?"
Timo drückt meine Schulter und sieht mich mitleidig an.
„Ich befürchte, da du ihm immer noch ziemlich verfallen bist, wird er auch eine ähnliche Wirkung auf dich haben. Aber das bedeutet nicht das Ende der Welt, Kai. Du musst es dir ja nicht anmerken lassen."
Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen.
„Nicht anmerken lassen? Letztes Mal war ich so nervös, dass ich kaum ein "Hey" rausbekommen habe und dann hat er mich auch noch gesehen, nachdem ich bestimmt eine Stunde geweint habe, wegen ihm. Und jetzt hat er sogar noch diese dämliche Anna und ist komplett über mich hinweg. Was ist, wenn ich ihn für immer lieben werde? Wenn ich einfach keinen anderen will und bei jedem immer nur an ihn denke?", spreche ich endlich alles aus, was mir schon seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten nicht aus dem Kopf gehen will.
„Warum kann ich nicht einfach auf Frauen stehen?", zische ich und fahre mir mit den Händen übers Gesicht.
„Kai, fang jetzt nicht wieder damit an. Das hatten wir doch schon so oft", seufzt Timo. Ich weiß genau, dass er recht hat und ich will auch nicht zum hundertsten Mal einen Vortrag darüber, wie normal und gut und richtig es ist, dass ich homosexuell bin. Ich hebe die Hände und nicke.
„Jaja ich höre schon auf." Timo lächelt zufrieden und wirft Balou den Tennisball nochmal.
„Also willst du über ihn hinwegkommen, oder willst du ihn zurück?", fragt der kleinere mich mit gehobenen Augenbrauen. Ich schlucke und zucke abermals mit den Schultern. Was stellt der mir immer für Fragen, Junge? Als ob ich das wüsste. Ich habe doch eh keine Chance mehr bei ihm. Jule ist so glücklich mit seiner Freundin. Ich sollte mich für ihn freuen. Vielleicht bin ich ja schon fast über ihn hinweg. Wem mache ich was vor, natürlich bin ich das nicht, aber ich sollte es sein. Es ist schon so lange her, dass wir ein Paar waren.
„Kai?"
„Ich... Man keine Ahnung, Digga", rufe ich und trete gegen einen Baum. Timo lacht auf und schüttelt wieder den Kopf über mich.
„Ist eigentlich auch egal, was du willst. In beiden Fällen kannst du nicht mehr vor Jule rumheulen, weil sein wir ehrlich Kai das ist nach über zwei Jahren Trennung schon armselig."
Meine Augen verengen sich zu Schlitzen.
„Halt die Klappe, Timo. Ich habe überhaupt nicht vor ihm geheult", meckere ich trotzig.
„Natürlich nicht und die Begrüßung war bestimmt auch nicht so peinlich, wie ich sie in Erinnerung habe... Du musst dich echt zusammenreißen, Kai. Jule soll doch zumindest denken, dass du über ihn hinweg bist, oder?" Schwer seufzend verdrehe ich die Augen. Dämliche Frage.
„Ja natürlich will ich, dass er das denkt und danke, aber mir ist schon klar, dass ich mich zusammenreißen muss", knurre ich. Der ältere grinst und legt mir wieder die Hand auf die Schulter.
„Na siehst du. Dann brauchen wir jetzt nur noch einen Plan."

You broke me first- BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt