It's not that easy

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Julian

"How do you get over someone who was never yours?
Who do you blame when you've broken your own heart?"
- poetryabouthim

März 2022

Die Ellenbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen vergraben sitze ich im Flieger und versuche irgendwie meine Gedanken zu sortieren. Doch egal wie ich es drehe und wende, meine Situation bleibt die gleiche.
Ich habe meine Freundin betrogen. Ich habe Anna mit meinem Exfreund betrogen. Bei vollem Bewusstsein. Ich war nicht betrunken oder benommen und er hat mich auch nicht gezwungen. Im Gegenteil, ich habe es richtig genossen. Kai hat mich Dinge fühlen lassen...Fuck, es war so gut.
Doch was ich Anna damit angetan habe, wiegt so schwer, dass mir übel ist. Was habe ich mir dabei gedacht? Oder warum habe ich viel mehr gar nicht gedacht?
Kai hat mich an diesen Punkt gebracht und trotzdem weiß ich, dass ich ihm nicht die Schuld geben kann. Das ist allein mein Fehler. Auch wenn er mich halb wahnsinnig gemacht hat mit seinen Blicken und diesem verfluchten Kuss. Ich hätte ihn stoppen können. Jederzeit hätte ich ihn wegdrücken können. Ich wollte das so. Es war allein meine Verantwortung. Mag sein, dass Kai seinen Freund ebenfalls betrogen hat, aber das geht mich so gesehen nichts an. Es liegt nicht an mir das mit Mason zu klären.
Aber mit Anna muss ich sprechen. Ich muss mit ihr sprechen und hoffen, dass sie mir das irgendwie verzeiht. Ich kann sie nicht verlieren, verdammt. Anna ist der Mensch, der mir am meisten Halt und Kraft gibt. Vor allem in der Vergangenheit, als es mir so schlecht ging. Als meine Leistungen immer schlechter wurden und ich noch an Kai hing. Ich kann nicht ohne Anna. Sie muss mir einfach verzeihen.
„Was ist denn mit dir? Du bist schon die ganze Zeit so komisch", meint Marco und lässt mich aufblicken. Ich versuche einen entspannten Gesichtsausdruck aufzusetzen.
„Sag nicht, dass du dich schon wieder mit Kai gestritten hast", seufzt er. Habe ich mich mit ihm gestritten? Eigentlich nicht. Aber er ist gerade auch meine geringste Sorge. Warum muss Marco ihn überhaupt erwähnen.
„Nein, ich bin nur müde."
„Lange Nacht gehabt, hm?", fragt er mich mit einem seltsamen Unterton in der Stimme. Weiß er es? Hat er uns gesehen, oder gehört?
„Was? Nein! W-wie kommst du denn darauf?"
Marco hebt abwehrend die Hände.
„Ist ja gut. Ich dachte nur, weil du so müde bist."
Etwas beruhigt lehne ich mich in meinem Sitz zurück und zucke mit den Schultern.
„Ja schlecht geschlafen", brumme ich. Stimmt nicht. Ich habe so gut in seinen Armen geschlafen wie schon lange nicht mehr.
„Aha, schlecht geschlafen also", murmelt der ältere. Er mustert mich prüfend von der Seite und schüttelt schließlich langsam den Kopf. Es ist offensichtlich, dass er mir nicht glaubt. Aber Marco, der mich noch zusätzlich stresst kann ich jetzt echt nicht gebrauchen. Mein Fokus muss jetzt auf Anna liegen.
Ich weiß gar nicht wie ich ihr das erklären soll. Sie hat schon allen Grund sauer auf mich zu sein, weil ich ihr nie von der Beziehung zwischen Kai und mir erzählt habe. Das ist schon schlimm genug. Dann habe ich auch noch mit ihm geschlafen.
Wie erklärt man sowas überhaupt?
Und wie könnte sie mir das verzeihen? Vielleicht sollte ich es ihr doch nicht erzählen. Dann würde ich sie zumindest nicht verlieren. Aber das kann ich ihr auch nicht antun. Das hätte Anna nicht verdient. Ich werde es ihr sagen. Das muss ich einfach.
Immerhin habe ich noch bis morgen, um mir einen Plan zurechtzulegen, weil sie heute keine Zeit hat. Immerhin eine Sache die halbwegs gut für mich läuft.

Vor Schreck lasse ich meine Tasche fallen, als plötzlich Anna vor mir im Flur steht. Die kleinere Blondine steht einfach da und grinst mich an. Ihre Haare hat sie sich etwas gelockt und sie trägt ein weißes Langarmshirt mit einer engen schwarzen Jeans und roten Socken. Wie immer sieht sie perfekt aus.
Strahlend fällt sie mir um den Hals und ich drücke sie etwas überfordert an mich.
„W-was machst du denn hier?", frage ich vorsichtig.
„Ich wollte dich überraschen", grinst die kleinere und zieht mich weiter in die Wohnung.
Sie sieht so glücklich aus, dass ich ebenfalls lächeln muss.
„Freust du dich gar nicht?", fragt sie und sofort ziehe ich sie wieder in meine Arme.
„Natürlich freue ich mich, mein Engel. Ich war nur kurz etwas... überrascht", erkläre ich und küsse sie sanft.
„Gut, ich habe nämlich extra für dich gekocht." Ich habe sie nicht verdient. Anna ist zu gut für mich. Viel zu gut.
„Wow, du bist wirklich die Beste", hauche ich uns streiche ihr die Haare aus dem Gesicht. Was bin ich nur für ein mieser Freund. Wie konnte ich ihr das antun?
„Ich weiß", kichert sie gespielt arrogant. Ich lege meine Sachen ab und folge ihr dann in die Küche. Ich fühle mich underdressed neben ihr in meiner Jogginghose und dem Kapuzenpullover, obwohl das Langarmshirt jetzt auch nicht schick, schick ist. Aber Anna sieht einfach so gut darin aus. Sie hat sogar Kerzen auf dem Tisch angezündet und das Essen riecht fantastisch. Ich schlucke schwer und mein schlechtes Gewissen wird fast unerträglich.
„Womit habe ich das denn verdient?", frage ich sie und versuche zu lächeln. Ein verschwörerisches Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht.
„Setz dich doch erstmal, Juli", fordert sie und nimmt auf ihrem üblichen Stuhl Platz. Ich setze mich ebenfalls und lasse mir etwas von den Nudeln auftun. Was hat sie nur vor? Irgendwas ist doch los. Das merke ich ihr einfach an. Nervös kaue ich auf der Unterlippe und sehe sie erwartungsvoll an.
„Na gut ich will dich auch nicht so lange warten lassen...", fängt sie an und nimmt einen Schluck aus ihrem Glas.
„Okay... Also was ist los?", frage ich neugierig. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich von diesem Moment erwarten soll.
„Ich habe mir nochmal Gedanken gemacht, über das was du gesagt hast, zum Thema Zusammenziehen", lächelt sie. Überrascht reiße ich die Augen auf.
„Hast du?" Langsam nickt sie.
„Und? Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?", frage ich voller Hoffnung.
„Ich denke du hast Recht. Es wird Zeit für den nächsten Schritt, Schatz", verkündet sie strahlend. Ungläubig öffne ich den Mund und schließe ihn wieder. Wie lange habe ich darauf gewartet? Endlich will sie bei mir einziehen. Ich kann sie immer bei mir haben.
„Wow! Du weißt gar nicht, wie glücklich du mich damit machst, Anna. Danke, dass du das mit mir machen möchtest", freue ich mich ehrlich und springe von meinem Platz auf, um sie in meinen Arm zu nehmen. Fest drücke ich sie an mich und streichle über ihren Hinterkopf. Sie löst sich etwas von mir und legt ihre Lippen auf meine. Die Glücksgefühle in mir sprudeln über. Es ist einfach perfekt.
Abgesehen von der Sache, die ich getan habe natürlich. Ich kann ihr das nicht sagen. Nicht, nachdem sie mir das verkündet hat. Das mit Kai war einfach ein dummer Fehler. Ein Fehler, der nie wieder passieren wird. Er wird ab jetzt keine Relevanz mehr für mich haben. Ich bin über ihn hinweg. War ich eigentlich schon die ganze Zeit. Ich will mich auf Anna konzentrieren. Anna, die ab jetzt immer bei mir sein wird.

You broke me first- BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt