Finally

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Kai

„So do right people with wrong timing ever get a second try?"
- (via welcomtothedarksideofthemoon)

September 2022

Ich kann mir nichts Heißeres vorstellen, als Julian Brandt, der eifersüchtig ist. Dieses Feuer in seinen Augen, der angespannte Kiefer und seine Muskeln, die sich unter meinen Händen verkrampfen. Es fühlt sich gut an zu wissen, dass ich ihm so viel bedeute. Jetzt weiß er mal, wie es mir die ganze Zeit über mit Anna ging.
Ich führe ihn in mein Zuhause und sofort kommen die Hunde angerannt. Balou wedelt wild mit dem Schwanz und Pooch rennt um die Beine des blonden herum. Grinsend hockt er sich hin und begrüßt die beiden.
„Na hallo, wer seid ihr denn?", grinst er während er die beiden mit Streicheleinheiten verwöhnt.
„Das sind Balou und Pooch", lächle ich und hebe den kleinen Pudel Mix auf meinen Arm. Jules Blick wird ganz weich und er muss schlucken.
„Ich glaube das ist das Niedlichste, was ich jemals gesehen habe", murmelt er und richtet sich wieder auf. Er streicht über Poochs Kopf und einmal mehr realisiere ich, wie gut seine großen von Venen überzogenen Hände aussehen.
„Pooch ist auch ein ganz süßer", grinse ich stolz.
„Ja nicht nur Pooch. Balou ist auch sehr süß und der Besitzer ist auch nicht schlecht", schmunzelt er und ich werde verlegen wie ein Teenie. Jule findet mich süß... fehlt nur noch, dass ich rot werde.
„Danke", gebe ich etwas zu leise von mir.
„S-soll ich dir erstmal das Haus zeigen?", frage ich ihn unsicher. Warum bin ich denn jetzt so nervös auf einmal? Das ist doch nur Jule. Ich wollte doch, dass er sich entscheidet. Aber jetzt, wo er tatsächlich hier ist und es ernst wird bekomme ich wieder Angst...
„Klar gerne", meint der ältere locker. Ich setze Pooch wieder auf dem Boden ab und gehe mit Jule mein Haus ab. Ich führe ihn vom Flur in den Wohnbereich, wo ein großer Esstisch steht und die andere Hälfte das Wohnzimmer abbildet. Die Küche und die Vorratskammer sind die Räume, die ich ihm danach zeige und das kleine Badezimmer, sowie den Wintergarten und die Terrasse und den Garten draußen. Dann zeige ich ihm den Haushaltsraum mit der Waschmaschine und dem Putzzeug und den großen Raum, der eine Art Bar mit Sofaecke darstellt. Im oberen Stockwerk führe ich ihn zuerst in meinen Gamingraum und zeige ihm danach die beiden Gästezimmer und dann mein Schlafzimmer mit angrenzendem Badezimmer. Jule staunt nicht schlecht, als ich meine Führung auf dem Balkon beende und noch erkläre, dass sich hinter der letzten Tür ein weiteres Badezimmer verbirgt.
„Und du wohnst hier allein, ja?" Ich zucke mit den Schultern.
„Naja allein nicht wirklich. Ich habe ja Balou und Pooch, die mir Gesellschaft leisten. Und ich überlege gerade mir noch einen weiteren Hund zu holen", erkläre ich lächelnd.
„Du willst drei Hunde haben?", fragt er fast etwas geschockt. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus.
„Ja warum nicht?", frage ich und führe ihn zurück ins Haus.
„Keine Ahnung? Vielleicht weil sie einen Haufen Arbeit machen?" Da hat er vermutlich recht. „Aber sie sind auch superniedlich und eine tolle Gesellschaft", grinse ich. Da kann der Blonde nicht widersprechen.
„Meine Eltern haben sich auch noch einen zweiten Hund geholt. Noch ganz klein, wie Nala damals. So niedlich der kleine", erzählt er mir. Nala habe ich auch ewig nicht mehr gesehen. Der Familienhund der Brandts war immer so anhänglich und schläfrig bei mir, dass ich sie nur gernhaben konnte.
„Wie niedlich, du musst mir unbedingt Bilder zeigen", fordere ich auf den Weg nach unten ins Wohnzimmer. Der eigentliche Grund aus dem Jule gekommen ist, ist fast wieder vergessen. So normal fühlt es sich an, sich über erlebtes auszutauschen.
„Willst du was trinken?", frage ich ihn, was er sofort bejaht. Ich hole uns Wasser aus meinem Kühlschrank und werfe ihm die Flasche zu. Er bedankt sich und nimmt auf dem Sofa Platz. Jetzt ist es doch wieder ziemlich präsent auf welchen Gründen Julian nach London gekommen ist. Mein Magen zieht sich zusammen und mein Herz schlägt viel schneller als normal. Ich setze mich etwas von ihm weg und nestle nervös an meinem Pullover herum. Irgendwie weiß ich nicht, was ich von dem Gespräch erwarten darf. Ist es ein gutes Zeichen, dass er hier ist, oder mache ich mir gerade völlig zu unrecht Hoffnungen?
„Also das war Nate, hm?", fragt er und traut sich kaum mich anzusehen.
„Yep, das war Nate", bestätige ich und spiele mit meiner Wasserflasche herum.
„Und... äh lief da noch was zwischen euch?", fragt er verunsichert. Er glaubt doch nicht echt, dass ich nach der Sache los gehe und direkt etwas mit anderen Typen haben könnte. Als ob ich je irgendjemand ihm vorziehen könnte, nachdem er mir so viel Hoffnungen gemacht hat. Das ist so absurd, dass ich gar nicht weiß, was ich sagen soll.
„Kai?" Ich hebe den Blick. Er interpretiert mein Schweigen offensichtlich anders, denn sein Blick ist verletzt und gleichzeitig wieder voller Eifersucht.
„Nein, ich hatte nichts mehr mit ihm. Nicht seitdem ich dich nach dem Date mit ihm angerufen habe. Er war wirklich nur hier, weil ich ihm erklären wollte, dass ich keine Zukunft für ihn und mich sehe", versichere ich Jule. Die Erleichterung ist ihm sofort anzusehen, auch wenn er versucht das kleine Lächeln zu verbergen.
„Okay gut", nuschelt er und ich muss ebenfalls lächeln. Er scheint genauso unsicher zu sein wie ich. Was ist denn nur mit uns beiden los heute?
„Und was ist mit dir und Anna?", frage ich vorsichtig. Wenn er jetzt sagt, dass sie noch zusammen sind... Ich will nicht mal daran denken.
„Wir haben uns getrennt und sie ist bei mir ausgezogen", erzählt er schief lächelnd. Jetzt bin ich erleichtert. Gleichzeitig steigt die Panik in mir weiter an. Wie kann mir das zu schnell gehen? Timo hat Recht, ich habe einen Knall!
„Tut mir leid, wie das alles gelaufen ist", drücke ich ihm mein Mitgefühl aus. Jule schüttelt den Kopf.
„Muss es nicht. Ich wollte das. Ich wollte in dem Moment nur dich. Und klar ist das blöd gelaufen, aber nach ihrem Urlaub hätte ich die Sache sowieso beendet", beruhigt er mich. Das heißt er hat sich schon vorher entschieden?
„U-und was machen wir jetzt?" Der blonde zuckt mit den Schultern.
„Ich dachte, dass ich Zeit brauchen würde mir über einige Dinge klar zu werden, aber allein mit meinen Gedanken bin ich nur durchgedreht", eröffnet der ältere mir. Das kann ich gut verstehen. Wenn ich an die Stimme meines Vaters denke, die ich zum ersten Mal seit langem wieder hören konnte, wird mir übel.
„Deshalb bin ich dann zu Jannis gefahren und habe mit ihm darüber gesprochen. Über die Trennung und über uns und..."
Es ist als würde irgendetwas in mir kaputt gehen.
Ich höre gar nicht mehr, was er sagt. Jule hat seinem Bruder von uns erzählt? Er hat mich einfach geoutet? Wie konnte er mir das antun? Weiß der Rest seiner Familie auch davon? Hassen sie mich jetzt? Was wenn mein Vater das herausfindet? Die Panik überwältigt mich und zieht mich unter Wasser. Ich schnappe nach Luft und raufe mir die Haare.
„Bist du verrückt? Warum machst du sowas?", fahre ich ihn an. Sein Blick verändert sich und er schluckt schwer.
„Weil ich auch mal mit jemandem sprechen muss. Du hast doch auch deine Freunde, mit denen du darüber sprichst", versucht er mir die Lage ruhig zu erklären.
„Das ist etwas komplett anderes."
„Ist es nicht. Du redest darüber, dann kann ich das wohl auch tun, oder? Und ganz ehrlich, Kai... Das habe ich auch gebraucht. Das tat verdammt gut." Er versteht es nicht! Es macht sehr wohl einen Unterschied, ob seine Familie das weiß oder Marco.
„Natürlich ist das anders! Jannis ist deine Familie und er..."
„Ja und? Wenn deine Familie es wüsste, wäre es doch auch nicht schlimm. Warum ist das bei mir so eine große Sache?", regt er sich jetzt langsam auf. Nicht schlimm? Wenn meine Familie davon erfahren würde, wäre mein Leben vorbei.
„Sowas ist krank! Ekelhaft und krank! Wenn ich dich nochmal bei sowas erwische oder noch schlimmer zusammen mit einem Mann, dann Gnade dir Gott Kai Lukas! Du widerst mich an!"
Meine Kehle schnürt sich weiter zu und ich bekomme immer mehr Panik. Ich kann das nicht. Was habe ich mir dabei nur gedacht?
„Du musst gehen! Ich kann das alles nicht. Wir... Wir sind Fußballer, Jule. Das geht nicht. Du musst gehen", bringe ich irgendwie hervor. Der Blonde atmet zittrig ein. Sein Blick ist voller Schmerz und seine Augen glasig.
„Nein, Havy. Diesmal bleibe ich." Ich traue meinen Ohren kaum. Was? Wieso denn das?
„Ich will nicht, dass jemand erfährt, wie ekelhaft und falsch ich bin, Jule. Ich kann das alles nicht. Bitte, bitte geh einfach!", rufe ich langsam verzweifelt. Er macht keine Anstalten zu gehen. Stattdessen rutscht er näher an mich heran.
„Du bist perfekt, Kai. In jeder Hinsicht perfekt. An dir gibt es nichts Ekelhaftes oder Falsches. Ich bleibe bei dir, so lange bis du das auch verstehst", versichert er mir mit brüchiger Stimme.
„Du lügst. Keiner braucht so eine Schwuchtel. Du hättest bei Anna bleiben sollen. Mit ihr hattest du es so viel leichter. Sei ehrlich, das denkst du dir doch schon die ganze Zeit. Warum verschwendest du deine Zeit mit mir? Ich will das alles nicht, Julian. Es ist besser, wenn du jetzt gehst!" Eine Träne läuft ihm über die Wange und es bricht mir mein Herz, wie sehr ich ihn gerade verletzte. Doch meine eigene Panik und der Schmerz in meiner Brust sind schlimmer. Ich hasse mich so sehr dafür. Warum bin ich so? Warum kann ich nicht einfach normal sein?
„Ich hatte Angst davor, dass es wieder genauso wird, wie früher. Ich wollte genau das hier nicht, Kai. Ich wollte, dass wir von vorne anfangen. Dass wir an uns arbeiten und es nicht wieder so läuft. Ich wollte es wirklich probieren, weil ich dich liebe. Ich liebe dich und ich habe wahrscheinlich nie aufgehört dich zu lieben. Aber das hier? Das hier ist einfach zu viel", bringt er mit belegter Stimme hervor. Ich kann ihn verstehen. Ich will an mir arbeiten und an der Beziehung, aber jedes verfluchte Mal, wenn es ernst wird, ist die Stimme meines Vaters da, um mich zu quälen.
„Ich liebe dich auch, Jule. Ich habe immer bereut, dass ich es nie gesagt habe", hauche ich. Wahrscheinlich habe ich es jetzt auch nur deshalb gesagt. Weil ich es sonst wieder bereuen würde.

Wieder höre ich die Stimme meines Vaters und ich kneife die Augen zusammen. Ich weiß, dass es nur mein Kopf ist. Ich war schon so weit. Ich habe so viele Fortschritte gemacht. Ich habe doch erst vor kurzem mit den Jungs darüber gesprochen und trotzdem hat das scheinbar nichts geholfen.
„Ich glaube nur Liebe allein reicht nicht, Havy."
Ich nicke langsam. Das weiß ich.
„Wenn du wirklich willst, dass ich gehe, dann tue ich das. Aber dann war's das Kai. Dann war's das endgültig. Ich kann das nicht nochmal." Ich will nicht, dass er geht. Mein Herz will das zumindest nicht. Aber mein Kopf spielt all die Dinge, die mein Vater je gesagt hat in Dauerschleife ab und treibt mir die Tränen in die Augen.
„Ich... Nein, bitte geh nicht." Erleichtert atmet er auf. Ich will wirklich nicht, dass er geht und noch weniger will ich, dass er mich aufgibt. Schon gar nicht, wenn ich an die ganzen Schmerzen denke, die ich schon hatte, weil ich dachte er hätte mich aufgegeben.
„Gut, dann bleibe ich. Aber du musst dieses Mal mit mir sprechen, ja?" Er hat recht. Wie so häufig hat er recht. Jule hat ja keine Ahnung, was mit mir los ist.
„Es tut mir leid, Jule. Nicht nur das hier. Mir tut alles leid. Wie mies ich dich behandelt habe, wie schwer ich es dir gemacht habe mich zu lieben und dieser dämliche Streit wegen des Zusammenziehens damals. Mir tut das alles leid. Mein Stolz und meine Sturheit natürlich auch. Ich habe mich benommen wie ein dummes Arschloch, das weiß ich jetzt."
Dem älteren bleibt der Mund offen stehen. Damit hat er wohl nicht gerechnet nach meiner Panikattacke gerade.
„Mir tut es auch leid, Kai. Ich habe zu wenig Rücksicht auf deine Ängste genommen. Ich habe dich das immer mit dir selbst ausmachen lassen und das war falsch. Ich hätte dich dabei unterstützen müssen zu lernen, dass es okay ist schwul zu sein und dir nicht noch zusätzlichen Druck machen sollen", meint er ehrlich. Ich schüttle den Kopf. Er ist noch immer zu gut für mich. Am liebsten würde ich ihn jetzt an mich ziehen und küssen, aber dafür ist noch zu viel zu klären.
„Ich habe dich noch nicht mal gefragt, woher deine homophobe Sichtweise kommt. Ich habe das immer einfach hingenommen. Tut mir echt leid."
Abermals schüttle ich den Kopf. Dafür sollte er sich nicht entschuldigen.
„Hör auf, Jule. Ich hätte es dir erzählen sollen, damit du mich besser verstehst. Es ist meine Schuld, dass wir überhaupt an diesem Punkt sind. Wäre ich nicht so kaputt und einfach normal, dann hätten wir eine richtige gesunde Beziehung haben können", gebe ich nuschelnd zu. Jules Blick wird ganz weich und er greift nach meiner Hand.
„Du bist doch normal", versichert er mir.
„Ja, aber ich habe viele Probleme und Dinge, an denen ich arbeiten muss. Das weiß ich mittlerweile und ich arbeite schon daran, aber es ist schwer." Der blonde nickt und drückt meine Hand sanft.
„Wir können zusammen daran arbeiten, Havy. Also wenn du willst", bietet er an und ich kenne die Frage, die sich dahinter versteckt, schon ohne, dass er sie aussprechen müsste. Zu gern würde ich einfach Ja sagen und alles wäre wieder gut. Aber dafür ist es zu früh. Ich schulde ihm noch eine Erklärung. Bevor er sich wieder auf mich einlässt, sollte er Bescheid wissen, auf was genau er sich einstellen muss. Auf das Ausmaß und die Reichweite dessen, sollte er schon vorbereitet sein.
„Wenn ich fertig bin mit erzählen und du das dann immer noch willst, dann arbeite ich sehr gern mit dir daran. Aber erstmal schulde ich dir eine Erklärung." Der Blonde muss schlucken und fährt zärtlich mit seinem Daumen über meinen Handrücken.
„Okay, ich höre dir zu", lächelt Jule ermutigend.
Er scheint zu spüren, dass es mir nicht leicht fällt darüber zu sprechen. Der Blick in seinen blauen Augen erleichtert es mir etwas.
„Als ich 15 war hat mein Vater mich beim Masturbieren erwischt. Am PC so richtig klischeehaft mit den Kopfhörern zu laut und keine Ahnung... War echt peinlich bis zum geht nicht mehr und es waren halt schwulen Pornos, die da auf dem Bildschirm liefen", fange ich an. Normalerweise würde der ältere mich jetzt vermutlich sofort damit aufziehen, aber er merkt scheinbar schon, dass es keine lustige Geschichte wird.
„Ich habe ihn nicht mal bemerkt. Er hat mir die Kopfhörer runtergerissen und direkt angefangen mich anzubrüllen. Er hat geschrien, dass ich widerlich wäre und abartig. Dass das mein Karriereende bedeuten kann und wie hart wir dafür gearbeitet haben, wie enttäuscht er von mir ist, was ich ihm damit antue, wie ekelhaft und falsch das ist und er hat mir gedroht, dass mir Gott Gnaden soll, wenn er mich nochmal bei sowas erwischt oder mit einem Typen sieht", erzähle ich mit belegter Stimme. Jules Augen füllen sich wieder mit Tränen.
„Das hat er zu dir gesagt? Dein eigener Vater?"
Ich nicke langsam.
„Ja, das hat irgendwie alles für mich geändert. Ich habe mich jedes Mal dafür gehasst, wenn ich einen Typen zu lange angesehen habe und ihn heiß fand. Mehr habe ich mir dann eh nicht erlaubt", erzähle ich und spüre die Tränen in auch in meinen Augen brennen. Ich blinzle sie weg und versuche tief durchzuatmen.
„Fuck, ich hatte ja keine Ahnung, dass du sowas durchmachen musstet. Und du warst erst 15? Wie kann er dir sowas antun?" Ich schlucke und presse die Lippen aufeinander. Da hört es ja noch nicht auf. Es gibt noch etwas mehr, was ich ihm erzählen sollte.
„Irgendwann hat er mich mal in Leverkusen vom Training abgeholt, da war ich sogar noch in der U-Mannschaft... Er hat mich mit einem der Jungs gesehen. Nichts Schlimmes an sich, wir haben nur rumgelabert und uns vielleicht etwas zu lange umarmt uns durch die Haare gewuschelt oder so. Echt nichts Wildes. Tja im Auto ging's dann richtig ab. Er meinte ich wäre nicht mehr sein Sohn. Widerliche Schwuchtel, hat er mich genannt und wenn er mich nochmal erwischt, würde er das der Presse stecken und meine Karriere könnte ich dann vergessen, genau wie der andere Spieler dann. Die ganze Fahrt hat er mich fertig gemacht... Seitdem hat er mich nie wieder auf die gleiche Art angesehen wie vorher."
Das tat vielleicht am meisten weh. Immer mit dem Gefühl leben zu müssen, dass er mich verachtet. Selbst als ich die Champions League gewonnen habe, hat er mir bloß auf die Schulter geklopft und mich wieder so angesehen, als ich Arm in Arm mit Mase auf dem Feld stand.
Erst jetzt bemerke ich die Tränen, die mir über die Wangen laufen. Auch wenn ich jetzt das zweite Mal erzählt habe, tut es immer noch unfassbar weh. Der Blick meines Vaters und seine Worte haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt und etwas in mir verändert. So lange, bis ich Julian getroffen habe. Julian, den ich von Anfang an heiß fand, den ich bewundert habe und dessen Nähe ich zu Anfang noch gemieden habe. Doch von ihm konnte ich mich nicht lange fernhalten. Es war, als hätte er mich magisch angezogen. Wir haben uns sofort verstanden, sind erst beste Freunde geworden und dann mehr. Dabei habe ich mich die ganze Zeit verurteilt und gehasst und vor allem habe ich mir eingeredet, dass Jule derjenige ist der Schuld wäre, weil er mich einengen würde. Meine eigenen Probleme habe ich so lange verdrängt und ignoriert, bis es nicht mehr ging. Jule legt seine Arme um mich und zieht mich in eine feste Umarmung.
„Es tut mir so leid, Havy. Es tut mir so unfassbar leid, was du erlebt hast", wispert er und streichelt über meinen Rücken und über meinen Kopf.

„Du weißt, dass er unrecht hat, oder? Es ist nicht falsch oder eklig einen Mann zu lieben und du bist auch kein anderer Mensch wegen deiner Sexualität. Dein Vater ist derjenige, der widerlich ist, Havy", redet er sanft auf mich ein. Ich weiß, dass er recht hat. Manchmal ist es nur schwer sich das ständig ins Gedächtnis zu rufen. Ich löse mich von ihm und wische mir über die Augen.
„Danke Jule, ich weiß", murmle ich. Er nickt und fährt sich durch die Haare.
„Aber deshalb darf mein Vater nie von uns erfahren, verstehst du? Ich finde es mittlerweile echt okay, wenn es unsere Freunde wissen und die Mannschaften, aber bei meiner Familie bin ich raus und deshalb habe ich vielleicht auch so Angst bei deiner..." Julian nickt und streicht mir eine verirrte Träne von der Wange.
„Das verstehe ich. Aber ich glaube um meine Familie musst du dir wirklich keine Sorgen machen. Wir gehen das trotzdem langsam an. Wir müssen es nicht allen sofort erzählen und deine Familie ist raus, versprochen", versichert er mir. Das klingt fast so als würde er uns tatsächlich noch eine zweite Chance geben wollen. Trotz allem.
„Wenn er es herausfindet, würde er dich mit outen. Darüber musst du dir klar sein, also ich meine, falls wir..." Er schmunzelt zu meiner Überraschung nur.
„Glaubst du echt nach allem, was wir durchgemacht haben, schreckt mich das noch ab? Ich will dich, Kai. Ich liebe dich und ich will mit dir zusammen sein. Wenn du mir das alles verzeihen kannst, natürlich." Seine Hand liegt immer noch an meiner Wange, als mein Blick seine Lippen trifft.
„Ich weiß, wie sehr ich dich mit meinem Hin und her verletzt habe. Das war weder für dich noch für Anna fair, aber es war auch nicht leicht für mich, weißt du? Es tut mir leid, Kai." Natürlich weiß ich das.
„Du dachtest ja auch ich wäre immer noch der gleiche Vollidiot wie früher", brumme ich. Jule lacht leise.
„Ach Kai, sein wir ehrlich, du bist immer noch ein kleiner Vollidiot. Aber ich glaube das ist der Punkt. Ich liebe dich eben genau, weil du dieser Vollidiot bist", haucht er zärtlich.
„Ich liebe dich auch, Jule. Und ich verzeihe dir. Natürlich verzeihe ich dir", grinse ich fast etwas verlegen.
„Dann versuchen wir es echt nochmal miteinander, ja?", fragt er. Meine Glückshormone sprudeln über, so viel löst er mit diesen Worten bei mir aus.
„Und ich dachte du bist nur deswegen gekommen", ziehe ich ihn auf, weil ich gar nicht weiß wohin mit meinen Gefühlen. Ihn zu nerven ist da noch das natürlichste.
„Ne ich wollte mir den Buckingham Palace ansehen", ärgert er mich ebenfalls. Dieser Spinner.
„Ach so? Na, dann interessiert es dich sicher ganz und gar nicht, wenn ich sage, dass ich es sehr gerne nochmal mit dir probieren und gemeinsam an uns und der Beziehung arbeiten würde, hm?" Er legt seine Hand an mein Kinn und lacht schnaubend.
„Ach sei still und küss mich endlich, Havertz", wispert er. Die Schmetterlinge in meinem Bauch schlagen Saltos und meine Brust ist so warm, als würde mein Herz in Flammen stehen. Endlich vereine ich unsere Lippen miteinander. Das Kribbeln in meinem Bauch und die Glücksgefühle werden mit jedem Kuss von ihm nur stärker. Unsere Zungen umkreisen einander und er zieht mich noch näher an sich, bis ich rittlings auf seinem Schoß lande. Er streicht mir durch die kurzen Haare und legt seine Hände danach an meine Hüften, während ich eine Hand an seine Wange und die andere in seinen Haaren habe. Endlich gehört er mir. Endlich ist Jule wieder an meiner Seite und damit genau da, wo er hingehört. Er stöhnt in unseren Kuss und ich tue alles, um ihm dieses Geräusch erneut zu entlocken. Seine Küsse sind so leidenschaftlich und heiß, dass ich plötzlich derjenige bin der aufstöhnt.

Nur langsam lösen wir uns wieder voneinander.
„Ich liebe dich", wispere ich atemlos.
„Ich glaube das aus deinem Mund zu hören, ist das Beste, was mir je passiert ist", gesteht der ältere mir. Sofort erscheint dieses dümmliche überglückliche Grinsen wieder auf meinem Gesicht. Mein Jule-Grinsen. Exklusiv für ihn vorbehalten.
„Du gehörst jetzt wieder mir, hm?", frage ich und beiße ihm spielerisch in die Unterlippe. Er lacht leise und fährt mir wieder durch die kurzen Haare.
„Ich glaube technisch gesehen gehören wir einander schon etwas länger, aber es ist ab jetzt offiziell, ja", bestätigt der Blonde mir.
„Wie unromantisch du das immer ausdrücken musst, alter", brumme ich.
„Ja ist doch aber so", verteidigt er sich.
„Mhmm okay technisch gesehen ist das anscheinend so", ziehe ich ihn auf. Er verdreht schmunzelnd die Augen.
„Mit meiner Zunge im Mund hast du mir besser gefallen. Irgendwie weniger frech", witzelt er und streicht schon wieder durch meine Haare.
„Warum hast du sie dir eigentlich abgeschnitten?" Ich seufze und zucke mit den Schultern.
„D-damit es mich nicht immer an dich erinnert, wenn jemand in meine Locken greift", erzähle ich ihm ehrlich.
„Oh Kai", murmelt er betroffen.
„K-kannst du sie wieder wachsen lassen?", fragt er gleich verlegen nach. Ich lege meinen Finger in sein Grübchen und nicke.
„Ja, das hatte ich eh vor... also nach der WM. Ich glaub, dafür sind die kurzen Haare dann doch ganz praktisch", erkläre ich. Das versteht Jule natürlich.
„Und du könntest dafür mal wieder einen Friseurbesuch vertragen mit deinen kleinen Löckchen da hinten", schmunzle ich und stupse eine davon mit meinen Fingern an.
„Ich weiß, aber ich hatte gerade andere Sorgen", seufzt er.
„Ey, nenn mich nicht Sorge." Er runzelt verwirrt die Stirn.
„Digga das habe ich nie gesagt."
„Aber gemeint!"
„Und wieder würdest du mir besser gefallen mir meiner Zunge in deinem Mund", seufzt er.
„Dann küss mich doch endlich", fordere ich von ihm. Das muss er sich nicht zweimal sagen lassen. Wieder küssen wir uns voller Leidenschaft.
Keine Ahnung, wie lange ich auf diesen Moment gewartet habe... aber endlich haben wir es geschafft. Endlich sind wir wieder zusammen und dafür hat sich der ganze Scheiß doch fast gelohnt. Ach was, natürlich hat es sich gelohnt. Hauptsache ich habe Julian jetzt bei mir. Offensichtlich steht uns noch eine ganze Menge Arbeit bevor, damit es wirklich funktionieren kann. Vor allem mit der riesigen Entfernung, die zwischen uns liegt. Dortmund ist leider nicht gerade um die Ecke. Aber darüber kann ich mir zu einem andern Zeitpunkt Gedanken machen. Jetzt gibt es erstmal nur Jule und seine Küsse. Seine verdammt heißen Küsse.

Geschafft! 🥳🥳🥳
Da haben die beiden Chaoten aber lange gebraucht, um das endlich hinzubekommen 🙊
(Oder die Autorin hat sie nicht gelassen 🫠)

Egal sie haben es geschafft und auch wenn bei weitem nicht alles geklärt ist, verlassen wir die beiden doch in einem sehr schönen Moment 🥰

- Carmi 🤘🏻

You broke me first- BravertzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt